In meinem Neujahrsexperiment, in dem ich einen Vergleich zwischen Mensch (= mein persönliches Lernnetzwerk) und einer Maschine (= dem Tool ChatGPT) angestellt habe, habe ich folgendes Fazit gezogen:
Weder sollten wir Menschen etwas beibringen, das Maschinen besser können. Noch sollten wir versuchen, Maschinen dahingehend zu trainieren oder sie so zu nutzen, was Menschen besser können.
Daran anschließend stelle ich in diesem Blogbeitrag die Frage: Wie können wir Maschinen nutzen, um zu lernen und uns selbst weiterzuentwickeln?
Gutes Lernen in einer vernetzten Gesellschaft ist aus meiner Sicht nicht oder nur zu einem geringen Teil Faktenlernen. Stattdessen sollten Lernende Kompetenzen entwickeln können, mit denen sie für sich und andere ein gutes Leben gestalten können. Dazu gehört vor allem, dass sie befähigt werden, eigene Anliegen zu entwickeln und verfolgen. (Das ist für mich übrigens auch der zentrale Punkt, in dem sich ein Mensch von einer Maschine unterscheidet: Als Mensch ist es mir nicht egal, was passiert. Ich habe zu Begebenheiten und Situationen eine Meinung oder verfolge ein persönliches oder altruistisches Interesse darin. Ein Anliegen zu haben bedeutet auch, zu etwas, das man wahrnimmt, Emotionen zu entwickeln: Ich kann zum Beispiel staunen oder wütend/ ärgerlich / begeistert sein.)
Was bedeutet das nun aber für die Nutzung eines Tools wie ChatGPT z.B. in der Schule?
Ich habe mir drei konkrete Übungen als Beispiele überlegt, bei denen ein Tool wie ChatGPT in diesem Sinne beim Lernen helfen kann. Die Übungen sind nicht so gestaltet, dass Lernende von ChatGPT Unterstützung bei Faktenfragen suchen. (Das dürfte auch schwierig sein, wenn ChatGPT – wie sich immer mehr herausstellt – in weiten Teilen nur ein ’sprachgewaltiges Plappermaul‘ ist, wie z.B. Eva Wolfangel analysiert). Erst recht versuchen die Übungen nicht, das Tool ChatGPT möglichst menschenähnlich zu machen. Stattdessen sind sie so gestaltet, dass das Tool mir Arbeit abnimmt und Zeit spart, die ich dazu nutzen kann, um z.B. meine eigene Meinung zu einem Thema klarer zu entwickeln.
Hier sind die Übungen:
- Lasse Dir eine Liste mit Argumenten für oder gegen eine bestimmte Sache liefern und wähle das Argument aus, das Du am wichtigsten findest bzw. stelle fest, dass Du alle für wenig relevant hältst. Begründe Deine Auswahl. (Du kannst auch das Tool auswählen und begründen lassen, welches Argument das wichtigste ist – und dann überlegen, ob Du auch so ausgewählt hättest bzw. warum Du die Begründung schlüssig/ nicht schlüssig findest)
- Lasse ChatGPT eine Erörterung zu einem Thema schreiben und lege fest, dass im Fazit Deine Meinung zu dem Thema stehen soll. Findest Du das Ergebnis überzeugend? Was würdest Du anders schreiben?
- Lasse Dir von ChatGPT eine Liste mit Argumenten für oder gegen ein gewähltes Thema liefern. Versetze Dich in die Position unterschiedlicher Personen (ein Jugendlicher mit Migrationshintergrund, eine ältere Frau, einen Analphabeten …) und überlegt, ob diese Argumente aus der Perspektive dieser Personen schlüssig sind oder nicht. (Du kannst ausprobieren, ob ChatGPT Dir bei dieser Aufgabe helfen kann. Erfahrungsgemäß ist das Tool in spezifischer Perspektivenübernahme aber ziemlich schlecht.)
Mit Übungen in solcher Form liefert mir ChatGPT keine Antworten, sondern Material, mit dem ich mich gemeinsam mit anderen auseinandersetzen und so lernen kann.
Wer ChatGPT auf solche Art und Weise nutzt, tut gut daran, das Tool auch passend dazu zu verwenden. Hilfreich kann insbesondere sein:
- Schreibe kurze und möglichst konkrete Programm-Anweisungen bzw. Suchanfragen. Du chattest nicht mit einem Menschen, sondern mit einer Software. Es ist auch nicht nötig, bitte und danke zu sagen ;-)
- Nutze die Anweisung ‚Lösche Kontext und Intro‘ als Ergänzung zu Deiner Programm-Anweisung, um dafür zu sorgen, dass die Software schneller ‚auf den Punkt kommt‘ anstatt mit Dir zu plaudern. Sie ist darauf trainiert, mit Menschen zu chatten und führt deshalb ohne diese Anweisung zunächst in das Thema ein und wiederholt sinngemäß die von Dir gegebene Anweisung. Das kann hilfreich sein, um zu erkennen, ob das Tool Deine Anweisung so versteht, wie von Dir intendiert. In den meisten Fällen ist es aber einfach nur zeitaufwendig und nach einigen Chat-Durchläufen vielleicht auch nervig.
Vor allem aber gilt: Achte darauf, Menschen mehr Aufmerksamkeit zu schenken, als Maschinen. Es kann technisch spannend sein, einen Text von ChatGPT zu analysieren – im Sinne von: Was kann das Tool schon und wie wurde meine Programm-Anweisung umgesetzt? Was Du aus solch einer Analyse dann aber machst und wie Du ChatGPT-Antworten nutzt, überlegst Du Dir aber am besten im Austausch mit anderen Menschen.
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