Wie mache ich aus meinem Präsenz-Workshop ein Online-Lernangebot?

In ‘normalen Zeiten’ gehört das Angebot von Präsenz-Workshops mit zu meinen häufigsten Tätigkeiten. Meist handelt es sich um eintägige Bildungsangebote in Gruppen von ca. 15 Personen, bei denen z.B. ein Einstieg in Open Educational Resources (OER) stattfindet, ein Tool wie H5P kennen gelernt wird oder gemeinsam über Realisierung von digital-unterstützter Bildung gelernt wird. In der aktuellen Situation der Corona-bedingten sozialen Distanz können diese Workshops nicht wie gewohnt stattfinden. Aber müssen sie deshalb ausfallen? Ich finde: Nein! In diesem Blogbeitrag teile ich mein ‘Quick and Dirty’-Konzept zur Umgestaltung von Präsenzworkshops in ein Online-Format. Mein Ziel damit ist insbesondere denjenigen eine praxisorientierte Anleitung an die Hand zu geben, die jetzt nach einfachen und direkt umsetzbaren Lösungen für Workshop-Alternativen suchen. Denn das Schöne an dem Konzept ist: Wenn Du damit arbeiten willst, brauchst Du keine installierte Lernplattform und nicht mal eine eigene Website – sondern kannst dank offener Webtools direkt starten.

1. Zeitlich strecken

Die meisten Anfragen, die ich aktuell in Hinblick zu Workshops bekomme, lauten: ‘Wir hatten doch den Workshop xyz vereinbart. Können wir den auch Online stattfinden lassen?’ Damit verbunden ist die Erwartung, dass sich die Lerngruppe, die sich ansonsten in Präsenz für einen Tag an einem bestimmten Ort getroffen hätte, nun eben für einen Tag oder mindestens ein paar Stunden in einem Video-Konferenz-Raum trifft … Damit wäre das Lernangebot dann abgeschlossen.

Ich halte diese direkte Übertragung von Präsenz auf Online weder für angenehm für alle Beteiligten, noch für sehr wirkungsvoll. Denn erstens muckt bei irgendwem die Technik immer (gerade, wenn man auch Workshops in der Provinz gibt). Und zweitens ist angesichts der aktuellen Doppelbelastung für viele durch Home-Office (wenn man mit Kindern wohnt oft auch mit Home-Schooling) und dann auch noch Home-Fortbildung Flexibilität und ‘Lernen im eigenen Tempo’ noch viel wichtiger als sonst.

Die erste ‘Regel’ bei der Gestaltung eines Online-Angebots anstelle eines Präsenz-Workshops lautet deshalb: Zeitlich strecken! Gut finde ich für einen eintägigen Präsenz-Workshop ein ca. 4tägiges Online-Format, in dem die Teilnehmenden zum größten Teil selbstbestimmt und flexibel lernen können.

2. Mini-Online-Lernumgebung einrichten

Ein Online-Lernangebot sollte eine Online-Lernumgebung haben. Gemeint ist damit eine Adresse im Netz, auf der Teilnehmende alle Informationen finden, die sie zu dem Lernangebot brauchen. Sie muss für Teilnehmende insbesondere die folgenden Fragen beantworten: Was passiert wann? Wo finde ich was? Was muss ich zur Beteiligung beachten/ was brauche ich dazu? Wo finde ich Hilfe bei Fragen? Vor diesem Hintergrund ist die ‘Online-Lernumgebung’ also praktisch nicht viel mehr als eine Online-Linkliste – und schnell gestaltet.

Hilfreiche Tools zum Einrichten einer Online-Lernumgebung sind zum Beispiel telegra.ph. Damit kannst Du anonym und ohne Anmeldung, Inhalte im Netz veröffentlichen. Wer mehr Gestaltungs- und vor allem flexible Anpassungsmöglichkeiten sucht (und vor HTML nicht erschrickt) kann auch die Plattform Glitch nutzen. Hier findest Du eine Muster-Online-Lernumgebung. Du kannst sie Dir direkt remixen – und Deine eigene Lernumgebung gestalten und teilen.

3. Flipped-Angebot zum Einstieg überlegen

Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, ein Online-Lernangebot nicht mit Präsenz zu starten, sondern mit einem vorgeschalteten nicht-synchronen Angebot. Gute Möglichkeiten dazu können sein, eine Mentimeter-Umfrage unter den Teilnehmenden zu Erwartungen zu machen (schöne Ergebnisse gibt es mit der Schlagwortwolke) oder auch nur eine simple Vorstellung mit ein paar Sätzen in einem Etherpad (Der stabilste Server für Etherpads ist meiner Einschätzung nach gerade yourpart.eu, aber auch sonst gibt es viele offene Etherpad-Installationen im Netz).

Außerdem lohnt es sich, ein paar Materialien zum Einstieg in das Thema zur Verfügung zu stellen. Diese müssen in der Regel nicht neu gestaltet werden, denn das Netz ist voll mit Lerninhalten. Die Kunst liegt hier in der klugen Kuratierung: Welche Inhalte helfen Teilnehmenden am besten dabei, gut in das Thema einzusteigen? Schön ist es auch, schon bestehende Materialien mit ergänzenden, selbst gestalteten Materialien ‘aufzuwerten’. Beispiel: Ich nutze einen gefundenen Blogbeitrag als Lerninhalt – und ergänze dazu einen von mir gestalteten H5P-Inhalt, mit dem Teilnehmende überprüfen können, ob sie die wesentlichen Punkte verstanden haben.

4. Webinar (= synchroner Termin) für Austausch konzipieren

Einen synchronen Austausch finde ich im im nächsten Schritt sinnvoll. Er sollte nicht länger als eine Stunde sein – und es ist dabei noch wichtiger als in Präsenz-Formaten, sich vorab Gedanken über das Ziel dieses Webinar-Parts zu machen – und dann den zeitlichen Ablauf möglichst gut zu planen. Zentral ist für mich, dass Teilnehmende motiviert werden/ bleiben, sich mit den Lerninhalten zu befassen – und sich direkter mit Kolleg/innen austauschen können. Darum gibt es bei mir weniger Input, sondern mehr gut angeleiteten Austausch.

Bei bis zu 12 Teilnehmenden (und mit viel mehr ließe sich das genannte Ziel ohnehin nicht erreichen – bei größeren Gruppen schlage ich vor zwei Termine anzubieten), finde ich Jitsi die beste, weil niederschwelligste und einfachste Video-Konferenz-Lösung. Jitsi ist Open Source – und alles, was ich tun muss, ist eine Video-Umgebung so einzurichten, wie ich auch ein Etherpad einrichten würde – und dann den Link zu teilen. Bei Teilnehmenden mit wenig Video-Konferenz.Erfahrung ist das Angebot eines ‘Technik-Checks’ ca. 30 min vor dem eigentlichen Termin (oder auch schon am Vortag) eine gute Idee.

Bei vielen Teilnehmenden mit schlechter Netzanbindung ist statt Video- eine einfache Telefonkonferenz oft die bessere Lösung. Die Handzeichen-App von Glitch kann in diesem Fall die Gesprächsführung vereinfachen.

5. Erkundungsaufgaben mit Support anbieten

Der wichtigste Teil des Online-Angebots sind für mich ‘Erkundungsaufgaben’ zu dem Thema des Online-Lernangebots, die Teilnehmende selbstbestimmt und flexibel bearbeiten können. Weitergegeben werden können diese über die Mini-Lernumgebung. Dort sollte auch zu einer kollaborativen Schreibumgebung verlinkt werden, in der ‘Ergebnisse’ geteilt und kommentiert werden können. Ein simples Etherpad gerät dabei schnell an die Grenzen. Ich verwende stattdessen gerne CodiMD. Durch die Markdown-Basierung können hierüber z.B. auch von Teilnehmenden gestaltete H5P-Inhalte geteilt und Bilder oder Videos eingebettet werden.

Parallel zu den Erkundungsaufgaben sollte es das Angebot eines Online-Supports geben. Ich organisiere diesen meist per Mail. Wenn sich eine Frage nicht einfach klären lässt, kann ich mich individuell mit einer teilnehmenden Person im dann schon bekannten Jitsi-Raum verabreden – oder eben auch telefonisch. Dank der eingerichteten Online-Umgebung können sich Teilnehmende oft auch untereinander helfen.

6. Abschluss & Reflexion ermöglichen

Wie der Abschluss gestaltet wird, hängt von den Teilnehmenden und dem Thema ab. Denkbar ist sowohl ein weiteres Webinar-Format, als auch eine ähnliche Gestaltung wie beim Einstieg: mit Umfrage oder Etherpad. Bei der Webinar-Variante können z.B. vorab noch offene Fragen gesammelt und dann beantwortet werden.

Wer Teilnehmenden zusätzlich zum Abschluss eine Möglichkeit geben will, ihren eigenen Lernprozess zu reflektieren und Vorsätze zu fassen, kann auf das Tool Mailnudge verweisen.

Fazit: es funktioniert!

Für mich funktioniert diese Variante gut. Probiere sie gerne auch für Dich und Deine Online-Lernngebote aus. Ich freue mich, wenn Du Deine Erfahrungen teilst. Und wenn Du / Deine Organisation Interesse hat, ein solches Online-Lernangebot mit mir gemeinsam durchzuführen, dann meldet Euch gerne.


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