Warum gute Dokumentation bei Barcamps so wichtig ist

Auf Initiative von Jöran gab es im Vorfeld des ersten OERcamp 2019 (13./14. Juni 2019 in Lübeck) für Teilnehmende das Angebot ‘Wie wir Barcamps gut dokumentieren – ein Praxis-Workshop’. Ich war an der Konzeption und Umsetzung beteiligt und beschäftige mich seitdem immer mal wieder mit guter Dokumentation in der Bildung und biete dazu Workshops an. In diesem Blogbeitrag möchte ich einige Überlegungen teilen, warum ich gute Barcamp-Dokumentationen wichtig finde.

Was ist Dokumentation?

Die Wikipedia liefert eine sehr brauchbare Definition von Dokumentation:

Unter Dokumentation versteht man die Nutzbarmachung von Informationen zur weiteren Verwendung. Ziel der Dokumentation ist es, schriftlich oder auf andere Weise dauerhaft niedergelegte Informationen (Dokumente) gezielt auffindbar zu machen.

Dokumentation ist in diesem Sinne grundsätzlich bei jeder Art von Veranstaltung hilfreich: Wenn sich mehrere Menschen (egal ob analog oder virtuell) treffen, austauschen, etwas gemeinsam entwickeln – dann ermöglicht es die Dokumentation erstens für sie selbst, ihre Ideen, Ergebnisse und Vereinbarungen festzuhalten – und zweitens auch andere daran teilhaben zu lassen.

Dokumentation kann auch für die Schule und andere Bildungseinrichtungen relevant sein. Und zwar nicht nur auf Ebene von Absprachen im Kollegium, sondern auch auf Ebene des Unterrichts. (Ein kleiner Exkurs dazu: Bei der re:publica 2019 habe ich gelernt, dass dies bereits in den reformpädagogischen Schul-Überlegungen in der Weimarer Republik eine wichtige Rolle gespielt hat. So stand im Schulkonzept der Berliner Karl Marx Schule, die in den 1920er Jahren vom Schulreformer Fritz Karsen gegründet wurde unter anderem, ‘dass täglich ein Schüler ein Protokoll über den Unterrichtsverlauf zu verfassen hatte, so dass man genau wusste, was in der Klasse vor sich gegangen war.’)

Welche Mittel und Möglichkeiten der Dokumentation gibt es?

Karlheinz Pape hat eine gute Übersicht in Form eines Blogbeitrags geschrieben, in dem er unterschiedliche Möglichkeiten der Dokumentation aufführt. Sein Ausgangspunkt ist die These, dass Dokumentation auf individueller Ebene eine Form von Lernen ist. Zum Dokumentieren gibt es dabei vielfältige Möglichkeiten:

  • Ich reflektiere über ein Session-Thema in Form eines Blogbeitrags.
  • Ich twittere, was ich erfahre.
  • Ich greife ein neu kennen gelerntes Thema in einer Podcast-Folge auf.
  • Ich drehe ein kurzes Live-Video vom Geschehen vor Ort.
  • Ich zeichne eine Sketchnote …

Die Herausforderung einer guten Barcamp-Doku besteht mit darin, all diese verstreuten und individuellen Dokumentationen zusammenzubringen, auffindbar und nachnutzbar zu machen. In Hinblick auf das Barcamp insgesamt hilft dazu ein gemeinsamer Hashtag – im Bildungskontext meist auf Twitter.

Auf Ebene der einzelnen Session gibt es außerdem ein zentrales, kollaborativ gestaltetes Angebot zum Dokumentieren: In digitaler Form kann das ein kollaboratives Pad sein. Eine analoge Möglichkeit ist ein vorstrukturierter Flipchart-Bogen, wie er z.B. auf dem Educamp verwendet wird. Ebenfalls verbreitete Möglichkeiten sind eine Dokumentation via Trello, Taskards, Padlet oder andere Tools.

Warum ist die Dokumentation bei Barcamps so wichtig?

Eine gute Dokumentation ist wahrscheinlich bei so gut wie jeder Veranstaltung wichtig, bei Barcamps ist sie aber noch ein bißchen wichtiger. Dafür gibt es mehrere Gründe:

Barcamps haben mehrere Sessions parallel

Das Programm bei Barcamps findet in so genannten Sessions statt. Und bei den meisten Barcamps gibt es mehrere Sessions parallel. Das führt dazu, dass man mit jeder Session die man besucht, andere Sessions verpasst. Anders als z.B. kurzfristige Gruppenarbeiten während traditioneller Konferenzen, die anschließend im Plenum zusammengeführt werden, gibt es bei Barcamps keine ‘Berichte im Plenum’ oder ähnliches. Eine gute Dokumentation sorgt vor diesem Hintergrund dafür, dass alle auch an den Sessions bzw. mindestens an den wichtigsten Aspekten teilhaben können, die sie nicht besuchen können. Mehr noch: Sie können sich sogar von extern beteiligen, indem sie z.B. einen Link teilen oder eine Frage zu dem Thema formulieren und ins Dokumentations-Pad schreiben.

Barcamps verfügen über viele ‘Zwischenräume’

Während das offizielle Barcamp-Programm in Sessions stattfindet, zeichnen sich Barcamp zusätzlich durch viele ‘Zwischenräume’ aus. Das kann ein Gespräch in der Kaffee- oder Mittagspause sein und/ oder auch das bewusste Auslassen eines Session-Slots um sich mit anderen über ein bestimmtes Thema näher auszutauschen bzw. eine stattgefundene Session selbstorganisiert fortzusetzen und zu vertiefen. Gute Barcamps unterstützen diese ‘Zwischenräume’ z.B. durch Angebote, wie eine Button-Maschine oder eine Candy-Bar, an der man ins Gespräch kommen kann, durch eine offene, räumliche Gestaltung, die ‘Ecken und Nischen zum Zurückziehen’ ermöglicht oder durch aussagekräftige Namensschildern, auf denen die Teilgebenden Informationen zu sich (z.B. in Form von Hashtags) eintragen können. Ohne Dokumentation profitieren nur die direkt beteiligten Personen von den Ideen und Erkenntnissen dieser ‘Zwischenräume’. Werden sie von ihnen aber dokumentiert, dann können auch andere daran teilhaben.

Barcamps sind mehr als eine Fortbildung

Barcamps haben in den meisten Fällen nicht nur ein inhaltliches Thema, sondern verfolgen auch ein bißchen einen ‘Weltverbesserungs-Ansatz’. Im Bildungsbereich informieren und lernen Teilgebende auf Barcamps vor diesem Hintergrund nicht nur voneinander und miteinander, sondern überlegen zugleich, wie sie Bildung für alle besser machen können. Persönlich ist das für mich der Aspekt, der mir an Barcamps mit am besten gefällt. Praktisch bedeudet er, dass es bei Barcamps oft auch um den Austausch von Meinungen, auf die Verständigung auf gemeinsame Positionen oder die Entwicklung von Ideen und Projekten zum Weiterverfolgen geht. Eine gute Dokumentation ermöglicht es, andere dabei zum Mitmachen einzuladen, bestimmte Ideen über mehrere Barcamps hinweg weiterzuverfolgen oder auch gemeinsam Erarbeitetes publik zu machen.

Barcamp-Dokumentation ist eine Form von wertschätzendem Feedback

Bei Barcamps sind alle Teilgebende. Insbsondere zeigt sich das daran, dass das Programm nicht vorab feststeht und nicht von dazu eingeladenen Referent/innen gestaltet wird. Stattdessen wird es gemeinsam von all den Menschen entwickelt, die das Barcamp besuchen. Jede Person kann ein Thema vorschlagen. Wenn es Interesse von mindestens einer anderen Person dazu gibt, gibt es eine Session dazu. Das vorgeschlagene Thema muss kein vorbereiteteter Input, sondern kann z.B. auch einfach eine Frage sein, die man mit anderen diskutieren möchte. Auch wer keine Session anbietet, sondern eine Session besucht und dort sein Wissen und Erfahrungen bzw. seine Einschätzungen teilt bzw. eine Frage stellt, agiert als teilgebende Person.

Die Dokumentation von Barcamps hat vor diesem Hintergrund auch die Funktion von wertschätzendem Feedback für die Teilgebenden. Denn indem etwas dokumentiert wird, wird es auch über den Kreis der Menschen in der jeweiligen Session verbreitet. Oft bekommt man als teilgebende Person auch von externen Menschen Feedback dazu, die eigene Arbeit wird bekannter gemacht, Aktivitäten und Angebote bekommen größeren Zulauf oder man findet neue Follower bei Twitter. Gerade im Bildungsbereich, in dem viele Menschen sehr viel ehrenamtliches Engagement investieren, ist diese Komponente eines wertschätzenden Feedbacks (= kein Lob wie z.B. ‘Das hast Du gut gemacht’, sondern ‘Danke. Das hilft mir!’) aus meiner Sicht wichtig.

Barcamps können eine Form von ‘Learning Out Loud’ sein

Mehr als bei den wahrscheinlich meisten anderen Bildungs-Veranstaltungen ermöglichen Barcamps ein für die jeweilige Person genau ‘passendes’ Lernen. Denn jede Person kann erstens die Themen/ Fragen als Sessions vorschlagen, die für sie wichtig sind. Zweitens kann sie sich auch danach im Session-Plan genau die für sie relevanten Sessions aussuchen. Und wenn die zunächst gewählte Session für einen doch nicht passt, kann man sie auch einfach wieder verlassen. Möglich sind diese individualisierten Lernprozesse durch die oben erwähnte Konzeption eines Barcamps als Zusammenkunft von ‘Teilgebenden’.

In Bezug auf die Dokumentation können Barcamps vor diesem Hintergrund eine Variante eines ‘Working out Loud’ sein. Bei diesem Konzept (bekannt vorrangig aus der beruflichen Weiterbildung), werden Arbeitsprozesse, indem sie ausgesprochen/ dokumentiert werden, sichtbar/ transparent gemacht, um sie für andere nachvollziehbar und ebenfalls anwendbar zu machen.

Im Rahmen einer guten Barcamp-Dokumentation werden deshalb nicht nur explizit geteilte Erfahrungen und Wissen aufgenommen. Darüber hinaus können auch individuelle Lernprozesse im Sinne eines ‘Learning Out Loud’ in der Dokumentation geteilt werden. Diese können dann wiederum Zugänge für andere Teilgebende und/ oder von außerhalb beobachtende Personen bieten.

Statt eines Fazits – eine Einladung!

Ich bin sehr interessiert an Deinen Überlegungen, persönlichen Erfahrungen oder Ideen zum Dokumentieren bei Barcamps. Du erreichst mich via Twitter oder Mail. Und vielleicht sehen wir uns ja bald auch einmal bei einem Workshop über gutes Dokumentieren.


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