Die ‚Un-Podiumsdiskussion‘ als offene Veranstaltungsmethode

Podiumsdiskussionen habe ich schon viele erlebt – sowohl aus der Perspektive einer Zuhörerin als auch aus der Perspektive einer Mitdiskutantin. Der Aufbau dieser Podiumsdiskussionen war dabei meist recht ähnlich: Ungefähr vier Menschen werden eingeladen, die im besten Fall unterschiedliche bzw. kontroverse Positionen vertreten. Eine moderierende Person stellt Fragen. Nach einigen Runden auf dem Podium wird die Runde für das Publikum geöffnet. Es können Fragen an das Podium gestellt bzw. Ergänzungen gemacht werden.

Das eher offene Gegenprogramm zu dieser Art der Podiumsdiskussion ist das Fishbowl-Format: Hier gibt es einen Innenkreis, in dem diskutiert wird. Und einen Außenkreis, in dem die Diskussion verfolgt wird. Im Innenkreis gibt es aber mindestens einen freien Stuhl. Wer etwas zur Diskussion beitragen will, geht in den Innenkreis auf diesen freien Stuhl und diskutiert mit.

Ein interessantes ‚Zwischenformat‘ zwischen Podiumsdiskussion und Fishbowl habe ich am Vorabend des Startcamp in Hamburg kennen gelernt. Die Hamburg Open Online University (HOOU) an der HAW lud hier zu einem ‘UnPodcast’ im Rahmen ihrer Reihe AfterwOERk ein.

Was ist ein Unpodcast?

Barcamps, bei denen alle anwesenden Personen Teilgebende sind, weil sie das Programm gestalten und durchführen, werden häufig auch als ‚Unkonferenzen‘ bezeichnet. Damit soll zum Ausdruck gebracht werden, dass das klassische Setting einer Konferenz – Referent/innen auf der einen Seite, Teilnehmer/innen auf der anderen Seite – grundlegend umgestaltet wird. Daran angelehnt ist dann der Begriff Unpodcast: Es gibt keine festgelegten Gesprächspartner/innen, die zu einem besprochenen Thema interviewt werden. Stattdessen kann jede anwesende Person sich zu einem selbst gewählten Thema melden und dazu eine bestimmte Zeit interviewt werden.

Wie lief der Unpodcast praktisch ab?

Während in der Ankündigung des Unpodcasts noch vorgeschlagen wurde, dass – wie in der Sessionplanung eines Barcamps – Themen zunächst vorgeschlagen und dann von allen anwesenden Personen ausgewählt werden, wurde der Auswahlprozess real abgekürzt: Jede Person, die wollte, kam zu Wort. Es musste nur aufgezeigt werden. Nach einer kurzen Vorstellung und der Nennung des gewählten Themas, folgte dann das Gespräch. Nach 7 Minuten wurde abgeklingelt und die nächste Person war an der Reihe.

Meiner Einschätzung nach, hat das Experiment Unpodcast wunderbar geklappt: Es gab sehr vielseitige und spannende Beiträge – u.a. zu Social Media in Kultureinrichtungen, zu Wissenschaftspodcasts, zu Graphic Recording, zu Open Access versus OER, zu Kommunikation mit statt über Jugendliche und einiges mehr. Die Moderation und Fragen für die Gespräche hat Christian Friedrich souverän gestaltet.

Vom Unpodcast zur Unpodiumsdiskussion

Da mir das Format gut gefallen hat, kann ich empfehlen, es auch in anderen Kontexten auszuprobieren. Dazu braucht es nicht unbedingt eine Podcast-Aufzeichnung. Ich kann es mir auch sehr gut als Alternative zu einer klassischen Podiumsdiskussion vorstellen. Auf Basis der heutigen Erfahrung lassen sich dafür die folgenden Gelingensfaktoren definieren:

  • Es braucht eine gute Moderation, die auch zu ihr unbekannteren Themen, die richtigen Fragen stellen kann sowie auch darüber hinaus die Gesprächssituation immer wieder auflockern kann.
  • Es kann hilfreich sein, vorab über das Vorhaben zu informieren, so dass sich Besucher/innen darauf einstellen können. Falls es erst vor Ort angekündigt wird, sollte ausreichend Zeit eingeplant werden, damit sich die anwesenden Personen Themen überlegen können.
  • Die Zeit pro Gespräch sollte konsequent eingehalten werden. Ich fand die 7 Minuten bei uns eher etwas zu lang. Gerade bei größeren Gruppen sind 5 Minuten pro Beitrag sicherlich auch ausreichend.

Die Vorteile des Formats liegen dann klar auf der Hand:

  • Die Teilnehmenden können genau die Themen einbringen, die sie wichtig finden/ über die sie sprechen wollen.
  • Es kommen mehr Menschen zu Wort, als wenn man ein statisch besetztes Podium hat.
  • Die Gespräche können intensiver und tiefergehender sein, da man sich für die 5 Minuten ganz auf eine Person/ ein Thema einstellen kann.

Für wann ist eine Unpodiumsdiskussion geeignet?

Ebenso wie eine klassische Podiumsdiskussion oft zu Beginn als Auftakt oder zum Ende als Abschluss einer Veranstaltung durchgeführt wird, könnte dies auch für eine Unpodiumskonferenz gelten. Im ersten Fall können auf diese Weise Erwartungen für die Veranstaltung gesammelt werden. Im zweiten Fall erfolgt ein Fazit basierend auf den individuellen Einschätzungen/ Darstellungen der Teilnehmenden.

In größeren Gruppen könnte ich mir vorstellen, dass eine Auswahl der Themen hilfreich ist. Ganz einfach würde sich dazu z.B. mit Flinga eine digitale Abfrage erstellen lassen: Wer möchte, postet hier einen Themenvorschlag; alle können die eingereichten Themen bewerten; die am besten bewerteten Themen (Anzahl je nach zur Verfügung stehender Zeit) werden aufgerufen.

Slightly off topic: ein OER-Mitgebsel

Abschließend nochmal zurück zum ‚Unpodcast‘ .Erwähnenswert, weil auch gut zum Remix geeignet ist das dort verteilte Mitgebsel. Alle Teilnehmende haben hier Glückskekse erhalten. Die bekannten ‘Weisheiten’ waren mit Openess-Überlegungen remixt und auf der Rückseite ein passendes Angebot zum Weiterlesen/ -hören/ -ansehen verlinkt. Danke dafür – und auch ansonsten für einen gelungenen Startcamp-Auftakt.


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