Workshop-Konzept zum Weiternutzen: Komm, wir lernen mit offenen Tools!

Relativ häufig werde ich angefragt zu Workshops, die das Erlernen von Tools für Lehr- und Lernzwecke zum Ziel haben. Manchmal geht es dabei um eine konkrete Software (z.B. Wie funktioniert H5P?), viel häufiger lautet die Anfrage aber: ‘Wir wollen ein paar Bildungs-Tools kennen lernen’. Mein entwickeltes Workshopkonzept zu dieser Anfrage (gerne zum Weiternutzen und Remixen) stelle ich in diesem Blogbeitrag vor. Es eignet sich grundsätzlich für Lehrende in allen Bildungsbereiche. Die Aufgaben/ Beispiele können entsprechend angepasst werden.

Notwendige Infrastruktur vor Ort ist eine funktionierende Interneterbindung – und eigene Geräte für die Teilnehmenden (möglichst ein Laptop oder Tablet). Um alle unten aufgeführten Bausteine durchzuführen benötigt man ca. 3 Stunden Zeit.

Das ‘Toolvermittlungs-Workshop-Dilemma’

Die Schwierigkeit bei Workshop-Anfragen zur ‘Tool-Vermittlung’ liegt für mich in dem folgenden Dilemma:

  • ‘Tool-Vermittlung’ führt nicht zu zeitgemäßer Bildung und ist ’einfach so’ keine sehr inspirierende Workshop-Form. Darum finde ich das auch selbst erst einmal wenig spannend.
  • Tool-Vermittlung im Sinne von ‘Wir klicken uns da jetzt gemeinsam durch, so dass das alle Teilnehmenden sicher nutzen können’ kann den Teilnehmenden anschließend viel Zeit einsparen und Unsicherheiten/ Ängsten entgegen wirken. Darum kann ich es sehr gut nachvollziehen, dass solche Workshops angefragt werden.

Mit meinem Workshop-Konzept versuche ich dieses Dilemma dahingehend aufzulösen, dass wir ‘angewandte Tool-Vermittlung’ machen, d.h. selbst einen Beispiel-Workshop zu einem selbst gewählten Thema durchlaufen und auf diese Weise sehr praxisorientiert inklusive pädagogischer Einsatzszenarien arbeiten. Die klassische ‘Tool-Vermittlung’ ist dann nicht mehr das ausschlaggebende Element, sondern findet praktisch ’nebenher’ statt.

Und: Mein Fokus bei der Tool-Auswahl liegt auf webbasierten Tools, die offen nutzbar (d.h. keiner Registrierung oder Installation bedürfen) und bevorzugt Open Source sind. Diese Tools passen meistens wunderbar zu zeitgemäßer Bildung mit kommunikativen, kreativen, kollaborativen und eigenständigen Lernformen.

Grundsätze des Workshops

  • Der Workshop verfügt über keine vorbereitete Präsentation. Stattdessen wird der Lernraum im offenen Netz gemeinsam entwickelt. Teilnehmende können direkt nachvollziehen und miterleben, wie Tools zum Lehren vorbereitet und zum Einsatz gebracht werden.
  • Der Workshop ist als ‘Baukasten’ vorbereitet. Auf diese Weise kann flexibel auf Interessen und Haltungen der Teilnehmen reagiert werden – und vor allem auch sicher gestellt werden, nicht zu überfordern. (Wenn es für alle im Raum völlig neu ist, Markdown in einem HackMD zu sehen, dann schließt man daran besser nicht ‘Augmented Reality im Browser programmieren’ an)
  • Jedes Tool wird mit einer ‘Aufgabe’ verknüpft, die die Teinehmenden gemeinsam bearbeiten. Auf diese Weise erfolgt eine Verküpfung zwischen Tool und pädagogischem Potential – und Teinehmende können auf diese Weise weitere Ideen für den Einsatz deutlich leichter entwickeln und sich darüber austauschen.
  • Im Muster unten ist der Workshop so aufgebaut, dass sich simple Tools (mit einem Klick zu verstehen und zu nutzen) mit kompexeren Sachen abwechseln. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass auf diese Weise Motivation während des Workshops am besten bestehen bleibt.
  • Der Workshop ist als offenes Experiment angelegt. Das bedeutet: Fehler sind super – weil daraus alle lernen können. Diese Haltung entlastet Lehrende erfahrungsgemäß, weil sie sehen, dass auch in ihrem eigenen Unterricht/ Workshop nicht alles wie geplant funktionieren muss bzw. wie man mit Fehlern umgehen kann (‘Lernen entsteht immer auch durch Irritation’)

Workshop-Bausteine zum Weiternutzen

Alle folgenden Bausteine funktionieren nach dem gleichen Muster:

  • Man richtet das Tool für die Teilnehmenden ein und erklärt dabei, was man tut.
  • Man teilt die jeweilige Aufgabe im Pad (siehe Baustein 1) und macht sie zunächst selbst vor.
  • Die Teilnehmenden versuchen sich selbst an der Aufgabe. Man selbst unterstützt.
  • Die Aufgabe wird gemeinsam ausgewertet und weitere Ideen geteil bzw. Fragen gestellt und beantwortet.

Der erste der folgenden Bausteine ist unbedingt erforderlich. Hier wird die gemeinsame Lernumgebung (= das Pad) eingerichtet. Alle weiteren Schritte sind variierbar.

1. Virtuelle Lernumgebung einrichten und erreichen (mit HackMD)

Auf der Website HackMD wird eine neue Notiz angelegt. Als Titel wird der Name des Workshops angegeben. Zusätzlich kann als erste Überschrift ‘Sandkiste’ oder ‘Ausprobieren’ eingegeben werden. Via KurzeLinks oder einen anderen URL-Shortener wird ein Kurzlink erstellt. Die Teilnmehmenden geben ihn auf ihren Geräten ein und haben damit Zugriff auf das gemeinsame Pad

Aufgabe für Teilnehmende: Öffne das HackPad und probiere das kollaborative Schreiben und die Funktionen von HackMD aus. Bunter machen kannst Du Deinen Text u.a. mit Emojis, die Du z.B. bei Unicode.Party findest.

Hinweis: Je nach Vorerfahrungen der Teilnehmenden kann diese Aufgabe abgekürzt werden. Gerade in Gruppen, die häufig schon mit Etherpads gearbeitet haben, wird HackMD intuitiv verstanden. Für andere ist das kollaborative Schreiben etwas sehr Neues und kann dann mit mehr Zeit erkundet werden.

Bekannte Probleme/ häufige Schwierigkeiten / Hintergrundinformationen:

  • Menschen geben den erhaltenen Kurzlink nicht in die Browserzeile, sondern in die Google-Suchleiste ein. Das kann man einfach zeigen, dann funktioniert es.
  • Manche Schulfilter blockieren Websites mit .io Endungen (und damit auch HackMD.io). Das sollte man möglichst vorab klären. Sonst lässt sich alternativ und vor Ort auf ein Etherpad (z.B. das ZumPad) umsteigen.
  • Der Chrome-Browser ist für HackMD nicht optimal. Die Lösung bei Schwierigkeiten ist hier die Empfehlung für Firefox.
  • HackMD basiert auf der Open Source Software CodiMD. Diese kann von technisch erfahrenen Menschen auch selbst installiert werden.

2. Wir lernen uns kennen (mit telegra.ph)

Im eingerichteten Hackpad wird der Link zu Telegrap.h geteilt.

Aufgabe für Teilnehmende: Erstelle eine Mini-Website mithilfe von Telegra.ph. Als Titel gibst Du ein, für was Du Dich begeisterst, als Text eine Eigenschaft von Dir, die mit dem gleichen Buchstaben wie Dein Vorname beginnt. Außerdem ergänzt Du einen Lieblingssong von Dir von Youtube oder ein Bild z.B. von Pixabay oder Unsplash. Anschließend kopierst Du den Link ins Pad ohne Deinen Namen dazu zu schreiben. Schaue Dir anschließend die erstellten Websites der anderen an und versuche herauszufinden, wer sich jeweils dahinter verbirgt.

Diese Aufgabe ermöglicht wunderbar eine analog-digitale Verschränkung, weil die Teilnehmenden über ihre gestalteten Mini-Websites miteinander ins Gespräch kommen.

Bekannte Probleme/ häufige Schwierigkeiten / Hintergrundinformationen:

  • Die eingerichtete Website lässt sich nicht mehr ändern, sobald man den Browser-Cache geleert hat. Deshalb: keine persönlichen Daten posten.
  • Als Vorgabe nicht einen einheitlichen Titel wählen, denn Telegra.ph entwickelt die URL aus ‘Titel + Datum’. Wenn es diesen Link schon gibt, erscheint zum Teil eine Fehlermeldung.
  • Diese Aufgabe lässt sich auch gut als ‘Kuratierungsaufgabe’ umwandeln: Erstellt in Kleingruppen eine Mini-Website zum Thema xyz und teilt den Link im Pad.

3. Wir erkunden Vorerfahrungen (mit Oncoo)

Über die Website Oncoo wird eine Kartenabfrage eingerichtet und (am besten der direkte Link) im Pad geteilt.

Aufgabe für Teilnehmende: Schreibe auf die digitalen Karteikarten alles auf, was Dir zum Thema ‘xxx’ einfällt – und schicke sie ‘an die Tafel’

ONCOO mögen erfahrungsgemäß alle gerne, weil es ein simples Tool ist, das in der Anwendung aus dem analogen Bereich bekannt ist

Bekannte Probleme/ häufige Schwierigkeiten / Hintergrundinformationen:

  • Die Teilnehmenden loggen sich als Lehrer, nicht als Schüler ein. Lösung: den Unterschied erklären oder von Anfang an den direkten Link teilen.
  • Im Anschluss an die Sammlung können die Karten gemeinsam sortiert werden. Pro-Tipp dazu: den Beamer-Rechner demokratisieren, indem auch TN den ‘Lehrer-Zugang’ zum Sortieren nutzen. Dazu einfach ein ’t’ in den Link einfügen.

4. Wir erstellen eine kollaborative Präsentation (mit dem Präsentations-Modus von HackMD)

Im Schritt 1 haben wir HackMD bereits in seiner Form als kollaboratives Pad kennen gelernt. In diesem Schritt wird kurz der Präsentationsmodus ‘vorgeführt’ und erklärt, dass neue Folien über drei Bindestriche ’entstehen’. Für die Präsentation wird ein neues Hackpad erstellt und der Link im ‘Haupt-Pad’ geteilt.

Aufgabe für Teilnehmende: Erstellt eine Präsentation zum Thema xyz. Wir schauen uns sie dann später gemeinsam an.

Wunderbar passt dieser Baustein, wenn der Workshop Teil einer längeren Tagung ist und die TN zuvor z.B. in unterschiedlichen Workshops waren, aus denen sie dann die Hauptergebnisse als Präsenation zusammentragen.

Bekannte Probleme/ häufige Schwierigkeiten / Hintergrundinformationen:

  • Es werden Leerzeilen vergessen/ falsche Formatierungen gewählt, so dass die Folien nicht richtig angezeigt werden. Lösung: Zeigen, korrigieren, dann Präsentation neu öffnen.
  • Im Anschluss an die Aufgabe können dann auch weitere Ideen zum Einsatz gemeinsam überlegt werden, z.B. vorbereitete Präsentation mit letzter Folie ‘Offene Fragen’. (Ich halte HackMD mit für das vielseitigste Tool zum Einsatz in Lernprozessen!)

5. Wir führen eine Blitzlicht-Runde durch (mit MeinMeme oder BrushNinja)

Ins Pad werden Links zu Brush.Ninja und/ oder meinmeme.de gestellt.

Aufgabe für Teilnehmende: Erstellt ein Meme oder ein Gif als ‘Blitzlicht-Feedback’: Wie fühlt ihr Euch gerade? Teilt das Ergebnis im Pad.

Mir gefällt diese Aufgabe, weil Netzkultur dabei auf Bildungs-Methode trifft. Außerdem lockert es wunderbar auf.

Bekannte Probleme/ häufige Schwierigkeiten / Hintergrundinformationen:

  • Bei BrushNinja nicht immer ein neues Slide öffnen, sondern das alte kopieren und daran weiter arbeiten. Die Möglichkeit zu Hintergrundbildern ist in den Einstellungen versteckt.
  • Zum Upload sowohl von Gifs als auch von Bildern in HackMD einfach die Bilder-Funktion nutzen.
  • Zu beiden Tools kann man ganz viele weitere Bildungsideen entwickeln: Vokabelkarten gestalten, Texte zusammenfassen, Feedback geben … Auch für Webinare lässt sich die Methode gut verwenden.

6. Wir gestalten eine Fragerunde (mit Fragmich.xyz)

Auf der Website [Fragmich.xyz][https://fragmich.xyz) wird eine neue Fragerunde erstellt und der gewählte Code mit Teilnehmenden geteilt.

Aufgabe für Teilnehmende: Gebt alle Fragen ein, die für Euch zum Thema ‘Webbasierte Tools’ noch offen sind – und bewertet, welche Fragen von anderen TN Euch ebenfalls interessieren.

Dieser Baustein ermöglicht das geeordnete Beantworten von offenen Fragen – genau nach Interesse der Teilnehmenden. Hier trauen sich auch stille Teilnehmende Fragen zu stellen, die ihnen im Plenum vielleicht ‘zu dumm’ erscheinen würden.

Bekannte Probleme/ häufige Schwierigkeiten / Hintergrundinformationen:

  • FragMich.xyz ist auf Basis von Drupal im eBildungslabor konfiguriert.
  • Nach der Fragebeantwortung kann man nach weiteren Einsatzmöglichkeiten suchen. Das Tool eignet sich z.B. gut für die Flipped Classroom Methode.

7. Reflexion und Feedback zum Abschluss

Auf der Website BitteFeedback wird ein Feedback-Bogen direkt mit den Teilnehmenden erstellt und der Link zum Ausfüllen dann im Pad geteilt. Auch den Ergebnis-Link kann man transparent machen. Außerdem teilt man den Link zu Mailnudge

Aufgabe für Teilnehmende: Beantwortet den Fragebogen – und schreibt Euch dann selbst (oder einer anderen Person in diesem Workshop) einen Mailnudge, den Du bzw. die andere Person eine Woche nach diesem Workshop erhält.

Mailnudge ist eine Form von individueller Lernreflexion durch eine Mail an das zukünftige Ich. Eine Woche nach dem Workshop erhält man einen ‘Schubs’ sich vielleicht noch einmal etwas anzusehen oder jetzt dann wirklich auszuprobieren.

Bekannte Probleme/ häufige Schwierigkeiten / Hintergrundinformationen:

  • Der Versand des ‘Mailnudge’ muss über die Eingabe der Mailadresse auf der Website aktiviert werden.

Erweiterungen für Fortgeschrittene bzw. mit mehr Zeit

In digital-affinen und/ oder aufgeschlossenen Gruppen stelle ich außerdem gerne Twine vor. (Mögliche Aufgabe: Erstelle einen wiki-artigen Beitrag zu Thema xyz mit vernetzten Verlinkungen). Auch AR.JS (Augmented Reality im Browser) stößt erfahrungsgemäß auf viel Interesse (Mögliche Aufgabe: Erstelle einen Feedback-AR-Code für eine andere Person im Workshop)

Wenn Zeit ist, dann ist auch H5P eine gute Wahl (Mögliche Aufgabe: In Kleingruppen einen ‘Test’ für die anderen Gruppen zu Thema xyz entwickeln). Wenn man EinstiegH5P nutzt, dann erspart man sich den Registrierungsprozess.

Persönlich mag ich auch das Kreislauftool sehr gerne, mache aber immer wieder die Erfahung, dass andere nur relativ wenig damit anfangen können.

Um den Workshop noch etwas interaktiver zu gestalten, kann man mögliche Bausteine z.B. über das offene Tool Poll.Labs zur Abstimmung stellen – und dann mit den Bausteinen starten, für die das meiste Interesse bekundet wurde.

Achtung: Werbung ;-)

Ich freue mich, wenn Du den Workshop in dieser und/ oder angepasster Form ausprobierst sowie auf Dein Feedback dazu. Gerne kannst Du/ Deine Organisation zur Durchführung auch mich anfragen. Du erreichst mich per Mail oder Twitter


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