Ich blogge sehr regelmäßig über von mir durchgeführte Veranstaltungen. Über den Prozess, der davor stattfindet – also die Konzeption und weitere Vorbereitung eines Lernangebots – habe ich dagegen noch kaum geschrieben. Das möchte ich nun in diesem Blogbeitrag angehen. Ich finde das zum einen hilfreich, um mir meine Arbeitsweise selbst bewusster zu machen. Zum anderen kann die Darstellung vielleicht auch für andere interessant sein. Ich finde es zumindest immer sehr spannend, solche ‚Hinter den Kulissen‘-Beiträge von anderen zu lesen. In diesem Sinne kommt hier also das Making-of eines exemplarischen Lernangebots von mir.
(Zu berücksichtigen ist, dass ich für die Darstellung eine sehr einfache Form ausgewählt habe. In vielen Fällen findet die Konzeption kollaborativ statt, das Lernangebot findet sowohl vor Ort als auch online statt oder es gibt andere Herausforderungen. Ich fand es aber stimmig, erst einmal eine vergleichsweise einfache Konzeption zu beschreiben)
Schritt 0: Die Grundlage von allem
Dieser Schritt hat erst einmal noch gar nichts mit einer konkreten Vorbereitung zu tun, ist aber dennoch die wahrscheinlich wichtigste Grundlage dafür, dass diese dann später gut funktionieren wird. Ich fasse darunter die Zeit, die ich mir regelmäßig in meinem Arbeitsalltag reserviere, um für mich zu lernen, Inspirationen zu recherchieren und mich zu vernetzen. Wenn es dann an eine konkrete Konzeption geht, habe ich immer ganz viele Ideen (oft auch nur unbewusst) in meinem Kopf, die mir dann wieder einfallen. Am wichtigsten ist für mich bei diesem Schritt mein persönliches Lernnetzwerk. Aktuell entwickle ich dieses vor allem via Mastodon im Fediverse (und ich würde mich sehr freuen, dort noch mit vielen weiteren Pädagog*innen in Austausch zu kommen).
Schritt 1: Die Anfrage
Richtig los geht es dann irgendwann mit einer Anfrage zu einem Lernangebot. Hier finde ich es hilfreich, zunächst den organisatorischen und auch den finanziellen Rahmen zu klären, bevor man in konkrete Absprachen geht. Das ist etwas, das ich erst lernen musste. Früher habe ich insbesondere Fragen nach dem Honorar auf irgendwann später verschoben – und mich dann manches Mal geärgert, dass meine Arbeit finanziell nicht wertgeschätzt wurde. Inzwischen mache ich immer wieder die Erfahrung, dass es für alle Beteiligten hilfreich ist, darüber schon ganz zu Beginn Klarheit zu haben. (Klarheit kann übrigens auch bedeuten, dass man weiß, dass fast kein oder zu wenig Geld da ist, wie es ja leider im Bildungswesen immer wieder der Fall ist. Ich finde es hilfreich, das dann transparent zu besprechen.)
Schritt 2: Die Auftragsklärung
Wenn der finanzielle und zeitliche Rahmen passt, können wir besprechen, was genau benötigt wird. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass viele Anfragen erst einmal sehr ‚klassisch‘ sind. Das bedeutet: Angefragt wird ein Workshop oder eine Keynote. Oft schon mit recht genauen Vorgaben wie z.B. 45 Miunten Input und dann 15 Minuten Fragen & Antworten. Dass sich Lernangebote aber oft auch sehr viel beteiligungsorientierter und offener gestalten lassen und es sehr viele unterschiedliche Formate und Gestaltungsmöglichkeiten gibt, ist vielen bei ihrer Anfrage gar nicht bewusst. Auch hier musste ich erst lernen, mich in dieser Phase aktiv einzubringen – und die erste kommunizierte Erwartung nicht unhinterfragt als ‚Rahmen‘ zu akzeptieren. Inzwischen habe ich mir angewöhnt, sehr viel stärker zu intervenieren, wenn ich ein vorgeschlagenes Format nicht als stimmig erachte.
Wenn ich mich in solch einer Form einbringe, stoße ich oft auf viel Aufgeschlossenheit. Und wenn eine Auftragsklärung dahingehend gelingt, dass ein offenes, beteiligungsorientiertes Format gestaltet werden kann, ist schon ein sehr großer Schritt hin zu einem guten Lernangebot getan.
Mit diesem Schritt ist dann oft auch die Formulierung einer Ankündigung verbunden. Hier finde ich es manches Mal hilfreich, mir einen Entwurf dazu von ChatGPT prägnanter schreiben zu lassen. Viel Zeit erspart mir außerdem die vor einigen Monaten eingerichtete ‚B&B-Seite‘ (= Bilder und Biographie) auf meiner Website. So kann ich einfach einen Link senden, wenn die Frage nach Foto oder Selbstbeschreibung kommt.
Schritt 3: Die Suche nach der zündenden Idee
Nach der Auftragsklärung kommt der für mich schönste Part der Vorbereitung. Ich weiß nun, was ansteht und wofür ich eine Konzeption benötige. Im besten Fall ist aber noch kein Zeitdruck. So kann ich die Herausforderung ein paar Tage in meinem Kopf entwickeln lassen. Das passiert natürlich nicht von allein, sondern ich rufe mir die benötigte Konzeption immer wieder in Erinnerung – ohne allerdings konkret daran zu arbeiten. Am besten funktioniert das bei mir beim Spazierengehen oder Schwimmen. Irgendwann ist es dann soweit: Ich habe eine Idee! Wie das abläuft, ist schwer zu beschreiben, denn es ist ein bisschen wie ein ‚Geistesblitz‘: Eine Idee taucht in meinem Kopf auf – und ich weiß sofort: „Ja, das könnte cool sein. Daran sollte ich weiterdenken.“ Solch eine Idee muss übrigens gar nichts Großes sein. Oft ist es bei mir eine Kombination von zwei Methoden oder auch nur ein Aufhänger, der mir für das Lernangebot passend erscheint.
Seit ich mehr mit KI-Tools experimentiere, nutze ich manchmal auch ChatGPT in dieser Phase zum Co-Brainstormen. Gut funktioniert das bei mir, indem ich die Herausforderung beschreibe und dann eine Liste mit 10 Ideen erfrage. Die ‚zündende Idee‘ kommt dann ähnlich wie beim Spazierengehen. Ich schaue mir die generierte Liste durch, lasse weitere Punkte generieren, verfeinere gegebenenfalls den Prompt … und irgendwann lese ich eine Idee, und mir fällt ein, wie ich diese (meist leicht abgewandelt) in diesem Fall gut nutzen könnte.
Schritt 4: Die Grobkonzeption
Mit der ‚zündenden Idee‘ im Kopf kann ich mich dann an eine ‚richtige‘ Konzeption setzen. Ich mache das meist als Kritzelei auf einem Klemmbrett, das ich mit mir herumtragen kann – und oft nebenher irgendwo daran herumschreibe. Gut klappt das z.B. beim Kochen (wenn man nur immer mal wieder umrühren muss) oder auch auf dem Sofa. Ich kritzele an der Grobkonzeption, ausgehend vom zeitlichen Rahmen der Veranstaltung und meiner Idee aus dem vorherigen Schritt, alles auf, was ich denke, was gut dazu passen könnte. Ich kann hier inzwischen auf viele sehr bewährte Methoden und Bausteine zurückgreifen – und auch auf vieles, was durch Schritt 0 in meinem Kopf zu finden ist und was ich gerne einmal neu ausprobieren will. In dieser Phase verwerfe ich aber auch viel, d.h. ich streiche durch, verschiebe, schreibe neu…
Wahrscheinlich können andere mit der so entstandenen Kritzelei überhaupt nichts anfangen. Selbst mir geht das so, wenn ich nach ein paar Wochen nochmals auf solche Notizen stoße. Aber dann ist aus dieser Grobkonzeption schon längst eine genauere Planung geworden, und ich brauche sie auch gar nicht mehr…
Schritt 5: Die Feinplanung
Im nächsten Schritt benötige ich dann meinen Laptop oder mein Smartphone – je nachdem, ob ich zuhause oder unterwegs bin. Ich öffne eine simple Notiz-App bzw. einen Text-Editor ohne Formatierungs-Schnickschnack und versuche meine Kritzelei aus dem vorherigen Schritt in Reinschrift zu übertragen. Dabei geht es vor allem um eine zeitliche Planung und um eine Konkretisierung der Inhalte: Wie lange veranschlage ich für welche Methode? Was genau sind die Leitfragen bei einer Aufgabe? Was will ich bei einem Impuls berücksichtigen?… Wenn ich merke, dass ich viel zu kurz oder viel zu lang geplant habe, gehe ich nochmals einen Schritt zurück und arbeite zunächst noch einmal an der Grobkonzeption weiter. Im Ergebnis entsteht ein sehr knapper ‚Spickzettel‘.
Wenn von Seiten der Auftraggeber ein Ablaufplan oder eine Konzeption im Vorfeld gewünscht ist, dann nutze ich an dieser Stelle gerne wieder ChatGPT. Denn es funktioniert meiner Erfahrung nach erstaunlich gut, meinen vorrangig für mich erstellten Kurz-Ablauf mit dem Prompt einzugeben, dass daraus ein etwas ausführlicherer Ablaufplan gestaltet werden soll. Wenn es den jeweiligen Auftraggebern wichtig ist, in die Konzeption einbezogen zu werden, dann finde ich es zielführend, sich synchron zu treffen und die entwickelten Ideen gemeinsam durchzugehen.
Schritt 6: Die Materialerstellung
Für meine Veranstaltungen benötige ich immer einiges an Materialien: Karten zum Tauschen, Bilder als Impuls, Gegenstände zum Brainstorming, einen digitalen Zufallsgenerator für eine ‚Inspirationsdusche‘, eine Präsentation für einen kurzen Impuls, Aushänge für einen Gallery-Walk, vorbereitende flipped Materialien…
Materielle Dinge, wie Gegenstände fürs Brainstorming, suche ich mir Zuhause zusammen bzw. stöbere dazu auch gerne in Ein-Euro-Shops. Inhalte erstelle ich digital und veröffentliche sie dann entweder online oder drucke sie aus. In diesem Schritt nutze ich neben ChatGPT auch Bildgenerierungs-KI (aktuell vor allem Midjourney).
In diesem Schritt lege ich mir meist auch bereits einen Blogbeitrag als Entwurf für eine spätere Dokumentation und Reflexion des Lernangebots an. Hier kann ich dann bereits jetzt im Vorfeld die erstellten Materialien in weiternutzbarer Form hochladen – und dann nach der Veranstaltung offen mit allen Interessierten teilen.
Schritt 7: Die Generalprobe
Kurz vor der Durchführung gehe ich meistens noch einmal spazieren und mache eine Art Generalprobe des geplanten Lernangebots. Das bedeutet, dass ich für mich die Ankündigung der einzelnen Methoden und die Überleitungen probeweise durchspreche. Dabei merke ich, wo z.B. eine Erklärung noch nicht prägnant genug ist oder wo ich zu viele Schritte auf einmal ankündige, so dass es für Teilnehmer*innen verwirrend sein könnte. Das Ziel am Ende des Spaziergangs ist, dass ich die Moderation für das gesamte Lernangebot stimmig in meinem Kopf habe. Diesen Schritt finde ich sehr wichtig, weil ich dann später in der Moderation sicher bin und die einzelnen Schritte gut und prägnant erklären kann.
Schritt 8: Glitzerstaub zum Abschluss
Um ein Lernangebot richtig gut zu machen, überlege ich ganz am Ende der Konzeption immer noch, was ich ergänzen könnte, um das Lernangebot noch freudvoller, spaßiger oder ‚irgendwie besonders‘ zu machen. Das kann ein Energizer sein, der viel Freude bringt, eine ‚Zwischendurch-Aktivität‘ oder auch eine mitgebrachte Dekoration. Ich finde, dass es sich sehr lohnt mit solch einer ‚Glitzerstaub‘-Perspektive nochmals auf das Lernangebot zu blicken. Denn oft sind es wirklich nur Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied machen können.
Schritt 9: Die Vorbereitung vor Ort
Wenn der Zeitpunkt des Lernangebots dann gekommen ist, steht bei Veranstaltungen vor Ort dann noch die Vorbereitung vor Ort an. Dazu gehört vor allem, den Raum einzurichten. Ich starte oft mit einem Stuhlkreis und stelle die Tische an die Seite oder ganz nach draußen. Meine benötigten Materialien sortiere ich der Reihe nach, so dass ich alles leicht wiederfinde, wenn es losgeht. Raumverschönerung mit einem ‚Hallo‘ auf dem Flipchart oder einem kleinen Pixelbild aus Post-its auf der Fensterscheibe runden das Ganze dann noch ab. Hilfreich ist es dann noch, das WLAN auf meinen Geräten einzurichten (und ein eventuell benötigtes Passwort für Teilnehmer*innen gut sichtbar auszuhängen) sowie gegebenenfalls die Zeiten für Catering in den Pausen nochmals zu checken.
Schritt 10: Los geht es!
Bald treffen dann die ersten Teilnehmer*innen ein, und es geht darum, willkommen zu heißen und ein gutes Ankommen zu unterstützen. Ich versuche in dieser Zeit ein erstes Gespür für die Gruppe zu bekommen – und mit dieser Einschätzung dann gegebenenfalls auch noch ein bisschen umzuändern, wie der Einstieg gestaltet wird (Passt es z.B. direkt wie geplant mit einem Energizer einzusteigen – oder lieber erst einmal ein bisschen vorsichtiger?). Diese Bereitschaft zum flexiblen Anpassen und Ändern im Prozess ist dann auch für die gesamte weitere Durchführung wichtig. Eine Konzeption, mit der das nicht möglich ist, wäre für mich eine schlechte Konzeption.
Und Du?
In diesem Blogbeitrag habe ich mein Vorgehen bei der Konzeption von Lernangeboten beschrieben. Gehst Du ähnlich vor oder ganz anders? Ich freue mich, auch von Deinen Reflexionen zu lesen.
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