Lightning Talks: Lernen als Wundertüte

Lightning Talks sind ein Veranstaltungsformat mit mehreren Impulsvorträgen nacheinander, die jeweils nur 5-10 Minuten lang sind. Bei diesem Format stehen sowohl die individuell Vortragenden, als auch die Organisator*innen des Gesamtformats vor mehreren Herausforderungen. In diesem Blogbeitrag möchte ich zu beiden Ebenen meine Überlegungen vorstellen. Anlass sind die heutigen Lightning Talks des Bündnis Freie Bildung und OERinfo, bei denen ich mit einem Impuls zu offenen Lernformaten beteiligt war. Ich nutze den Blogbeitrag vor diesem Hintergrund zugleich, um meinen Impuls und die Vorbereitung dafür zu dokumentieren.

1. Individuelle Gestaltung

Als Vortragende freue ich mich über Anfragen zur Beteiligung an Lightning Talks, denn ich bin durch die festgelegte Kürze des Beitrags herausgefordert, mein Thema sehr prägnant auf den Punkt zu bringen. Dadurch lässt sich die Vorbereitung eines Lightning Talks gut mit der persönlichen Herausforderung verbinden, ein Thema für sich selbst zu systematisieren und Ordnung im eigenen Kopf zu schaffen. Diese Erfahrung habe ich auch heute wieder gemacht, wo ich im Ergebnis meinen Impuls mit drei einfachen Thesen zusammenfassen konnte:

Abschlussfolie meines Impulses zu offenen Lernformaten in der Praxis

Darüber hinaus finde ich drei Aspekte wichtig, damit ein vorbereiteter Impuls auch für die Zuhörenden gewinnbringend ist:

1.1 Erzählung aus der Ich-Perspektive

Durch eine Internetrecherche oder auch durch einen Chat mit einem Sprachmodell stehen uns allen Informationen praktisch unbeschränkt und jederzeit zur Verfügung. Wer sich also zu etwas informieren will, muss sich dazu keinen Lightning Talk anhören, sondern kann auf viele andere Online-Inhalte sehr niederschwellig zurückgreifen. Der hauptsächliche Unterschied zu einem Lightning Talk ist für mich, dass das Thema hier mit einer Person verknüpft wird, der das vorgetragene Thema wichtig ist und die ihren, individuellen Zugang dazu darstellt. Genau diesen Unterschied finde ich wichtig, in einem Lightning Talk als Vortragende dann auch ganz bewusst umzusetzen.

Ich habe heute vor diesem Hintergrund sehr bewusst aus der Ich-Perspektive berichtet. Das bedeutet: Es ging mir nicht primär darum, Informationen zu offenen Lernformaten weiterzugeben, sondern ich habe erzählt, was mir dabei wichtig ist und wie ich bei der Gestaltung vorgehe.

1.2 Entscheidung für Lupe oder Panorama

Bei Lightning Talks steht man wahrscheinlich mehr noch als bei anderen Vorträgen, bei denen man mit mehr Zeit erst das eine und dann auch noch das andere machen kann, vor einer Entscheidung: Will man sich wie mit einer Lupe sehr gezielt ein Detail eines Themas herausgreifen und dieses vorstellen oder geht es eher um ein Panorama und man ermöglicht den Zuhörenden einen Gesamtüberblick?

Ich finde das beides eine gute Sache sein kann. Ich habe mich heute für den Gesamtüberblick entschieden und in sehr, sehr kurzer Form mehrere Beispiele von offenen Lernformaten vorgestellt – und meine Herangehensweise dann vor allem auch systematisiert und eingeordnet.

1.3 Kollaborative Vortragsnotizen

Bei jedem Vortrag, aber definitiv in einem kurzen Lightning Talk, muss man sich von der Vorstellung verabschieden, dass man inhaltlich auf alles eingehen kann, was man bei dem Thema wichtig findet. Um das auch gegenüber Zuhörenden deutlich zu machen, kann es lohnend sein, nicht nur im Anschluss die Präsentation zu teilen, sondern bereits während des Vortrags das Vortragsskript mit eventuell weiterführenden Links. Zuhörende können das dann für einen kollaborativen Mitschrieb nutzen und ihre Ergänzungen eintragen. Außerdem ermöglicht es Nachbereitung und Vertiefung und sorgt für Orientierung während des Vortrags.

Als Beispiel sind hier von meinem heutigen Impuls zunächst die recht minimalistischen Folien (umgesetzt als Kritzel-Präsentation 😎):

Dazu kamen dann diese Shownotes, die ich in Big Blue Button in die geteilten Notizen packte:

(Den Begriff „Shownotes“ für die weiterführenden Inhalte in den kollaborativen Notizen hat André Hermes heute schon während der Videokonferenz genutzt, was ich sehr passend finde.)

2. Umsetzung des Gesamtformats

Neben der individuellen Gestaltung der einzelnen Impulse ist bei Lightning Talks natürlich auch die Gestaltung des gesamten Formats wichtig. Die Verantwortung dafür lag heute bei OERinfo und dem Bündnis freie Bildung. Wir hatten uns aber vorab zur Vorbereitung getroffen. Weitere Punkte habe ich durch Beobachtung gelernt. Folgende Aspekte finde ich zusammenfassend wichtig.

2.1 Wundertüten-Prinzip mit rotem Faden

Lightning Talks erinnern mich ein bisschen an eine Wundertüte: Es stecken viele, kleinere, unterschiedliche Sachen darin. Manches Mal können es echte Schätze sein, manches Mal ist es Plunder, mit dem man kaum etwas anfangen kann. Bei Wundertüten wie auch bei Lightning Talks weiß man das aber in der Regel erst hinterher. Ich denke, dass der Reiz, sich auf Lightning Talks einzulassen, immer auch ein bisschen mit diesem Überraschungsmoment zusammen hängt.

Genau wie bei einer Wundertüte muss auch die Verpackung (= die Ankündigung) der Lightning Talks attraktiv und motivierend sein. Wichtig ist hier vor allem die Darstellung des Themas im Sinne eines roten Fadens: Worum geht es, was ist das Anliegen der Veranstaltung? Hier muss man die richtige Balance finden, die Wundertüte gut und attraktiv zu beschreiben – ohne schon den ganzen Inhalt zu verraten.

Als Learning aus der heutigen Veranstaltung nehme ich für mich mit, mir bei zukünftigen Lightning Talks für die Beschreibung des Themas und damit für eine attraktive Bewerbung mehr Zeit zu nehmen.

2.2 Vielfältige Themen und Sprecher*innenauswahl

Neben der Beschreibung kann natürlich auch die Ankündigung der Sprecher*innen für potentielle Zuhörende ein Anhaltspunkt sein, ob sich eine Teilnahme lohnt. Hier finde ich es wichtig, im Vorfeld auf die nötige Vielfalt zu achten. Wir hatten heute beispielsweise bewusst Vortragende aus unterschiedlichen Bildungsbereichen. Während der Veranstaltung ist es dann wichtig, gut auf die Zeit zu achten, damit aus Lightning Talks nicht doch eher ganz normale Vorträge werden. Das Format lebt aus meiner Sicht sehr von dem schnellen Wechsel zwischen unterschiedlichen Sprecher*innen.

Spannend finde ich eine Reflexion dazu, welches Ziel man mit den Lightning Talks verfolgt. Den neben dem naheliegenden Gedanken, dass das Format Zuhörenden schnell und komprimiert Einblicke in ein bestimmtes Thema bietet, kann es auch wunderbar im Kontext des Selbstlernens und des Community-Building eingesetzt werden. Dazu sind beispielsweise Lightning Talks denkbar, in denen Lernende über ihre Lernerfahrungen berichten und man auf diese Weise voneinander und miteinander lernen kann. Oder man gestaltet Lightning Talks im Prozess der Strategiefindung und Ideenentwicklung einer Community. Sie bieten dann einen Rahmen, um zusammen zu kommen, sich gegenseitig zuzuhören und dann gemeinsam weiter zu denken. In allen diesen Variationen sehe ich viel Potential. Wichtig scheint mir aber, das Ziel vorab zu klären und dann auch klar – gerade auch mit den Impulsgeber*innen – zu kommunizieren. Denn ein Community-Austausch erfordert natürlich einen anderen Impuls, als wenn das Ziel vorrangig darin besteht, bestimmte Inhalte weiter zu verbreiten.

2.3 Niederschwellige Beteiligung

Ich finde Lightning Talks vor allem ein großartiges Format für den Online-Kontext. Das liegt daran, dass auf diese Weise eine sehr niederschwellige Beteiligung möglich ist. Auch Lurking passt hier völlig problemlos. Außerdem kann direkt aufgezeichnet werden (siehe unten) und falls gewünscht steht den Teilnehmenden ein Chat für begleitende Kommunikation offen.

Wenn Lightning Talks vor Ort stattfinden, dann finde ich es entweder als ein unterhaltsames, eher konsumierendes Stand-Alone-Programm gut. Dann braucht es mehrere Talks und vielleicht auch ein bisschen Kino-Atmosphäre. Alternativ können sie Teil von größeren Konferenzen sein. Ich erinnere mich zum Beispiel an Lightning Talks-Sessions bei Barcamps, die sehr gut angenommen wurden oder an Lightning Talks als Alternativ-Angebot zu einem Workshop.

2.4 Zusätzlicher Peer-to-Peer Austausch

Wenn Zuhörende synchron an Lightning Talks teilnehmen, dann kann der Reiz auch darin liegen, dass neben dem Zuhören auch Peer-to-Peer Austausch mit anderen Teilnehmenden möglich ist. Hier gilt es aber vorsichtig zu agieren, weil ja durchaus auch – wie oben beschrieben – eine nur lurkende Teilnahme möglich sein sollte.

Heute wurde das so umgesetzt, dass man die Ankommenszeit mit einem schnellen Chatgewitter überbrückt hat. Danach gab es keine Zwischenfragen, sondern erst einmal alle Lightning Talks am Stück. Verständnisfragen gab es nicht. Diese wären aber sicherlich zugelassen worden. Anschließend war dann noch Zeit eingeplant für Fragen und Austausch.

Die Teilnehmenden-Anzahl war heute sehr überschaubar. Ansonsten hätte man vor die Zeit von Fragen und Austausch im Plenum noch eine kurze Murmelphase in BreakOut-Runden setzen können. Wer nur zum Zuhören gekommen war, hätte sich da dann schon vorab verabschieden können.

2.5 Post-Produktion

Wir haben heute von Anfang an festgelegt, dass die Lightning Talks aufgezeichnet werden sollen. Diese Aufgabe hat OERinfo übernommen. Ich werde die Aufzeichnung hier verlinken, sobald sie veröffentlicht ist. Gerade bei Lightning Talks bietet sich sehr eine Veröffentlichung unter freier Lizenz an, weil es gerade hier sehr lohnend sein kann, zum Beispiel nur einen einzelnen Talk zur Weiternutzung herauszuschneiden.

Ich nehme heute als Learning für mich mit, dass die Frage der Post-Produktion ein relevanter Aspekt für die Auswahl des Videokonferenztools bei einer Online-Veranstaltung sein sollte bzw. dass man sich im Vorfeld darüber Gedanken machen muss, wie man möglichst professionell und weiternutzbar aufzeichnet.

3. Fazit

Alles insgesamt finde ich Lightning Talks ein vielleicht noch ein bisschen unterschätztes Format, zu dem sich weiteres konzeptionelles Nachdenken und Ausprobieren sicherlich lohnt. In diesem Sinne freue ich mich, auch über deine Erfahrungen mit Lightning Talks zu erfahren.

PS. In meinem Lerntagebuch ‚Hinter den Kulissen‘ habe ich zusätzlich zu diesen Reflexionen festgehalten, warum sich das Teilen für mich in diesem Fall auch aus sehr eigennützigen Gründen gelohnt hat.


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