Dokumentation meiner Workshops beim Hamburger Kulturgipfel ‚Zukunft‘

Ich habe gestern zwei Workshops beim Hamburger Kulturgipfel gestaltet. Er stand dieses Jahr unter dem Motto ‚Zukunft‘. Das spiegelte sich auch in meinen Workshopthemen wider: Im ersten Workshop ging es um Bildung der Zukunft. Im zweiten Workshop um Methoden zur Zusammenarbeit zur Gestaltung der Zukunft. Teilgenommen haben je 35 Menschen aus dem Hamburger Bildungs- und Kulturbereich. Den Teilnehmenden habe ich eine Dokumentation ihrer erarbeiteten Ergebnisse und eine Weitergabe der verwendeten Methoden und Materialien in meinem Blog versprochen. Das möchte ich hiermit einlösen. Vielleicht können auch Menschen, die nicht mit dabei waren, davon profitieren.

Workshop zur Zukunft der Bildung

Ziel des ersten Workshops war es, einen Raum zu schaffen, um sich über Leitbilder guter Bildung auszutauschen und gemeinsam Ideen für mögliche erste Schritte zu erarbeiten. Wir starteten hierzu mit einer Hashtag-Vorstellungsrunde, d.h. jede Person stellte sich mit Namen,falls gewünscht der Organisation/ Institution und drei Begriffen vor, die charakteristisch für sie sind. Ich finde solch eine schnelle Vorstellungsrunde vor allem in Gruppen, die sich noch nicht untereinander kennen, sehr hilfreich. So können sich alle schnell einen Überblick verschaffen, wer mit welchem Hintergrund mit dabei ist.
An diese schnelle Vorstellungsrunde schloss sich ein ‚biographisches Erzählen‘ an. Ich hatte Karten mit je einer Frage zu den eigenen Lern- und Bildungserfahrungen vorbereitet. Diese Karten hatten die Teilnehmenden beim Reinkommen auf ihren Plätzen gefunden. Den Austausch darüber gestalteten wir als ‚Gewusel im Raum‘. Jede Person suchte sich eine andere Person, beide stellte sich gegenseitig die Antwort auf die jeweilige Frage vor, tauschten dann Karten – und suchten das nächste Gespräch. Solch ein erfahrungsbasiertes Sprechen hilft sehr gut dabei, sich bewusst zu werden, was gutes Lernen ausmacht und wo man selbst vielleicht ‚blinde Flecken‘ hat. Außerdem muss man über Erfahrungen nicht gleich streiten, denn die Erfahrungen, die eine Person gemacht hat, kann man ihr nicht absprechen.

Hier findest Du zur Weiternutzung meine verwendeten Fragen:


Das biographische Erzählen war die Grundlage für eine Leitbildentwicklung zu guter Bildung mit der Methode 1-2-4-8-alle: Zunächst schrieb jede Person für sich ein Leitbild auf, dann mit einer anderen Person. Die Paare bildeten Vierer-Gruppen – und die Vierer-Gruppen Achter-Gruppen. Die Ergebnisse konnten dann im Plenum geteilt werden. Ich habe – in Absprache mit den Teilnehmenden – das Audio der Vorstellung aufgezeichnet, so dass ich die erarbeiteten Leitbildern nun hier dokumentieren kann:

  • Gute Bildung bedeutet für uns, die Neugierde und das ‚Lernen Möchten‘ zu erhalten, zu nutzen, zu provozieren und weiter zu fördern, um kulturelle und gesellschaftliche Teilhabe für alle zu ermöglichen und Selbstwirksamkeit gemeinsam (und bei Bedarf einsam) zu erfahren.
  • Gute Bildung bedeutet für uns zu lernen, dass wir in einer Gemeinschaft füreinander verantwortlich sind. Und zwar immer.
  • Gute Bildung bedeutet ganzheitliches Lernen, wo Selbstwirksamkeit entstehen kann, wo Partizipation und individuelle Förderung dazu beitragen, einen Teil von der Gesellschaft zu sein.
  • Gute Bildung ist für uns, Horizonte zu erweitern, indem wir sensible, chancengleiche, individuelle, diverse Beweglichkeit im Denken und Handeln schaffen und hürdenfreies, selbstbestimmtes, freiheitsliebendes, authentisches, mit Impulsen und Inspirationen angereichertes ganzheitliches, erlebendes Lernen schaffen.
  • In menschenwürdigen Räumen werden die individuellen Bedürfnisse gesehen, das Interesse an der Welt gestärkt, ein Weltverständnis gefördert und die Liebe zum Wissen wollen gelebt. Lehrende und Lernende fühlen die gemeinsame Verantwortung und den tiefen Wunsch nach einer guten Zukunft für alle.

Anschließend nahmen wir uns Raum, um in einer Art Gruppenpuzzle unterschiedliche Aspekte zu guter Bildung zu vertiefen. Dies waren die Leitfragen:

  • Wie müssen gute Lernorte gestaltet sein?
  • Welche Kompetenzen müssen bei guter Bildung unbedingt entwickelt werden?
  • Welche Rolle kann/ sollte die technologische Entwicklung bei der Gestaltung von Bildung spielen?
  • Was wären dümmstmögliche Schritte in Hinblick auf gute Bildung?
  • Was zeichnet gute Lehrpersonen aus?

Ich habe die Ergebnisse hierzu noch nicht verschriftlicht, aber in den handschriftlichen Mitschriften kannst Du Dir einen Überblick verschaffen:

Darauf aufbauend nutzen wir ein kurzes Gegenstände-Brainstorming, um das Denken zur Entwicklung von Ideen zu öffnen. Daran schloss sich an, dass alle eine Idee, die sie für gute Bildung wichtig fanden notierten. Die Zettel mit den Ideen wurden dann in der Gruppe herumgereicht und bewertet. So konnten wir die 10 Ideen mit dem wahrscheinlich größten Zuspruch ermitteln.

Diese Vorlage haben wir dazu genutzt (freigegeben unter CC0 1.0; in der Mitte falten!):

Und diese Ideen sind entstanden: (Ich gebe sie hier ohne bestimmte Reihenfolge wieder, manches wird ohne Kontext des Workshops evtl.. nicht verständlich sein)

  • Ausbildung von Lehrer*innen modernisieren.
  • Den FreiDay (Margret Rasfeld) einführen.
  • Außerschulische Personen mit den Schulungen stärker verbinden, sowohl in Hinblick auf Kooperationen als auch für weiterdenkende Projekte, die vielleicht auch mehr von den Lernenden angestoßen werden.
  • Die gute Zukunft visualisieren, in Geschichten erzählen und wiederfinden, miteinander forschen, wie das gelingt. Ein Zukunftsprojekt in Deutsch/ Geschichte/ Theater oder als Fachtag.
  • Bildung auch außerhalb des schulischen Kontextes denken durch verschiedene Projekte/ Formate (Übergang Schule + Beruf, Zugang zu Kunst + Kultur, Erlernen unterschiedlicher Kompetenzen, Umweltbildung …)
  • Seminare im Kollegium mit Nele Hirsch an einem außerschulischen Lernort.
  • Ausstellung auf einem Seminar durchführen, verschiedene Materialien mitnehmen zum Thema des Projekts -> ganzheitlich lernen und verschiedene Sinne ansprechen.
  • Gestaltung des Lernortes mit Kindern und Jugendlichen ausprobieren und durch testen über einen längeren Zeitraum
  • Differenziertes Lernangebot auf Bildungsseminaren (Parallelangebote zur individuellen Auswahl) Schulnoten abschaffen Förderung von Austauschplätzen / -orten für Lernbeteiligte (Schulen, Kinder, Eltern, Kunstschaffende …)
  • Diversität / Mehrsprachigkeit wertschätzen und in den Schulalltag integrieren.
  • Mehr Humortraining für Lehrer*innen
  • Zeit und Schule neu denken: Wie kann der Zeitdruck aus dem Schulsystem genommen werden?
  • Kontakt mit den Kulturagenten aufnehmen/ Projekt-Pool erstellen, unterrichtsbegleitend/ als Projekt
  • Der Boden ist Lava!
  • Alle Pädagog*innen sollten kreative Methoden (aus dem Theater- / Spielbereich) kennen und einsetzen, um den Unterricht erlebbar zu machen.
  • Kinderumfrage: Was brauchst Du um dein Leben lang gut zu lernen?
  • Lehrer*innen könnten sich selbst als Assistent*innen der Schüler*innen sehen und sich selbst weniger ernst nehmen.
  • freies, flexibles Denken braucht ‚Freiräume‘ -> Umgestaltung des Lernraums
  • Plattform zur Vernetzung zwischen Schule und Künstler*innen
  • Wünsche der Schüler*innen für das Lernen aufgreifen und umsetzen
  • Ausbildungsvergütung für angehende Erzieher*innen
  • Weg von Funktionalismus und hin zum alltagstauglichen und ansprechenden Lern- und Wohlfühlraum für alle Beteiligten
  • Kern-Arbeitszeit: 30 Stunden Woche für Lehrer*innen und Schüler*innen mit anschließendem Nachmittagsangebot
  • Künstlerischer Workshop rund um Gefühle
  • Kinder als Coaches in der Grundschule

Den Abschluss bildete ein schnelles Blitzlicht.

Workshop zu Methoden der Zusammenarbeit

Ziel des zweiten Workshops war es, einen Raum für Austausch über Zusammenarbeit zu schaffen – und dabei zugleich Methoden für Zusammenarbeit kennenzulernen.

Wir starteten den Workshop – nach einer Hashtag-Vorstellungsrunde – mit einigen Runden Zuhörer*in/ Redner*in. Jede Person erhielt eine Karte mit entweder Zuhörer*in oder Redner*in. Alle bewegten sich durch den Raum. Die Redner*innen hielten ihre Karten hoch, die Zuhörer*innen gruppierten sich um die Redner*innen. Dann hatten die Redner*innen genau eine Minute Zeit, um ihren Bezug und ihr Interesse an Zusammenarbeit zu erläutern. Dann wurden Karten getauscht und neue Gruppierungen gebildet. Ich mag diese Methode sehr gerne, weil alle schnell eine Orientierung bekommen, welche Aspekte in einer Gruppe vertreten sind und weil das Zuhören (= ich kann etwas Gesagtes erst einmal annehmen ohne direkt darauf erwidern zu müssen) geübt wird.

Anschließend haben wir uns Zeit für ein stilles Schreiben genommen. Das ist sinnvoll, weil sich dann alle auf folgende Diskussionen vorbereiten können – und nicht die lauten Menschen, die meist auch die schnellen Menschen sind, die Debatten dominieren. Folgende Fragen gab es zur individuellen, schriftlichen Beantwortung in Stichpunkten:

  1. Was ist eine Idee von mir für bessere Zusammenarbeit?
  2. Was hindert mich in meinem beruflichen Kontext an guter Zusammenarbeit?
  3. Welche drei Aspekte gehören zu guter Zusammenarbeit unbedingt dazu?

Danach folgten drei Methoden, die je eine Frage und die Antworten von dieser Vorbereitung aufgriffen und vertieften.

Die Ideen für bessere Zusammenarbeit stellten wir nacheinander in Kleingruppen vor. Dabei konnten die anderen Personen in der Gruppe einen ‚Farb-Hut‘ mit einer bestimmten Perspektive aufsetzen, z.B. sehr kritisch-hinterfragend, sehr optimistisch, sehr emotional, sehr strukturierend … Die Methode stammt von de Bono. Die Zettel mit den unterschiedlichen ‚Farb-Hüten‘ gibt es hier zum Download (Lizenz CC0 1.0).

Das Ziel der Übung war es, zu einer umfassenden und konstruktiven und nicht von persönlichen Befindlichkeiten überlagerten Ideenbewertung zu kommen.

Für die Bearbeitung der zweiten Frage – Hindernisgründe für gute Zusammenarbeit – nutzten wir eine Troika-Beratung (aus dem Kontext der Liberating Structures).

Diese erfolgte in Dreier-Gruppen und mit diesen Schritten:

  1. Eine Person aus der Dreiergruppe stellte den anderen beiden ihre Hindernisse für gute Zusammenarbeit vor und drehte sich dann mit dem Rücken zu den beiden anderen Personen.
  2. Die anderen beiden Personen der Gruppe beratschlagten gemeinsam, was man angesichts dieser Hindernisse vielleicht machen könnte.
  3. Die erste Person hörte bei der Beratschlagung passiv zu und gab erst ganz am Ende ein kurzes Feedback, was sie für sich mitnimmt.

Anschließend wurden die Rollen getauscht. Die nächste Person stellte ihre Hindernisgründe vor und die anderen beiden beratschlagten entsprechend. Ebenso war dann auch noch die dritte Person an der Reihe.

Das Ziel war es, eine sehr strukturierte Methode für Beratung im Kontext von Zusammenarbeit kennenzulernen.

Schließlich ging es noch um die dritte Frage. Hier waren die Teilnehmenden herausgefordert, zunächst paarweise und dann in Vierer-Gruppen basierend auf den notierten Aspekten zu guter Zusammenarbeit eine Definition dazu zu entwickeln.

Hier sind die Ergebnisse:

  • Gute Zusammenarbeit bedeutet aktive Beteiligung und Akzeptanz durch Empathie bei Wahrung persönlicher Grenzen auf dem Weg zu einer gemeinsamen Lösung.
  • Gute Zusammenarbeit erfordert vier Punkte: 1. alle gleichwertig und wertschätzend mit einbeziehen, wenn man den Rahmen der Zusammenarbeit definiert. 2. eine gute Kommunikation 3. gemeinsam getragene KümmerInnenschaft innerhalb der Zusammenarbeit und eine verlässliche Struktur, die alle gemeinsam tragen und 4. Flexibilität, also dass man im Laufe der Zusammenarbeit noch gewisse Sachen nachsteuern kann.
  • Gute Zusammenarbeitet bedeutet, sich Zeit nehmen und Zeit nehmen können und das in Strukturen verankern für Expertisen, Austausch von allen, Respekt und Wertschätzung und auch Freude, Spaß und informellen Austausch.
  • Gute Zusammenarbeit ist Begeisterung für ein gemeinsames Anliegen, respektvolles, empathisches Miteinander innerhalb eines gemeinsamen abgestimmten Rahmens.

Mit dieser Methode hatten wir nicht nur schöne Definitionen von guter Zusammenarbeit entwickelt, sondern zugleich auch erlebt, wie man in kleinen Schritten und umfassender Beteiligung zu gemeinsamen Definitionen oder Leitbildern kommen kann.

Auch hier bildete eine Blitzlichtrunde den Abschluss.

Fazit

Den Rückmeldungen in den Blitzlichtern nach zu urteilen, waren die Teilnehmenden sehr zufrieden. Mir hat die Konzeption und Durchführung auch viel Freude gemacht. Es ist wunderbar, wenn sehr motivierte und begeisterte Menschen, die etwas voranbringen wollen, zusammenkommen und ihre unterschiedlichen Perspektiven sich gegenseitig sehr bereichern. Es ist dann herausfordernd und beglückend zugleich, dazu einen geeigneten Raum zum Austausch und zum gemeinsamen Lernen zu gestalten und das zu begleiten. In diesem Sinne: Herzlichen Dank für die Einladung und die Beteiligung!

Bild: Workshopraum Kampnagel Hamburg – endlich mal genug Platz :-)


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