2020: Es war nicht alles schlecht ;-)

Über die Schwierigkeiten, Anstrengungen und Nervereien des Corona-Jahres 2020 wurde schon viel geschrieben. Beruflich fand ich das Jahr trotz/ bei / wegen alledem aber auch spannend und cool. 10 positive Dinge möchte ich im Sinne eines optimistischen Jahresrückblicks gerne für mich festhalten. Ich teile sie, weil auch ich neugierig bin, wie andere Pädagog*innen auf 2020 zurückblicken – und gerne dazu lese.

  1. Neue Learnings: Schon vor 2020 habe ich mich mit Lehren und Lernen in einer Kultur der Digitalität beschäftigt. Neu war es für mich aber, ganze Lernangebote ausschließlich online zu konzipieren und durchzuführen. Gelernt habe ich dabei jede Menge: über Online-Didaktik, Tools, Moderationstechniken, virtuelle Barcamps und Videoaufzeichnungen mit mir selbst. Zum ersten Mal hatte ich auch Gelegenheit richtig große Veranstaltungen mit über 1.000 Menschen zu planen und durchzuführen – etwa das Barcamp SchuleNeuDenken im Juni oder die Edunauten im März. Im Ergebnis war ich in den Vorjahren längst nicht so sehr ‘lernende Lehrende’ wie in diesem Jahr – und das Lernen fand ich sehr bereichernd und spannend.
  2. Viel sichtbarer Output: Auch in früheren Jahren habe ich digitale Materialien produziert und gebloggt. Durch die vielen in diesem Jahr benötigten Flipped Materialien, Erklärvideos, Screencasts und Selbstlernkurse hatte ich aber gefühlt einen viel größeren ‘Output’. Denn all diese Materialien sind sehr sichtbar und vor allem auch weiternutzbar. Es ist ein gutes Gefühl, so viel ‘geschafft’ zu haben.
  3. Sehr viele und vielfältige neue OER: Ich war längst nicht die einzige, die viel produziert hat. Vielmehr waren meiner Beobachtung nach fast alle Lehrenden damit auf die eine oder andere Weise beschäftigt. Und weil sich die Vorteile von OER in den letzten Jahren schon sehr herumgesprochen hatten, ist vieles, was neu entstanden ist, offen lizenziert. Das bedeutet im Ergebnis, dass sich die Basis von offenen Bildungsmaterialien sehr erweitert hat. Für mich eine tolle Fundgrube war und ist z.B. die OERcamp Reihe in Form von Webinaren sowie die ausgearbeiteten Kurse dazu. Auf sehr viel Fragen, die mich in diesem Jahr zum digitalen Lehren und Lernen erreicht haben, musste ich gar nichts mehr selbst schreiben oder aufzeichnen, sondern konnte meist auf ein Material eines Kollegen oder einer Kollegin verweisen.
  4. Auffindbarkeit von freien Bildungsmaterialien verbessert sich: Die unter Punkt 3 beschriebene erweiterte Basis von freien Bildungsmaterialien ist umso wertvoller, da endlich die Frage der Auffindbarkeit systematisch angegangen wird. Mit WirLernenOnline und Mundo entstehen zwei bundesweite Plattformen, die unter anderem über Schnittstellen versuchen, bestehende Materialdatenbanken in einer zentralen Suche zu bündeln. Ich bin sehr gespannt, ob und wie erfolgreich das sein wird.
  5. Solidarische und offene Lösungen: Ich fand es toll, mitzuerleben, wie viele Menschen ‘einfach so’ solidarische und gut funktionierende Lösungen für Herausforderungen entwickelt haben. Eines meiner Highlights ist hier zum Beispiel Senfcall: Über eine Crowdfunding Kampagne hat eine Gruppe von Studierenden Geld eingeworben, um stabil funktionierende Server für offen nutzbare BigBlueButton-Videokonferenzräume zur Verfügung zu stellen. Oder die ZUM, die eine Speicher- und Teilmöglichkeit für schulische H5P-Inhalte geschaffen hat.
  6. Familiäre Vereinbarkeit: Wenn ich den ‘Konferenz-Monat’ November im Jahr 2019 mit dem im Jahr 2020 vergleiche, dann war es zwar auch in diesem Jahr stressig. Zumindest klappte aber die familiäre Vereinbarkeit deutlich besser, weil ich überhaupt nicht unterwegs war – und auf diese Weise mindestens morgens und abends Zeit hatte. Das hat mich entspannt. (Außerdem haben meine Kinder jetzt zumindest ein bisschen ein realistischeres Bild von meiner Arbeit. Während sie davor dachten, dass meine Arbeit überwiegend darin besteht, irgendwohin zu fahren, wo es eine Candy-Bar und damit Süßigkeiten umsonst gibt, haben sie dieses Jahr erlebt: Mama sitzt vor Videokonferenzen, redet langweiliges Zeug und veröffentlicht uncoole Webseiten.)
  7. Open Source Mitgestaltung: Ich habe in diesem Jahr gleich drei neue H5P-Inhaltstypen (mit) angeregt. So konnte ich praktisch erleben, wie toll Open Source gestaltbar ist und wie wunderbar man sich einbringen kann – auch wenn man selbst nicht programmieren kann. Bereits in der offiziellen Software-Version ist die Möglichkeit zur Gestaltung von QR-Codes mit H5P aufgenommen. Die beiden weiteren Inhaltstypen sind der AR Scavenger zur Erstellung von Augmented Reality und ein Inhaltstyp zur Gestaltung eines Adventskalenders. Alle drei Inhaltstypen hat Oliver programmiert. Sehr großartig!
  8. Ausbau des persönlichen Lernnetzwerks: Weil alle fast nur online unterwegs waren und es sich herumgesprochen hat, dass beispielsweise Twitter ein wunderbares Medium für Austausch, Vernetzung und gemeinsames Lernen ist, konnte ich dort ganz viele neue und spannende Menschen, Projekte und Organisationen kennenlernen. Ich habe mich auch darüber gefreut, dass sich sehr viele Menschen neu bei Twitter angemeldet haben oder z.B. auch zum ersten Mal bei Fortbildungen zu Bildung in einer Kultur der Digitalität dabei waren. Im Ergebnis – so ist zumindest mein Eindruck – sind wir (= Menschen, die gute und zeitgemäße Bildung gestalten wollen), mehr geworden und besser vernetzt. Das ist toll!
  9. Raum für Experimente und Ausprobieren: 2020 war im Bildungsbereich meiner Erfahrung nach an vielen Stellen von einer Stimmung des Ausprobierens geprägt. Ganz oft hatte ich Gelegenheit, z.B. bei Fortbildungsinstituten Alternativen zu den ursprünglich sehr traditionell gedachten Anfragen vorzuschlagen. Es gab viel Offenheit, zu experimentieren, Fehler zu machen und gemeinsam zu lernen.
  10. Viel Achtsamkeit und Wertschätzung: Während es für ‘nett und achtsam sein zu anderen’ im analogen Raum jede Menge bekannte und sozial verankerte Möglichkeiten gibt, muss das im virtuellen Raum oft noch erlernt werden. Welche Möglichkeiten gibt es z.B. für kleine Gesten wie die Tür aufhalten, die Schokolade teilen oder einen Kaffee mitbringen? Umso mehr fand ich es bemerkenswert und habe mich gefreut, wieviele Menschen sich bewusst Zeit genommen haben, um Wertschätzung zu zeigen und Danke zu sagen für geteilte Inhalte bzw. auch einfach allgemein in Kontakt zu bleiben. Mein subjektiver Eindruck ist, dass diese Art der bewussten Austausch- und Kommunikationsgestaltung im Laufe des Jahres zugenommen hat. Eine gute Basis für die nächsten Monaten, in denen zumindest meine Bildungs-Aktivitäten sehr wahrscheinlich weiterhin fast ausschließlich online stattfinden werden.

Und Du?

Wie hast Du 2020 aus pädagogischer Perspektive erlebt? Ich bin gespannt, von Deinen Eindrücken zu lesen.


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