‚Murmelrunden-Vorträge‘

Meine Vorträge sind fast immer ‚Murmelrunden-Vorträge‘. Das bedeutet, dass ich einen Vortrag von mir mehrmals für einen Austausch der Zuhörer*innen untereinander unterbreche. In diesem Blogbeitrag erkläre ich das Prinzip genauer, erläutere mein zeitliches Raster dafür, stelle 10 Möglichkeiten (+ eine Bonus-Variante) für die Ausgestaltung von Murmelrunden vor und teile weiterführende Überlegungen.

Grundsätzliches Prinzip

Eine Murmelrunde ist eine Austauschphase, in der eine kleine Gruppe Menschen sich untereinander leise (= murmelnd) austauscht. Sie dauert meist 3 bis 5 Minuten. Die Gruppengröße ist eher klein. Optimalerweise sind es 3 Personen. Bei Vor Ort-Veranstaltungen sprechen meist die Personen miteinander, die ohnehin gerade nebeneinander sitzen oder zusammen stehen. Im Online-Kontext wird für Murmelrunden meist eine Zufallseinteilung in BreakOut-Räumen genutzt.

Murmelrunden sind im Bildungskontext sehr beliebt, weil sie in unterschiedlichsten Kontexten verwendet werden können. Die einfachste Form sieht so aus, dass eine lehrende Person etwas vorstellt oder erklärt und sich die lernenden Personen dann ein paar Minuten lang mit Nebensitzer*innen darüber austauschen.

Werden Murmelrunden als Methode in Vorträge integriert, dann bedeutet das, dass der Vortrag immer wieder für solche Murmelrunden unterbrochen wird.

Zeitliches Raster

Meine ‚Murmelrunden-Vorträge‘ gestalte ich meist so, dass ich nach jedem in sich abgeschlossenen inhaltlichen Impuls meines Vortrags für eine kurze Murmelrunde unterbreche. Ich orientiere mich dabei an einem zeitlichen Raster von drei ca. 10minütigen Input-Phasen mit je einem inhaltlichen Impuls bzw. Fokus und drei ca. 5minütige Murmelrunden jeweils im Anschluss an jede Input-Phase. Wenn man die Zeit sehr strikt einhält, schafft man das in 45 Minuten. Die meisten Anfragen für Vorträge sind bei mir für 1 Stunde. Das finde ich für dieses Raster ideal, weil man dann noch etwas Puffer hat …

Natürlich kann man einen Murmelrunden-Vortrag auch länger gestalten:

  1. Es kann mehr Input-Phasen und demzufolge auch mehr Murmelrunden-Phasen geben. In diesem Fall finde ich es wichtig, die Murmelrunden-Ausgestaltung zu variieren. Entweder, indem Teilnehmende aufstehen und sich auch andere Gesprächspartner*innen als die direkten Nebensitzer*innen suchen. Oder indem die Aufgaben in den Murmelrunden variieren, d.h. das nicht jedes Mal die Aufgabe ist ‚Tauscht euch zu dem Gehörten aus‘. Dazu findest Du unten viele Möglichkeiten.
  2. Es kann längere Murmelrunden-Phasen geben. Dann ist es hilfreich, dass es eine Aufgabe bzw. einen Diskussionsimpuls gibt, der auch entsprechend länger beschäftigt.
  3. Es könnte längere Input-Phasen geben. Davon rate ich allerdings ab, denn der Reiz von Murmelrunden-Vorträgen liegt gerade darin, dass alle Beteiligten immer in einem grundsätzlichen Aufmerksamkeitsmodus sind. Dafür sind ‚Nicht mehr als 10 Minuten Input‘ eine gute Orientierung.

Kürzer gestalten geht auch. Ich habe schon 30 Minuten auf zweimal Input und zweimal Murmelrunde aufgeteilt oder auch schon auf dreimal Input und dreimal Murmelrunde. Unter 3 Minuten Zeit funktionieren Murmelrunden aus meiner Sicht allerdings nicht, so dass man dann eher bei der Länge der Input-Phasen kürzen muss.

Murmelrunden-Möglichkeiten

Mindestens ebenso wichtig, wie die Gestaltung des eigenen Inputs ist bei einem Murmelrunden-Vortrag die gute Gestaltung der ‚Aufgaben‘ in den Murmelrunden. Ich mache mit den folgenden Möglichkeiten gute Erfahrungen.

1. Offener Austausch

Eine Murmelrunde als ‚offener Austausch‘ ist sicherlich die einfachste und naheliegendste Form einer Murmelrunde. Ich formuliere hierzu oft das Thema meiner vorangegangenen Input-Phase als Frage um. Wenn ich also in meiner Input-Phase den Begriff KI definiere, wäre die Aufgabe in der Murmelrunde: Wie definierst du KI? Tausche dich dazu mit Nebensitzer*innen aus. Ebenso ist es auch möglich, bewusst zur Korrektur/ Ergänzung des Inputs aufzurufen. Also zum Beispiel: Was meinst du dazu? Was siehst du anders? Was würdest du ergänzen?

2. Vorerfahrungen und Interessen

Wenn in einer ersten Input-Phase das Thema umrissen und allgemein eingeführt wird, dann kann die daran anschließende Murmelrunde sehr gut für eine Verbindung mit dem Kontext der Zuhörer*innen genutzt werden. Ich formuliere z.B. gerne diese Aufgabe: Ist dir dieses Thema schon einmal begegnet? Welche Erfahrungen hast du damit gemacht? Wenn du das Thema bis jetzt noch nicht kennst: Was könnte für dich daran spannend sein?

3. Biographisches Erzählen

Ähnlich wie die oben dargestellten Vorerfahrungen und Interessen ist auch das biographische Erzählen eine gute Möglichkeit für eine der ersten Murmelrunden-Phasen. Hier geht es aber noch stärker darum, sich gegenseitig eigene Erlebnisse und Erfahrungen zu erzählen. Eine mögliche Aufgabe könnte lauten: ‚Wie machst du das? Berichtet euch gegenseitig darüber!

Ein konkretes Beispiel aus aktuellen KI-Vorträgen ist, dass ich in der Input-Phase berichte, wie ich mit KI-Tools interagiere und welche Erfahrungen ich damit mache. Anschließend können sich Teilnehmende dann ihre Erfahrungen gegenseitig erzählen.

4. Diskussion

Bei der Murmelrunden-Ausgestaltung als Diskussion geht es darum, dass Teilnehmer*innen untereinander in eine Diskussion kommen sollen. Dazu lässt sich in der Input-Phase eines These vorstellen und dann die Frage stellen: Stimmst Du zu? Warum bzw. warum nicht? Tauscht euch dazu aus! Etwas abgewandelt könnte man auch die Frage stellen: Auf einer Skala von 1-10 – wie sehr stimmst du zu und warum? Tauscht euch dazu aus!‘

Gerade bei kontroversen Themen, die man aus unterschiedlichen Perspektiven unterschiedlich einordnen kann, kann eine ‚Lückentext-Aufgabe‘ auch ein guter Diskussionsimpuls sein. (Diese Idee habe ich von Jöran geklaut.) Ich habe in Bezug auf Digitalisierung und Veränderung der Lernkultur z.B. diesen Lückentext genutzt:

Beispielaufgabe zu einer Murmelrunden-Ausgestaltung als Diskussion

5. Ideensammlung

Die Murmelrunden-Möglichkeit der Ideensammlung finde ich eine besonders schöne Sache, um die Ergebnisse einer einzelnen Murmelrunde später für alle nachnutzbar zu machen und so auch mit einem kollaborativem Ergebnis aus dem Murmelrunden-Vortrag rauszugehen. Die Aufgabe lautet dann: Was sind eure Ideen dazu? Teilt sie hier: … Gezeigt werden kann dann ein QR-Code, der z.B. zu einem Mindwendel (= einer offenen Online-Brainstorming-Umgebung) führt. Im Anschluss werden alle gesammelten Ideen dann heruntergeladen und für alle zur Verfügung gestellt.

Eine möglichen Variante solch einer klassischen Ideensammlung ist eine Art ‚Inspirations-Jagd‘. Dabei gehen alle Teilnehmer*innen auf die Suche nach Anregungen und kommen dafür mit so vielen Menschen wie möglich ins Gespräch. Im Kontext von KI nutze ich dazu z.B. gerne die Aufgabe: Versuche ob von den anderen Anwesenden mindestens drei Empfehlungen für spannende KI-Tools sammeln kannst, die du bisher noch nicht kanntest.

6. Rekapitulation

Eine Rekapitulations-Murmelrunde ist super für die letzte Murmelrunden-Phase. Am besten funktioniert sie, wenn man den eigenen Input aus allen Phasen gut komprimiert auf einer Folie präsentieren kann. Die Aufgabe lautet dann ganz einfach: Was nimmst du aus dem Input für dich mit? Tausche dich dazu aus!

Wenn man die Aufgabe etwas prägnanter formulieren will, dann eignet sich gut: Was war heute bis jetzt dein wichtigstes Learning? Tausche dich dazu aus.

Da ich meine Vorträge oft mit Bildern gestalte, klappt das bei mir recht gut. Hier ist z.B. meine Rekapitulations-Folie für die Murmelrunden-Phase in meinem letzten KI-Vortrag:

Solch eine Rekapitulation lässt sich auch super mit der nächsten Murmelrunden-Möglichkeit kombinieren: der Frageklärung!

7. Frageklärung

Eine Murmelrunden-Phase zur Frageklärung dient dazu, dass noch offene Fragen geklärt werden können. Die Aufgabe lautet also einfach: Was ist dir noch unklar? Befrage dazu andere Menschen!

Zusätzlich lässt sich hier ausnahmsweise an die Murmelrunden-Phase auch eine Plenums-Phase anschließen, z.B. indem man ergänzt: Bringt ins Plenum mit, was ihr untereinander nicht beantworten könnt.

8. Transfer und teilen

Beim Transfer geht es weniger um einen direkten Blick auf den Input, sondern eher um die Frage, was daraus für die Zuhörer*innen jetzt folgen soll. Die Aufgabe kann man in diesem Sinne sehr einfach formulieren: Was möchtest du vor dem Hintergrund des Gehörten jetzt für dich angehen? Tauscht euch dazu aus! Wenn der Vortrag als Einstieg in einen Lerntag mit weiteren Programmpunkten stattfindet, dann kann man auch fragen: Was ist deine Lernherausforderung für den weiteren Tag?

Je nachdem, um was es inhaltlich geht, kann man diese Murmelrunden-Möglichkeit mit vielen bekannten Methoden aus Abschlussphasen verfeinern. Hier sind Beispiele:

  • Welche eine (!) konkrete Sache möchtest du jetzt als nächstes angehen und umsetzen?
  • Was ist dein ‚Start – Stop – Continue‘ (= Was möchtest du neu beginnen, stoppen, fortsetzen)?
  • Was fehlt dir noch, was du anschließend vertiefen/ lernen willst?

Ich kombiniere diese Aufgabe auch gerne mit der Herausforderung des Teilens. Das ist vor allem bei Multiplikator*innen-Treffen eine gute Sache. Die Aufgabe lautet dann: Was nimmst du für dich mit? Was willst du mit anderen teilen?

9. Kopfstand

Methodisch gesehen bedeutet ‚Kopfstand‘, dass man sich zu einer Herausforderung die dümmstmöglichen Lösungen überlegt. Ich nutze die Kopfstand-Methode gerne für Ideenentwicklungs-Prozesse, aber sie kann auch eine gute Möglichkeit für eine aufgelockerte Murmelrunden-Phase sein. Die Aufgabe kann zum Beispiel lauten: Was wäre die dümmstmögliche Schlussfolgerung die du aus dem eben Gehörten ziehen könntest? Tausche dich mit anderen dazu aus.

10. Lernen durch Lehren

Die Murmelrunden-Möglichkeit des ‚Lernen durch Lehrens‘ kann vor allem bei Vorträgen, die sehr stark auf Wissen und Fakten setzen, eine gute Gelegenheit für eine abschließende Runde sein. Ich nutze dazu oft das Spiel ‚Zwei Wahrheiten und eine Lüge‘. Die Aufgabe kann hier zum Beispiel lauten: Notiere für dich zwei Wahrheiten und eine Lüge zum gehörten Input. Suche dann das Gespräch mit anderen und testet euch gegenseitig, ob ihr die Lüge jeweils entdeckt.

Anstelle von zwei Wahrheiten und einer Lüge kann natürlich auch eine Multiple Choice Aufgabe oder eine andere Frageform gewählt werden. Der Reiz liegt darin, dass man sich sowohl selbst überlegt, was man von dem Gehörten gut erklären könnte, als auch das eigene Verständnis mit den Aufgaben der anderen gut überprüfen kann. Durch den Peer-to-Peer Charakter wird die ‚Prüfungs- und Quizsituation‘ aufgelockert bzw. fast schon ironisierend genutzt.

11. Bonus: ‚Freeze-Bild‘

Bei manchen Themen (und bei experimentierfreudigen Gruppen) kann eine Murmelrunden-Phase auch zur Gestaltung eines Freeze-Standbilds genutzt werden. Das bedeutet, dass sich die Menschen in der Kleingruppe darüber austauschen, wie sie das Thema / die Herausforderung als Standbild darstellen könnten. Passende Fragen/ Themen könnte sein: Wie sieht Kultur des Teilens in Eurem Kollegium aus? Gestaltet ein Standbild! / Könnt ihr ‚KI‘ als Standbild darstellen? Versucht es! / Was wäre eine dümmstmögliche Lernsituation, mit der garantiert keine Zukunftskompetenzen entwickelt werden? Gestaltet ein Standbild dazu! …

Bevor es dann weitergeht, begeben sich alle Gruppen in ihr überlegtes Standbild.

Diese Variante ist zugleich ein schöner Abschluss, weil darauf dann natürlich ein riesiger Applaus für alle folgen muss 🙂

Weiterführende Überlegungen

Aus meinen bisherigen Erfahrungen mit der Umsetzung möchte ich gerne noch einige weiterführende Überlegungen weitergeben, die dir bei der Anpassung von Murmelrunden-Vorträgen in deinem Kontext vielleicht helfen können:

  • Ich mag es gerne die Zusammensetzung der Murmelrunden im Laufe des Vortrags zu verändern. Dafür kann man in Runde 1 gut mit einem Austausch mit den Nebensitzer*innen starten. Runde 2 ist bei mir dann oft ‚Bewegt euch durch den Raum und findet euch in neuen Kleingruppen zusammen‘. Runde 3 kann dann sein: ‚Bewegt euch durch den Raum und findet euch mit Menschen zusammen, die dazu vielleicht eine andere Perspektive/ eine andere Meinung/ andere Erfahrungen haben, als ihr selbst“.
  • Ich sehe solche Murmelrunden-Vorträge nicht als Ersatz zu ‚richtigem‘ Austausch im Rahmen eines offenen Veranstaltungsformats. Darum gestalte ich meine Murmelrunden-Vorträge meist auch bewusst nicht länger, als üblicherweise für den Vortrag vorgesehen ist. An solch einen Murmelrunden-Vortrag können sich dann ganz wunderbar Workshops, ein Barcamp oder auch andere Formate anschließen.
  • Ich spiele (außer falls es benötigt wird, wie in der Variante ‚Frageklärung‘) die Ergebnisse aus den Murmelrunden bewusst nicht wieder ins Plenum zurück. Das hat aus meiner Sicht dann nämlich doch wieder oft die Folge, dass die Kommunikation maßgeblich über mich als Rednerin läuft. Ich möchte aber ja gerade zeigen, dass ich zwar einen Impuls gebe, aber dass das nicht die eine richtige Lösung sein muss, sondern dass wir alle gemeinsam auf der Suche nach Antworten auf Herausforderungen sind. (Wer solch ein ‚Zurückspielen‘ ins Plenum nach Murmelrunden für sich doch wichtig findet, der kann das 3×3 Format dazu nutzen, das bei der Plattform ‚Selbstlernen‘ vorgestellt ist. Es kombiniert Input, Austausch und Reflexion im Plenum.)

Fazit

Ich mag Murmelrunden-Vorträge sehr gerne, weil sie eine sehr niederschwellige Form sind, um von einer (meist angefragten) Input-Orientierung zumindest ein bisschen in eine Austauschorientierung beim Lernen zu kommen. Gerade bei Auftrageber*innen, die offenen Lernformaten eher skeptisch gegenüber stehen, kann das eine gute Möglichkeit für einen ersten Schritt sein. Zugleich können auch offene Veranstaltungsformate wie z.B. ein Barcamp sehr gut mit solch einem Murmelrunden-Vortrag eingeleitet werden.

Insgesamt ist mein Eindruck bei Murmelrunden-Vorträgen, dass trotz kürzerer Input-Zeit meist deutlich mehr hängen bleibt. Das liegt sicherlich sowohl daran, dass meine eigene Input-Gestaltung mehr ‚auf den Punkt gebracht ist‘. Zum anderen haben aber natürlich auch die Zuhörenden immer direkt die Möglichkeit, das Gehörte für sich noch einmal zu festigen. Sehr hilfreich finde ich Murmelrunden-Vorträge auch bei Gruppen, in denen Vorkenntnisse zu dem Thema sehr unterschiedlich sind.

Aus all diesen Gründen kann ich das Prinzip und die Ausgestaltung sehr zum Nachmachen empfehlen!

PS. Ich wollte mir für diesen Blogbeitrag bei ChatGPT eine kurze Definition der Methode Murmelrunde generieren lassen – und bin wieder einmal auf ein Beispiel gestoßen, wo es deutsche Begriffe aus dem pädagogischen Kontext in der verwendeten Datenbank offensichtlich nicht oder nur unzureichend gibt. Weil ich das immer wieder spannend zur Reflexion finde, dokumentiere ich hier meinen Chat mit dem Tool 🙂.


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