Ich versuche meine Online-Lernangebote so zu gestalten, dass aktives und selbstbestimmtes Lernen möglich ist. Vor diesem Hintergrund lege ich einen großen Schwerpunkt auf Flipped-Input, den sich Teilnehmende in ihrem eigenen Tempo erarbeiten können. Darüber hinaus ermutige ich zu praktischem Ausprobieren und Erkunden. Dieser Fokus führt dazu, dass synchrone Elemente in Form von Videokonferenzen meist nur kurz sind und Teilnehmende überwiegend asynchron lernen. Wie aber können Teilnehmende dann beim Erkunden und Ausprobieren bzw. bei der eigenen Auseinandersetzung mit bereitgestellten Materialien nicht allein gelassen, sondern unterstützt und begleitet werden? Und wie kann auch in diesen Lernphasen Peer-to-Peer Austausch gefördert werden? Von meinen Erfahrungen zu diesen Fragen möchte ich im folgenden Blogbeitrag berichten.
7 Herangehensweisen kurz skizziert
1. Support-Mailadresse
Eine Support-Mailadresse ist meiner Erfahrung nach (Ich arbeite überwiegend in der Erwachsenenbildung) fast immer wichtig – egal wie viele sonstige Kanäle und Austauschräume zur Verfügung stehen bzw. gerade auch dann, wenn sonst gar nichts mehr geht. Für viele Menschen ist das immer noch die einfachste und niederschwelligste, digitale Kommunikationsmöglichkeit.
2. Telegram-Gruppe
Gerade bei Lernangeboten, die über einen längeren Zeitraum gehen, finde ich Telegram-Gruppen großartig. Man kann sich darin toll austauschen – und meiner Erfahrung nach ist es für Teilnehmende darüber auch sehr niederschwellig, Fragen zu stellen. Toll finde ich auch, dass damit häufig Vernetzung auch über ein bestimmtes Lernangebot hinaus entsteht. Und mindestens für Schülerinnen und Schüler sind Messenger häufig ohnehin ein sehr beliebter (der primäre?) Kommunikationskanal.
Die einzige Hürde ist, dass man Teilnehmende oft erst überzeugen muss, sich den Messenger zu installieren und sich an solch einer Gruppe zu beteiligen. Ich überlasse das der Entscheidung der Teilnehmenden. Die Telegram-Gruppe ist ein freiwilliges und zusätzliches Angebot.
Bei der Einrichtung ist es gut, darauf zu achten, dass der Chatverlauf sichtbar ist (nicht versteckt), so dass auch evtl. später dazu kommende Menschen die Diskussion nachvollziehen können. Die Gruppe kann auf ‘privat’ gestellt werden. Auf diese Weise ist Beitritt über einen geteilten Link möglich.
3. Simpler Chat
Für einen Tages-Workshop lohnt sich eine Telegram-Gruppe oft nicht – und auch die Installation wäre dann zu aufwändig. Sehr gute Erfahrungen habe ich dann mit Leapchat gemacht. Im folgenden Screencast stelle ich das Tool kurz vor. Der große Vorteil ist, dass sich niemand registrieren oder anmelden muss, der Chat stabil im Browser läuft und der Chatverlauf über 90 Tage online abruf- und nachlesbar bleibt. Toll datenschutzfreundlich und Open Source ist das Tool noch obendrein :-)
4. Broadcast-Channel
Wer in einem komplexeren Lernangebot eine ‘Orientierungsseite’ für Teilnehmende mit regelmäßigen Updates einrichten will, kann SDNotes nutzen. Man kann es als ‘Broadcast’ nutzen und damit (auch als Team) Updates posten, was als nächstes ansteht oder auch offen für Status-Updates von allen Teilnehmenden und damit mit mehr Austauschcharakter. Das Tool kann damit genutzt werden, um TN immer darauf zu verweisen, wenn sie gerade Orientierung benötigen und wissen wollen, was im Lernangebot gerade passiert. Im Screencast habe ich die Funktionsweise erklärt:
5. Vorstrukturiertes Etherpad
Etherpads (= kollaborative Schreibumgebungen) sind das wahrscheinlich am meisten vielfältig nutzbare offene Webtool – und so eignen sie sich auch als Frage- und Austauschraum. Ich strukturiere sie meist so vor, dass oben ein kleiner Sandkasten zum Ausprobieren ist – und anschließend dann die Überschriften der Inhalte/ Themen des Lernangebots stehen. Zum Abschluss gibt es dann noch die Rubrik ‘Notizzettel’/ Sonstiges, wo alles hinkann, was sonst keinen Platz findet.
Für die Einrichtung von Etherpads gibt es zahlreiche offene Installationen. Ich nutze gerne das Yopad
6. Sammlung- und Brainstorming via Flinga
Das Wall-Tool von Flinga ist toll zum Sammeln von Fragen und Ideen, die abschließend/ anschließend in einer synchronen Videokonferenz besprochen werden können. Ich richte es oft ergänzend zu einer Messenger-Gruppe oder einem Chat ein. Hier können dann tiefergehende Fragen gesammelt werden, die in Richtung Austausch gehen und nicht einfach nur ‘Wie funktioniert das?’ sind. Toll bei Flinga ist die Exportmöglichkeit. Auf diese Weise lassen sich die gesammelten Fragen dann auch sehr einfach in ein Etherpad übertragen, das während der Beantwortung und Diskussion in der Videokonferenz als kollaborativer Mitschrieb genutzt werden kann.
Eine weitere Möglichkeit bei Flinga ist, zu definieren, welche Farben den Nutzenden für Karten zur Verfügung stehen sollen. Dann kann man wunderbar sortiert sammeln, z.B. gelb für weiterführende Ideen, blau für Fragen, rot für Schwierigkeiten/ Probleme.
7. Mentimeter-Umfrage
Für technisch weniger affine Zielgruppen sind Mentimeter-Umfragen toll, weil dabei eigentlich wirklich gar nichts schief gehen kann und man sich sehr einfach beteiligen kann. Und via Mentimeter kann man Teilnehmende sehr schön strukturiert durch ein Lernangebot begleiten, indem sie z.B. zu jeder Lerneinheit eine Reflexionsfrage gestellt bekommen, die sie dann via Mentimeter beantworten können. Zusätzlich gibt es (in der Pro-Version) das Question-Answer-Tool mit dem Fragen gesammelt und dann z.B. in einer Videokonferenz beantwortet werden können. Man sollte sich beim Einsatz überlegen, ob man Audience oder Presenter Pace einstellt. Audience Pace ist bei asynchronen Flipped Angeboten in der Regel die bessere Wahl, denn dann können sich Teilehmende eigenständig durch die Folien klicken. Außerdem sollte man überlegen, ob direkt irgendwo auch die Ergebnisse der Umfrage gezeigt werden – oder ob die erst später alle gemeinsam ansehen.
Grundsätzliche Bemerkungen
Übergreifend kann ich drei Erfahrungen teilen:
- Asynchrone Austausch funktioniert meiner Erfahrung nach eher besser, wenn es mehr Teilnehmende sind. Während in klassischen Online-Lernangeboten also häufig TN-Zahlen begrenzt werden, weil Serverkapazitäten für Videokonferenzen sonst nicht ausreichen, sind mehr Teilnehmende bei Flipped-Angeboten eher besser für einen lebendigen Austausch. Bei mehr als 30 TN splitte ich dann die einführenden Videokonferenzen im ‘Plenum’ auf und biete dazu zwei Termine (um 8 für Frühaufsteher:innen und um 10 für Längerschläfer:innen o.ä,) an. Alle Teilnehmenden erhalten aber die gleichen Materialien – und damit auch die gleichen Austauschräume.
- Es lohnt sich, den Austausch in der einführenden Videokonferenz sehr zu bewerben und zum Mitmachen zu ermutigen. Bei technisch weniger affinen Menschen kann es auch hilfreich sein, auch vermeintlich ‘einfache’ Tools wie ein Etherpad zunächst gemeinsam auszuprobieren.
- Es ist hilfreich, schon am Anfang zu klären, was mit den Inhalten der Austausch- und Frageräume passieren soll. Sollen sie intern behandelt werden (soweit das bei Online-Inhalten überhaupt möglich ist)? Können sie geteilt werden? Sollen die Inhalte unter einer bestimmten Lizenz stehen?
Deine Erfahrungen?
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