Zeitgemäße Bildung mit einem Quartett-Spiel entwickeln

Gemeinsam mit Engagement Global und dem Portal Globales Lernen führe ich bereits seit dem vergangenen Jahr Fortbildungen durch, die Lehrende zur Verankerung einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) in ihrem Unterricht und an ihren Schulen qualifizieren und zugleich für eine Nutzung und Erstellung von Open Educational Resources (OER) ermächtigen. Im Sinne eines Multiplikator/innen-Ansatzes sollen die erworbenen Kompetenzen zugleich auch an andere weitergegeben werden können. Die Idee zur Verknüpfung von OER und BNE entstand zunächst, weil wir uns über OER eine bessere Verbreitung von BNE-Themen erhoffen. Zugleich sehen wir aber auch eine große inhaltliche Nähe beider Konzepte – insbesondere, wenn OER mit einem weiteren Blick, das heißt nicht nur als Material, sondern auch als offene Methodik und Technik verstanden wird. Kollaboration, Projektorientierung, Personalisierung, Multiperspektivität oder Orientierung an der Lebensrealität der Lernenden sind dann wichtige Schlagworte, die OER und BNE beide teilen.

Gestern waren wir in Berlin zu Besuch – mit einer neuen und spielerischen Herangehensweise bei der Fortbildungsdurchführung: ein BNE-Quartett für zeitgemäße Bildung. Ich teile diese Methode im folgenden Blogbeitrag aus einem doppelten Grund: erstens, weil sie super funktioniert und Spaß gemacht gemacht hat und sie sich aus meiner Sicht somit auch für andere Kontexte für einen Remix eignet. Zum anderen weil wir sie aufbereiten, besser gestalten und dann gemeinsam mit dem übrigen Fortbildungskonzept als OER zur Nachnutzung veröffentlichen wollen. Dazu freuen wir uns über Feedback und Ergänzungen.

Was ist das BNE/OER-Quartett für zeitgemäße Bildung?

Beim BNE/OER-OER Quartett konzipieren Lehrende spielerisch und in kleineren Gruppen konkrete Lernideen für eine zeitgemäße Bildung – orientiert an BNE. Dabei werden Potentiale von Offenheit (Möglichkeit von Remix, Einbezug und Anpassung vielfältiger Materialien, offene Verbreitung) mit einbezogen. Genutzt werden dazu ‘Spielkarten’ aus vier Bereichen:

  1. den inhaltlichen Themen von BNE – ausgehend von den 17 Nachhaltigkeitszielen (= Themen-Karten)
  2. digitale Unterstützungstoools aus dem OER und Open Source Bereich (= Tool-Karten)
  3. Ansätze von offenen Bildungsmaterialien (= Offenheits-Karten)
  4. Methoden einer zeitgemäßen Bildung, basierend auf den Kompetenzen Kommunikation, Kreativität, Kritisches Denken und Kollaboration (4K) (= Methoden-Karten)

Wie funktioniert die Methode?

Im Vorfeld werden so viele Kartensets produziert, wie Menschen teilnehmen.

Im ersten Schritt erhält jede Person ein Kartenset mit allen Karten zu einem bestimmten Bereich (z.B. alle Tool-Karten oder alle Methoden Karten). Die Karten werden durchgesehen – und es erfolgt eine Klärung von offenen Fragen und ein erster Austausch mit den Menschen., die ein Kartenset zu dem gleichen Bereich erhalten haben. Das Ziel ist es, dass alle wissen, was sie in das folgende Quartett einbringen können, d.h. welche Karten ihnen für das folgende Spiel zur Verfügung stehen.

Im zweiten Schritt werden Quartett-Gruppen gebildet. Das bedeutet: In jeder Gruppe soll mindestens eine Person mit einem Themen-Kartenset, eine Person mit einem Tool-Kartenset, eine Person mit einem Offenheits-Kartenset und eine Person mit einem Methoden-Kartenset vertreten sein. (Wenn das aufgrund der Anzahl der Teilnehmenden nicht aufgeht, sind manche Kartensets doppelt vertreten).

In den Quartett-Gruppen findet nun das eigentliche Spiel statt: Jede Person steuert dabei die Karten aus ihrem Set bei, die sie möchte. Die anderen Mitspieler/innen ergänzen und erweitern mit ihren Sets. Auf diese Weise entstehen relativ mühelos und mit Brainstorming-Charakter vielfältige Unterrichtsideen.

Die Vorgabe ist: In jeder Unterrichtsidee muss aus jeder Kartensammlung mindestens eine Karte aus jedem Bereich vertreten sein – es können aber auch mehr sein. Die Unterrichtsideen sollen nicht detailliert ausgearbeitet werden. Es geht erst einmal nur um eine erste Ideensammlung.

Was sind mögliche Ergebnisse?

Wir haben gestern diese Kartensets genutzt. Dabei sind unter anderem die folgenden Ideen entstanden:

  • Ausgehend von der Lebensrealität der Lernenden (= Methoden-Karte) betrachten wir das Thema Mobilität und Verkehr (= Themen-Karte). Dabei sammeln Schüler/innen in einem Etherpad (=Tool-Karte) auf welche unterschiedliche Arten sie morgens in die Schule kommen/ in den Urlaub gelangen. Sie gestalten eine Art ‘Bericht’ und recherchieren dazu offen lizenzierte Bilder (=OER-Karte). Den Bericht teilen sie als OER (= OER-Karte). Andere Lerngruppen (in einer anderen Gegend, einem anderen Land) können ihn als Anlass zur Reflexion nehmen. Zugleich können sie über die ‘Berichte’ z.B. aus einer Partner-Schule reflektieren.
  • Wir behandeln das Thema Migration/ Integration (= Themenkarte). Dabei suchen sich Lernende Gesprächspartner/innen mit denen sie per Videokonferenz (= Tool-Karte) oder auf anderen Wegen in Kontakt kommen (= Methoden-Karte) und sie über Gründe für Migration befragen. Sie entwickeln eine eigene Fragestellung, die ihnen im Kontext Migration auf dieser Basis relevant erscheint (= Methoden-Karte) und erstellen dazu ein selbst gewähltes Produkt (= Methoden-Karte), das sie als OER veröffentlichen (= OER-Karte).
  • Lernende erarbeiten sich das Thema ‘Schutz der Ozeane’ (= Themen-Karte). Zum Einstieg genutzt werden dabei bestehende OER, die von der Lehrperson recherchiert werden (= OER-Karte). Darauf aufbauend sammeln Lernende alle möglichen Aspekte, wie Handlungen in ihrer Lebensrealität (= Methoden-Karte) mit diesem Thema zusammenhängen. In einem Etherpad (= Tool-Karte) schreiben sie gemeinsam einen Forderungskatalog (= Methoden-Karte), was an ihrer Schule/ in ihrem Ort für den Schutz der Ozeane getan werden könnte.

Wie unterstützt das Spiel eine zeitgemäße Bildung?

Die Rückmeldungen aus der Fortbildung zur Methode waren fast durchgehend positiv. Insbesondere hat es den Teilnehmenden gut gefallen, dass durch die zur Verfügung stehenden Karten sehr schnell recht konkrete Ideen entwickelt werden können. Begriffe wie Kollaboration oder Projektorientierung werden durch das Quartett somit gut greifbar.

Hilfreich für die Entwicklung einer zeitgemäßen Bildung finde ich zudem, dass durch die Toolkarten technische Potentiale selbstverständlich und von Beginn an in die Konzeption von Lernprozessen einbezogen werden. Der spielerische Charakter der Karten (und für die Teilnehmenden, die damit verbundenen Rollen bzw. Beitragsmöglichkeiten) sorgen für Partizipation.

Wir haben uns für eine zufällige Zusammensetzung in Fächer-, Schulformen und Altersgruppen entschieden. Auf diese Weise wurde quasi nebenbei fächerverbindend, übergreifend und verknüpfend gedacht.

Wie kann ich die Methode weiternutzen?

Ich kann mir das Quartett neben dem Einsatz in Fortbildungen auch gut zum Einsatz in schulinternen Treffen vorstellen, bei denen das Kollegium gemeinsam brainstormt. Auf einfache Art und Weise kann damit vielleicht erstens Offenheit für zeitgemäße Lernkonzepte (im Sinne eines Weiterdenkens) erreicht werden. Zweitens wird Peer-to-Peer Austausch angeregt, weil kurze Nachfragen (z.B. ‘Ein Etherpad, was soll das denn sein?’) in diesem Setting ganz einfach möglich sind.

Unser gestriges Quartett war grundlegend von BNE-Themen bestimmt – und BNE war auch für die Formulierung der Methoden grundlegend. Falls auch Du an diesem Thema mit Kolleginnen und Kollegen denken willst, kannst Du die Kartensets direkt übernehmen. Als sehr einfach gestaltetes pdf findest Du unser Quartett hier zum Download und zum direkten Einsatz (Anzahl der TN bei der Fortbildung : 4 = Anzahl der Ausdrucke. Ausdruck mit Vorder- und Rückseite). Eine Überarbeitung und ‘richtige’ Gestaltung ist geplant.

Die Inhalte der Karten sind relativ schnell entstanden. In diesem GoogleDoc findest Du eine weiter bearbeitbare Liste. Du kannst sie erstens für Dich kopieren und anpassen und/ oder auch direkt kommentieren. Ich kann mir gut vorstellen, das Quartett z.B. gezielt für bestimmte Tools vorzubereiten oder für andere Themenbereiche … Auch an den Methoden lässt sich sicherlich noch länger weiter denken (Was sind relevante Aspekte einer zeitgemäßen Bildung?)

Kommentare und Feedback gerne als Reply auf diesen Tweet oder via Mail.


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