Das Ende des Schuljahres (bzw. allgemein und bildungsbereichsübergreifend der Abschluss einer Lerneinheit) ist eine entscheidende Zeit im Rahmen eines Lernprozesses. Wichtig sind hier Aktivitäten für Feedback, Rückblick und Ausblick. Außerdem ist häufig Raum für das Experimentieren und Ausprobieren von Neuem. Digitale Unterstützung kann in dieser Phase aus meiner Sicht sehr gewinnbringend eingesetzt werden. In diesem Blogbeitrag stelle ich einige mögliche Aktivitäten vor. Vielleicht kann diese Ideen-Sammlung für manche zugleich auch allgemein ein Einstieg sein in kollaborative und kreative Formate und Methoden einer digital-unterstützten Bildung.
1. Gelerntes weitergeben: Lernen durch Lehren
Der Abschluss einer Lerneinheit ist der wahrscheinlich beste Zeitpunkt für die Methode ‘Lernen durch Lehren’: Lernende können dabei Gelerntes wiederholen und festigen, indem sie erworbene Kompetenzen und Wissen für andere Lernende aufbereiten und teilen. Sie übernehmen damit nicht nur Verantwortung für ihren eigenen Lernprozess, sondern unterstützen auch andere Lernende bei ihrem Lernen.
Mit digitaler Unterstützung können Lernende vor diesem Hintergrund Bildungsmaterialien zu dem von ihnen Gelernten für andere Lernende erstellen. Optimal geeignet ist dazu die Open Source Software H5P. Mit dieser lassen sich z.B. interaktive Quizze oder Präsentationen gestalten. Auf der Website EinstiegH5P können Lernende die Software ohne die Notwendigkeit einer Registrierung und mit einer deutschsprachigen Benutzeroberfläche verwenden. (Um Inhalte längerfristig zu speichern kann sich die lehrende Person einen kostenfreien Account einrichten und die erstellten Inhalte der Lehrenden dorthin übertragen. Alternativ können die erstellten Inhalte auch lokal auf dem eigenen Gerät gespeichert werden.)
Die Methode ‘Lernen durch Lehren’ eignet sich auch gut für kollaborative Projekte. Gemeinsam kann eine Lerngruppe z.B. eine Liste von hilfreichen Punkten/ Tipps sammeln, die sie selbst gerne schon zu Beginn des Schuljahres gewusst/ gekonnt hätten. Diese kann dann an die folgende Klasse/ Lerngruppe weiter gegeben werden. Zum kollaborativen Sammeln und Schreiben eignen sich Etherpads (nutzbar z.B. über das ZumPad oder UnserPad) oder der kollaborative Editor HackMD. Eine Registrierung ist für keines dieser Tools erforderlich.
2. Rückblick, Feedback und Reflexion
Der Abschluss eines Schuljahres bzw. einer Lerneinheit ist natürlich wie gemacht für einen Rückblick bzw. eine gemeinsame Reflexion und Feedback. Neben der Übertragung von analogen Methoden in den virtuellen Raum wie eine Feedback-Pinnwand oder eine ‘Klebepunkte-Zielscheibe’ bietet digitale Unterstützung vor allem auch zahlreiche Möglichkeiten zum kreativen Gestalten eines persönlichen Rückblicks. Es folgen einige Tools und Ideen für beide Ansätze:
2.1 Digitale Anreicherung analoger Methoden
- Die Möglichkeit zu einem kollaborativen Rückblick mit Scrum-Sortierung (wie z.B. Start – Stop – Continue oder Mad – Sad – Glad) bietet das Tool Scrumlr.io: Man sucht eine Sortierung aus und erhält ein Online-Board mit URL zum Teilen. Gemeinsam können dann Karten in den unterschiedlichen Bereichen gesammelt, bewertet und diskutiert werden.
- Ohne vorgegebene Sortierung der Karten lässt sich auch mit Oncoo eine ähnliche digitale Pinnwand erstellen. Gut geeignet für einen Rückblick mit Feedback ist bei ONCOO außerdem das Angebot einer digitalen Zielscheibe. Hier können Feedback-Raster individuell eingegeben werden.
- Wer die Möglichkeit zu einem anonymen Feedback geben will, kann das Tool bittefeedback nutzen. Hier können eigene Fragen eingegeben und dann der Link fürs Feedback geben geteilt werden. Nutzende können selbst entscheiden, ob sie die Ergebnisse nur für sich behalten oder öffentlich machen wollen. BitteFeedback kann natürlich auch von Lernenden selbst für Peer-to-Peer Feedback genutzt werden (In diesem Sinne kann es zudem als guter Gesprächsanlass dienen, was anonymes Feedback darf und was nicht).
2.2 Rückblick mit kreativem Gestalten
- Lernene können sich via FutureMe oder (werbefrei) Mailnudge eine Mail an ihr zukünftiges Ich schreiben, die sie einige Zeit später dann erhalten. Thema der Mail kann unter anderem sein: Was habe ich gelernt? Was nehme ich mir vor? Was möchte ich auf keinen Fall vergessen?
- Lernende können sich ein Schuljahres/ Lernabschluss-Meme oder -Gif erstellen und mit anderen teilen. Ganz simpel geht das mit MeinMeme.de oder via Giphy Create.
- Lernende können einen Rückblick in Form eines Comics oder Textchats auf Glitch erstellen. Hier finden sich diese und weitere Projekte zum kreativen Schreiben. Die Nutzungsweise ist immer identisch: Das gewünschte Projekt wird remixt und dann der Code angepasst. Das entstehende Projekt kann dann per URL geteilt werden. Eine Anmeldung bei Glitch ist dafür nicht erforderlich.
- Lernende können kollaborativ z.B. mit H5P eine gemeinsame Zeitleiste der zurückliegenden Lernphase erstellen. Zur Sammlung der Inhalte für die Zeitleiste bietet sich ein gemeinsames Etherpad an.
- Für ältere Lernende und Twitter-Nutzer kann es eine gute Rückblick-Möglichkeit sein, Tweets zum Lernprozess (z.B. von einer Konferenz/ einem Barcamp) zu kuratieren und zusammen zustellen. Individuell lässt sich das mit der ‘Moments’-Funktion von Twitter erledigen. Kollaborativ lassen sich Tweets z.B. in einem gemeinsamen Pad sammeln und dann zum Abschluss präsentieren. Dazu eignet sich wiederum der kollaborative Editor HackMD, denn unter Menü lässt sich bei diesem Tool wunderbar von einem Pad in einen Präsentationsmodus umschalten. Hilfreich kann zur Präsentation der Tweets außerdem dieses Screenshot Tool sein: Es macht nicht nur einen Screenshot von einem Tweet, sondern gestaltet ein Tweet-Bild zum Download mit guter Qualität und Größe des Textes und der Bilder für eine Präsentation.
3. Planungen und Ideen teilen
Der Abschluss einer Lerneinheit ist auch die Phase im Lernprozess, in der man sich auf eine Auszeit freuen und auch Pläne für Kommendes schmieden kann. Auf Twitter habe ich vor einiger Zeit die Idee einer Lehrerin entdeckt, die an ihre Schülerinnen und Schüler eine Ideensammlung für spannende Aktivitäten in den Ferien am letzten Schultag weitergab, z.B. ‘Gehe ins Freibad’, ‘Übernachte unter freiem Himmel’, ‘Schaue Dir den Sternenhimmel an’ … (Falls jmd noch den Original-Tweet kennt, ergänze ich ihn hier gerne). Solch eine Ideensammlung lässt sich natürlich auch von Lernenden für Lernende gestalten. Mit digitaler Unterstützung könnte das Vorgehen z.B. folgendermaßen aussehen:
- Lernende überlegen sich eine Idee/ einen Tipp, den sie mit Mitlernenden teilen wollen. Auf Wunsch kann das Thema auch eingegrenzt werden (d.h. nicht allgemein: ‘Meine Idee für coole Sommerferien’, sondern z.B. ‘Mein Buchtipp’).
- Lernende erstellen eine Mini-Website zu ihrer Idee/ ihrem Tipp. Genutzt werden kann dazu das Tool telegra.ph. Hier können Text, Bilder, Youtube-Clips zusammen gestellt werden. Ähnlich funktioniert auch das Tool txt.fyi.
- Lernende kopieren sich die URL ihrer erstellten Mini-Website und erstellen daraus einen QR-Code.
- Alle QR-Code werden z.B. in einem Pad gesammelt und mit allen geteilt. Wer mag kann während der Ferien dann die QR Codes scannen und von den Tipps profitieren.
Übrigens: Wer kommentierbare Tipps teilen möchte, kann auch das Tool Nachricht.io nutzen. Um die Kommentarfunktion zu aktivieren, muss ‘Diskussion eröffnen’ ausgewählt werden. Der QR-Code der Mini-Website wird bei diesem Tool automatisch mit erstellt.
4. Digital Sandbox Time
Aus dem Blog von Dan Summerell habe ich die Idee einer ‘Digital Sandbox Time’ entdeckt. Gemeint ist damit, dass Lernende Zeit erhalten, um sich ’einfach so’ mit einer neuen digital-unterstützen Methode oder einem Tool im virtuellen Raum vertraut zu machen – und zum Ende dieser Zeit dann gemeinsam über Erkenntnisse und Erfahrungen reflektiert wird. Begründet wird der Ansatz unter anderem damit, dass Lehrende entlastet werden, technisch alles wissen und können zu müssen, dass auf diese Weise häufig neue Nutzungsmöglichkeiten entdeckt und erfunden werden und dass Unterschiede im Vorwissen ausgeglichen werden, weil Lernende sich beim Erkunden gegenseitig unterstützen.
Die Digital Sandbox Time zum Ende eines Schuljahres bzw. zum Abschluss einer Lerneinheit kann aber zudem auch eine gute Alternative sein zum ‘Wir schauen einen Film’ oder ‘Wir spielen Galgenmännchen’ ;-) Lernende haben die Möglichkeit zum gemeinsamen, spielerischen Erkunden von Technik – und alle (auch Lehrende) lernen in der Regel ziemlich viel dazu. Besonders gut klappt eine Digital Sandbox Time in diesem Sinne aus meiner Sicht mit den folgenden Angeboten und Tools:
- Kreatives malen und zeichnen: Im virtuellen Raum gibt es andere Möglichkeiten zu malen oder zu zeichnen als im analogen Raum. Insbesondere können Funktionen integriert sein, durch die de Bilder mittels integrierter Programmierung mit/ weiter/ um gestaltet werden. Diese Funktionen zu erkunden und damit zu spielen ist sehr zu empfehlen. Eine Anleitung ist nicht nötig; man lernt durch Ausprobieren. Gut geeignet sind unter anderem die Websites RecursiveDrawing, Eschersket.ch oder Vs/ Vs. Für jüngere Schülerinnen und Schüler ist auch der Kritzel Club eine gute Anlaufstelle.
- Animationen erstellen: Animationen sind cool und machen Spaß. Ganz einfache Kritzel-Gifs lassen sich mit MrSquiggles oder BrushNinja erstellen. Mehr Funktionalitäten (z.B. für animierte Grußbotschaften) bietet der Wickeditor.
- Online-Experimente durchführen: Google bietet eine große Sammlung an Online-Experimenten, die meist einfach im Browser durchführbar sind und Technik durch Experimentieren erfahrbar machen. Das gilt z.B. für die Experimente-Reihe zu künstlicher Intellgenz: Hier erkennt u.a. eine KI ein gezeichnetes Bild und vervollständigt es oder ein [Algorithmus lässt einem ein Gedicht-Portrait erstellen. Eine Übersicht über alle Experimente findet man hier.
5. Beteiligung an offenen Projekten: Lernen mit Selbstwirksamkeit und Relevanz
Der Abschluss einer Lerneinheit kann auch eine gute Gelegenheit sein, um etwas über ein bestimmtes Thema/ eine spezifische Lerneinheit Hinausgehendes zu machen. Im Sinne der Entwicklung von digitaler Mündigkeit und Souveränität kann hier die Beteiligung an offenen und kollaborativen Online-Projekten im Interesse der Allgemeinheit eine gute Idee sein.
Verbreitet ist hier insbesondere die Idee der Beteiligung an der Wikipedia. Denkbar wäre es z.B. die Einträge zur eigenen Schulen/ dem eigenen Ort zu aktualisieren bzw. erstmaloig anzulegen oder auch Erweiterungen an Wikipedia-Artikeln zum behandelnden Thenmengebiet vorzunehmen. Darüber hinaus lässt sich nicht nzr an Texten mitarbeiten, sondern auch Bilder oder mehr via Wikimedia Commons teilen. Letzteres ist z.B. auch eine gute Idee für Exkursionen und Schulauflüge: Schülerinnen und Schüler fotografieren Denkmäler/ Sehenswürdigkeiten und mehr – und teilen diese anschließend auf der Plattform. Mit dem Tool WikiShootMe erhält man hierfür eine hilfreiche Kartenanzeige, auf der markiert ist, welche Bilder für Wikipedia-Artikel noch fehlen. Viele weitere Tipps und Hinweise für Lehrkräfte (auch zum Texte schreiben für die Wikipedia) gibt es in dieser Broschüre von Wikimedia Deutschland.
Weitere Möglichkeiten sind die Beteiligung in der Community der iNaturalists. Hier werden weltweit Naturbeobachtungen gesammelt, geteilt und bewertet. Im Projekt MissingMaps kann man sich bei der Erstellung von Karten für potentielle Katastrophengebiete beteiligen, um Unterstützung in Notfällen einfacher zu ermöglichen. Und schließlich wird im Projekt CommonVoice die eigene Stimme ‘gespendet’, um offene Daten für Spracherkennungssoftware aufzubauen. All diesen Projekten ist gemein, dass eine Beteiligung relativ niedrigschwellig mögölich ist und die Projekte zum Teil schon mit nur einer Schulstunde unterstützt und für Lernende zugänglich gemacht werden können.
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