Edumail #79: KI und Zukunftskompetenzen

Diese Edumail hat einen Schwerpunkt auf ‚weiterdenkenden‘ Fragestellungen im Kontext von KI: Was ist eine strategisch kluge Herangehensweise in der Pädagogik, die auch Lernkulturveränderung erreicht? Wie wird KI im globalen Süden reflektiert? Wie ist das genau mit KI und der Gefahr der Verfestigung von Stereotypen? Wie kann man in KI-Workshops nicht nur als Werkzeug, sondern vor allem auch als Lerngegenstand auf das Thema blicken? … 
Da ich die Edumail direkt vor Ostern versende, habe ich mir von ChatGPT vor diesem Hintergrund eine Liste mit möglichen Verbindungen zwischen KI und Ostern generieren lassen und tatsächlich ziemlich viele Aspekte erhalten. Angefangen von automatisierter Eier-Qualitätskontrolle in der Lebensmittelindustrie, über die Unterstützung bei der Suche nach Ostergeschenkideen mithilfe eines KI-Chatbots, der KI-generierten Gestaltung von Ostergrußkarten bis hin zur Osternester-Suche mithilfe von Bilderkennungssoftware oder Echtzeit-Osterspiele mit KI-Unterstützung 🙃 …
Ich finde diese generierten Aspekte inhaltlich sehr passend zu meinen KI-Themen: Denn erstens zeigt sich daran, dass KI kein klar definierter Begriff ist, sondern sich sehr unterschiedliche Sachen dahinter verbergen können und es vor allem nicht nur generative KI gibt. Zweitens sieht man, wie sehr KI schon in viele gesellschaftliche Bereiche selbstverständlich eingedrungen ist und wie wichtig deshalb eine pädagogische Beschäftigung mit der Perspektive digitale Mündigkeit dazu ist. Und drittens wird deutlich, dass man bei allen Herausforderungen mit dem Thema auch viel Freude beim Erkunden haben kann. Das wünsche ich dir auch mit dieser Edumail, in der du neben KI natürlich auch noch andere Themen findest 🙂

Schöne Tage und herzliche Grüße

Nele Hirsch | eBildungslabor
Ein Hase hält ein Schild mit 'Reflexion zu KI' hoch.
#KIBedenken: Einladung zum Nachdenken über KI in der Pädagogik
Gemeinsam mit Joscha Falck habe ich letzte Woche unter dem Hashtag #KIBedenken zu einem gemeinsamen Nachdenken über die pädagogische Gestaltung im Kontext der KI-Debatte eingeladen. Ausschlaggebend waren dafür diese sechs ‚Hader‘-Punkte: Verlieren wir über KI nicht wichtigere Themen aus den Augen Warum steht Technik so oft vor Lernen? Wo bleibt die benötigte Veränderung der Lernkultur? Was ist überhaupt wie pädagogisch wirksam? Hatten wir Toolifizierung nicht überwunden? Wie nachhaltig werden öffentliche Mittel eingesetzt? Das Nachdenken über diese Fragen und weitere pädagogische Aspekte der KI-Debatte kann aus meiner Sicht sehr dabei helfen, zu einer sinnvollen pädagogischen Gestaltung zu kommen. In diesem Sinne meint KIBedenken deshalb auch nicht, dass wir KI verbieten oder als Thema ignorieren möchten. Eher das Gegenteil ist der Fall: Gerade weil wir viel Potential sehen, finden wir es wichtig, gründlich zu reflektieren und gut zu gestalten. (Und ein bisschen ist der Hashtag auch selbstironisch gemeint, sich bewusst als Bedenkenträger*in zu titulieren, wo ‚einfach mal machen‘ ansonsten an so vielen Stellen so sehr en vogue ist …)  Ich freue mich sehr über viele spannende Beiträge, die eingegangen sind. Hier sind drei Beispiele:

Regina Schulz ergänzt weitere Aspekte zum Bedenken – insbesondere eine Verengung auf generative KI oder fehlende Entwicklung von digitaler Mündigkeit. Hier ist ihr Beitrag.

Isabella Buck geht in ihrem Beitrag vor allem auf die Gefahr der Toolifizierung ein und beschreibt einen Umgang damit in ihren Workshops. Hier ist ihr Beitrag.

Alicia Bankhofer plädiert für ganz viel Erkunden, Ausprobieren und Austausch unter Pädagog*innen. Hier ist ihr Beitrag.

Joscha sammelt alle eingehenden Beiträge unter dem Aufruf. Alternativ kannst du im Fediverse oder auf Social Media Plattformen auch nach dem Hashtag #KIBedenken recherchieren. Wenn du mit anderen zu dem Thema in Diskussion kommen willst, dann können dir dabei vielleicht diese offen lizenzierten Kritzel-Bilder mit den Hader-Punkten helfen. Und vielleicht willst du ja auch noch selbst etwas dazu schreiben. Meine Reflexion zu den aufgeworfenen Hader-Punkten habe ich im Blogbeitrag ‚Brauchen wir eine KI-Revolution in der Bildung?‘ aufgeschrieben.
AI to amplify: Globale und diversitätssensible Perspektiven auf KI
Das Goethe-Institut hat im letzten Jahr ein Fellowship unter dem Titel ‚AI to Amplify‘ durchgeführt. Das Ziel war es, gesellschaftlich aktive Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven zusammenzubringen und über gemeinwohlorientierte KI-Entwicklung zu reflektieren. Die in dem Programm entstandenen Materialien sind inzwischen als OER aufbereitet und können offen weitergenutzt werden. Dabei gibt es jeweils auch Best-Of Auszüge aus den längeren Vorträgen, die gut als Micro-Content in Lernangeboten verwendet werden können. Persönlich finde ich bei den Inhalten vor allem die Perspektive auf KI aus dem globalen Süden spannend sowie die Inklusions- und Nachhaltigkeitsperspektiven. Insbesondere gefällt mir das Hinterfragen dazu, inwieweit menschenähnliche KI sinnvoll ist bzw. ob es nicht eher um ‚tech for humans not as humans‚ gehen sollte. Die Materialien werden zurzeit auf dieser Website des Goethe-Instituts eingestellt. Vorab stehen sie vollständig bereits hier zur Verfügung. Nutze und verbreite sie gerne weiter. Ich denke, dass diese Perspektiven die pädagogische KI-Debatte sehr bereichern können.
4 Phasen KI-Workshop: Verstehen, Erkunden, Reflektieren, Gestalten
In KI-Workshops wird viel Raum für das Erkunden von KI-Tools wie ChatGPT benötigt. Das ist herausfordernd, weil es für viele das erstmalige Ausprobieren ist, andere aber schon viel Erfahrung mitbringen. Zweitens fehlt es vor diesem Hintergrund oft an Zeit für die pädagogische Reflexion und Gestaltung. Bei einem Workshop für das deutsch-französische Jugendwerk im Kontext der Sprachanimation konnte ich diese Herausforderungen gut bewältigen, in dem ich viel Raum für Peer-to-Peer Austausch vorsah. Außerdem habe ich Raum zum Erkunden gegeben, diesen aber gleichzeitig bewusst begrenzt, um direkt anschließend auch noch Zeit für Reflexion und Gestaltung zu haben. Wenn Du Ähnliches ausprobieren willst, dann findest du meine Workshop-Konzeption mitsamt der genutzten Materialien in meinem Blog.
Zum Blogbeitrag
Gezieltes Prompting gegen Bias?
Ich habe mit Bias in KI-generierten Bildern experimentiert und für mich spannende Schlussfolgerungen herausgearbeitet. Kurz erklärt habe ich Bildenerierung in der Form versucht, dass eine Person mit einem Diversitätsmerkmal, das zu gesellschaftlicher Diskriminierung führt, in einer aktiven, gestaltenden Rolle gegenüber Personen ohne solche Diversitätsmerkmale gezeigt wird. Beispiel: Eine Schwarze Person erklärt einer weißen Person Mathematik. Oder: Eine Person im Rollstuhl redet auf einer Konferenz. Mein Ausgangspunkt war, dass es ohne ein entsprechendes Prompting in den meisten Fällen so sein wird, dass weiße Männer auf Konferenzen reden oder Mathematik erklären, aber fast nie Frauen, schwarze Menschen oder Menschen im Rollstuhl. Das spannende Ergebnis war allerdings, dass gezieltes Prompting für mehr Diversität hier keine Lösung ist. Die Datenbasis für solche Bilder ist offensichtlich so gering, dass trotzdem in den meisten Fällen keine entsprechenden Bilder generiert werden. Oder die zuhörende/ passive Gruppe wird dann ebenfalls mit dem entsprechenden Diversitätsmerkmal ausgestattet. Eine Schwarze Person redet dann z.B. auf einer Konferenz, wo das ganze Publikum auch aus Schwarzen Personen besteht. Angeregt hat mich zu den Experimenten übrigens Per Axbom, der von einer Studie berichtete (und diese dann selbst zu reproduzieren versuchte), wo es nicht gelang, ein Bild von einem schwarzen Arzt zu generieren, der ein weißes Kind behandelt. Zu diesem Thema hat mindestens das Bildgenerierungs-Tool Midjourney inzwischen unter der Haube nachgearbeitet. Zumindest konnte ich entsprechende Bilder generieren.
Vier KI-generierte Bilder, auf denen ein schwarzer Arzt zu sehen ist, der ein weißes Kind behandelt.
Prompt: Ein Schwarzer Arzt behandelt ein krankes, weißes Kind.
Zu meinem Blogbeitrag
Ein Hase hält das Schild hoch 'Weitere Themen'.
🚿 H5P Praxistipp: Inspirationsduschen als Zufallsanzeige
Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass es bereits seit letztem Jahr den H5P-Inhaltstyp ‚Phrase Randomizer‘ gibt. Er ist noch nicht in der offiziellen H5P-Bibliothek zu finden, aber kann durch das Hochladen eines damit erstellten Inhalts leicht installiert werden. Es handelt sich dabei um einen Zufallsgenerator, der beliebig mit eigenen Inhalten bestückt werden kann. Das eignet sich gut für Impulse beim kreativen Schreiben oder Ideenentwicklung im Design Thinking. Ich finde den Inhaltstyp auch besonders gut geeignet, um ‚Inspirationsduschen‘ zu gestalten. Lernende können dann selbst entscheiden, ob sie sich eine Inspiration per Zufall oder der Reihe nach anzeigen lassen wollen. Genauer habe ich das – inklusive weiternutzbarer Beispiele – in meinem Blog beschrieben.   
Zum Blogbeitrag
Wer H5P übrigens noch gar nicht kennt, findet in meinem Podcast ‚3 Minuten Pädagogik‘ eine schnelle, weiternutzbare Erklärung.
📨 Methodische Praxis: Flipped Lernendenorientierung
Eine grundlegende Lernendenorientierung ist gerade in nur einmalig stattfindenden Workshops herausfordernd. Viele Methoden in diese Richtung sind eher Feigenblatt. Wozu sollen Lernende z.B. am Anfang eines Workshops sagen, was ihre Wünsche an den Workshop sind, wenn das anschließende Programm doch schon sehr weitgehend feststeht? Bei meinem Workshop zu offenen Bildungsmaterialien in der Erwachsenenbildung, der im Rahmen des OERcamp stattfand, habe ich deshalb mit einer Flipped-Lernendenorientierung experimentiert. Dazu haben die Lernenden wenige Tage vor dem Workshop den Link zu einer Mini-Umfrage erhalten. Darin fanden sich diese Fragen: Was ist für dich die wichtigste Frage/ Herausforderung, auf die du beim Workshop Antworten suchst? Welche (maximal drei) Begriffe verbindest du mit OER: Meine Vorkenntnisse zu OER schätze ich selbst … [… eher gering bis nicht vorhanden ein. … ein bisschen vorhanden ein. … schon viel bis sehr viel vorhanden ein.] Die letzte Frage war vor allem für mich zur Orientierung gedacht. Die ersten beiden Fragen waren reale Grundlage zur Workshop-Vorbereitung. Die Begriffe habe ich auf Karten geschrieben und an eine Pinnwand gehangen. Beim Reinkommen nahm sich jede Person eine Karte mit – und wir gestalteten dazu ein Kennenlern-Speeddating, in dem jede Person erläuterte, warum sie sich für die jeweilige Karte entschieden hatten. Die Fragen kamen zum Abschluss des Workshops zum Einsatz. Wir gestalteten eine Art Mini-World Cafe. Ausführlich habe ich das Konzept des Workshops in meinem Blog beschrieben.
Zum Blogbeitrag
⭕ Raumaufstellung in Kreisen
Ich mag in Workshops vor Ort sehr gerne die Möglichkeit von Raumaufstellungen. In der klassischen Variante sieht das so aus, dass an einer Seite des Raums z.B. ’stimme sehr zu‘ ist und an der anderen Seite ’stimme gar nicht zu‘. Wenn ich dann eine Aussage vorlese, können sich Teilnehmende je nach ihrer eigenen Meinung im Raum entsprechend positionieren. Neu experimentiert habe ich nun mit kreisförmigen Raumaufstellungen. Dabei wird ein Zentrum in der Mitte definiert und die Teilnehmenden nähern oder entfernen sich von diesem Zentrum. Das hat den großen Vorteil, dass Menschen mit unterschiedlichen Auffassungen nicht an entgegengesetzten Enden des Raumes stehen, sondern insgesamt dichter zusammen. Zweitens passt es oft auch inhaltlich gut, weil man die Symbolik von Jahresringen von Bäumen verwenden kann. Hier sind drei Beispiele: Wir stellen uns vor, dass auf dem Boden unseres Raumes eine riesige Baumscheibe mit Jahresringen liegt. Die Ringe in der Mitte sind schon viele Jahre alt; die Ringe außen ganz neu. Die Frage lautet: Wie lange beschäftigst du dich schon mit dem Thema xy? Positioniere dich auf einem Jahresring entweder nah in der Mitte oder weiter außen. (Man kann dann von außen nach innen Menschen erzählen lassen, was sie zu dem Thema gebracht hat – und hat dann eine schnelle kollaborativ erzählte Geschichte zu dem Thema) Hier in der Mitte des Raumes liegt unser entwickelter Prototyp. Wenn du damit schon sehr zufrieden bist, dann stelle dich in die Nähe. Wenn du noch unzufrieden bist, dann stelle dich weiter weg. (Auch hier können wieder Stimmen eingeholt werden, um mit diesem Feedback dann anschließend weiter arbeiten zu können. Auch die alleinige Aufstellung zeigt aber schon ein recht gutes Bild, ob und wenn ja wieviel Bearbeitungsbedarf noch besteht) Hier in der Mitte ist ein Platz zum Feedback-Sammeln. Wer Feedback sucht, kann sich hierhin stellen, eine Idee vorstellen und alle anderen kommen dann nah zu der Person, wenn sie bei der Idee sofort dabei wären oder bewegen sich weiter weg, wenn sie die Idee weniger sinnvoll finden. Falls du diesen methodischen Ansatz auch ausprobieren willst, wünsche ich dir damit viel Freude.   
👂 Podcast: Eine Tasse Zukunft
Ich war im Podcast ‚Eine Tasse Zukunft‘ des Campus Neue Lernkultur zu Gast, der sich passenderweise mit ‚NELE‘ abkürzt. Im Gespräch haben wir aber nicht nur Übereinstimmung beim Namen gefunden, sondern auch bei vielen Einschätzungen zu guter Bildung. Etwa zu offenem Lernen, einer kritisch-konstruktiven Herangehen zu KI oder zum Abbau sozialer Ungleichheit im Bildungssystem. Hier kannst du die Folge auf Spotify anhören!
Weil der Aufhänger für den Podcast die ‚Future Skills‘ sind habe ich passend dazu eine Audio-Definition in knapp 3 Minuten versucht: Was sind Future Skills? Hier anhören!
🗓️ Zum Anmelden und Vorfreuen: Edunautika in Hamburg
Im April freue ich mich ganz besonders auf die Edunautika. Ein Barcamp in Hamburg vom 19.-21.04. für gute Pädagogik im digitalen Wandel. Ich mag die Edunautika so gerne, weil aufgeschlossene Reformpädagog*innen und weiterdenkende Digitalisierungsmenschen dort in einen immer wieder sehr bereichernden Austausch kommen. Die Teilnahme ist kostenfrei. Es gibt aber eine Spendenempfehlung von ca. 40 Euro, um die Kosten durch alle solidarisch zu tragen. Hier gibt es weitere Infos! Den Freitagnachmittag darf ich dieses Jahr ein bisschen mit konzipieren – es wird ein Edunautika-Riesenspiel geben, das gemeinsames Lernen, Austausch und Entwicklung kombiniert mit Spielerei verspricht 🙂
👋 Tschüss bis zur nächsten Edumail!
Die nächste Edumail wird schon die Ausgabe Nummer 80! 🎉 Vielen Dank für immer viel Wertschätzung, konstruktive Kritik und weiterführende Ideen 🙂  Herzliche Grüße Nele PS. Zum Abschluss noch ein Mini-Tool-Tipp für eine wie ich finde sehr niedliche Anwendung:
Auf dieser Website kannst du virtuelle Blumensträuße mit Emoji-Blumen stecken. Nach dem Speichern wird der gesteckte Blumenstrauß als Bild exportiert. Perfekt, um anderen damit eine Frühlings-Freude zu machen 💐
Ein kunterbunter, virtueller Blumenstrauß
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