Asynchron-synchrone Lernformate

In diesem Blogbeitrag möchte ich mein Experiment mit einem asynchron-synchronen Lernformat vorstellen. Das Experiment hat mit sehr viel Freude gemacht und ich werde ganz bestimmt noch mehr in diese Richtung ausprobieren.

Was ist ein asynchron-synchrones Lernformat?

Kurz gefasst ist ein asynchron-synchrones Lernformat eine Lernform, bei der sowohl asynchron (d.h. zeitversetzt) gelehrt und gelernt wird, als auch synchron (d.h. zur gleichen Zeit). In unserem Fall war es so, dass ich eine Aufzeichnung vorbereitete, die Lernende dann im Rahmen eines Online-Live-Termins gemeinsam nutzen und sich dabei dazu austauschen konnten.

Warum kann ein asynchron-synchrones Lernformat eine gute Idee sein?

Zunächst einmal klingt die Beschreibung eines asynchron-synchronen Lernformats für die eine oder andere Person vielleicht nicht unbedingt neu, geschweige denn vielversprechend. Man könnte einwenden, dass es eben einfach eine Aufzeichnung ist, wie man sie in Online-Konferenzen zur Genüge erlebt – und oft genervt davon ist. Denn: um eine Aufzeichnung anzuschauen, muss ich mich doch nicht live mit anderen treffen, sondern könnte das dann machen, wenn es bei mir reinpasst (wenn es mich denn überhaupt interessiert)…

Den ersten Unterschied zu einer einfachen Aufzeichnung und meinem Experiment sehe ich darin, dass ich in der Aufzeichnung bewusst auf das gemeinsame, synchrone Lernen orientiere. Das bedeutet: nicht jeder für sich schaut zu, sondern es wird tatsächlich gemeinsam Video geschaut. Das zeigt sich unter anderem daran, dass der Chat genutzt wird und so alle davon profitieren, dass man eben nicht alleine vor dem Bildschirm sitzt. Zweitens ist der Input beteiligungsorientiert gestaltet, d.h. Lernende schauen nicht einfach nur zu, sondern werden eingeladen, aktiv etwas auszuprobieren und mitzumachen. Und drittens ist die Aufzeichnung eingebettet in einen größeren Rahmen (hier das Programm vor und nach dem Workshop im Live-Termin und auch der kontextualisierende MOOC).

Bei solch einer Gestaltung kann ein asynchron-synchrones Lernformat aus meiner Sicht viel Potential haben:

  • Es baut eine Brücke für Menschen, denen es nicht reicht, nur auf Selbstlernangebote verwiesen zu werden, sondern lieber gemeinsam und zu einem festen Termin mit anderen lernen. Das kann insbesondere hilfreich sein bei Fortbildungen, in denen strukturiert ein praxisorientierter Einstieg in ein Thema gesucht wird.
  • Es stärkt die Lernenden als Gruppe: sie entscheiden, was sie wie und wann lernen wollen. (Anders als beim Selbstlernen, aber eben nicht jede Person für sich, sondern alle gemeinsam)
  • Es ermöglicht eine stringente Gestaltung eines Lernmaterials, die Menschen schnell ins Experimentieren und Machen bringt (das war gerade bei meinem Thema des Design Thinking hilfreich).
  • Es entstehen Materialien, die auch in anderen Kontexten weitergenutzt werden können. Unter anderem können Aufzeichnungen in dieser Form z.B. gezielt als Impuls für Mikrofortbildungen und Einstiegsfortbildungen gestaltet werden. Für die OER-Erstellung ist das ein spannendes Feld!
  • Die Asynchronität ermöglicht auch Kombinationsmöglichkeiten mit Lernen vor Ort: Menschen treffen sich an einem gemeinsamen Ort, um gemeinsam ein Video zu schauen und darüber ins Machen und Gestalten zu kommen. Auch auf diese Weise werden Lernende gestärkt.
  • Es wird von einer veränderten Rolle von Pädagog*innen ausgegangen und an dieser weitergedacht. Konkreter bedeutet das: Ich gestalte als lehrende Person nicht eine Unterrichtsstunde, ein Seminar oder einen Workshop, sondern ermögliche, konzipiere, unterstütze und begleite Lernprozesse. Dabei kann ich mich zum Teil auch zurücknehmen und ‘ertragen’, dass aus einem freigegebenen Material vielleicht etwas ganz anderes entsteht, als ich ursprünglich intendiert hatte.
  • Es ermöglicht mir als lehrende Person Prioritätensetzungen hin zu gezielter Unterstützung, Beratschlagungen, individuellen Fragen, Weiterdenken …, wenn ich gerade beim Einstieg in ein Thema auf mehrfach nutzbare Materialien verweisen kann.

Wie lässt sich ein asynchron-synchrones Lernformat umsetzen?

Wie dargestellt benötigt man für ein asynchron-synchrones Lernformat so wie ich es gestaltet hatte vor allem eine Aufzeichnung, in der Schritt-für-Schritt ein Thema zum Mitmachen aufbereitet wird.

Ich habe für die Aufzeichnung das Tool Classroomscreen genutzt und war damit sehr zufrieden. Eigentlich ist Classroomscreen vor allem ein Tool, das in Vor-Ort-Veranstaltungen genutzt werden kann, um anzuzeigen, um welches Thema es gerade geht, QR-Codes zu teilen oder Aufgabenstellungen aufzuschreiben. All das ist auch für eine Aufzeichnung für asynchron-synchrone Lernformate hilfreich. Zusätzlich gibt es die wunderbare Möglichkeit bei der Einbettung von Medien auf dem Classroomscreen auch ‘Webcam’ zu wählen. Auf diese Weise kann man sich somit auch selbst auf die Pinnwand packen.

Aufgezeichnet wird dann mit einem Aufzeichnungstool der eigenen Wahl. Wer hier nichts anderes hat, öffnet für sich selbst einen Videokonferenzraum, schaltet dort die Kamera aus (das ist wichtig; zumindest bei mir, gab es sonst Probleme bei der Darstellung im Classroomscreen) und teilt dann den eigenen Bildschirm, auf dem man zuvor den Classroomscreen inklusive der Webcam-Übertragung geöffnet hat. Dann nur noch auf Aufnahme drücken – und fertig!

Ich finde es hilfreich und authentisch aus einem Guss aufzunehmen – und in diesem Sinne auch Pausen zur Bearbeitung mit aufzuzeichnen. Lernende müssen dann gar nicht zwischendrin stoppen. Damit das funktioniert und man zwischendrin neben dem Sprechen nicht auch noch immer Sachen eintippen oder reinkopieren und neu auf dem Classroomscreen platzieren muss, bin ich folgendermaßen vorgegangen.

  • Da auf dem Classroomscreen tendenziell viel angezeigt wird, habe ich mich ansonsten für einen sehr schlichten Hintergrund (eine Tafel) entschieden. Das wirkte auf mich besser, als auch hier noch einen bewegten Hintergrund oder ein sehr detailreiches Bild zu wählen.
  • Dauerhaft platziert habe ich einen Countdown. Es geht relativ schnell hier die Minuten immer wieder neu einzustellen und ihn dann für jede Aufgabe herunterlaufen zu lassen.
  • Ich selbst bin in der Webcam die ganze Zeit über präsent geblieben und habe diese also nicht ausgestellt. Bei längeren Pausen kann ich mir auch vorstellen, aus dem Bild zu gehen. Die Webcam-Kachel würde ich aber dennoch die ganze Zeit geöffnet lassen. Das ist vergleichbar mit einer Videokonferenz, bei der es Teilnehmenden hilft, wenn sie das Video der moderierenden Person immer von der gleichen Stelle aus sehen und das nicht hin- und herspringt oder mal gar nicht da ist.
  • Ich habe über Medien nicht nur meine Webcam geteilt, sondern noch zwei Bilder mit transparentem Hintergrund: einmal einen Ablauf des Workshops mit Symbolen und einmal einen Pfeil. Die konnte ich dann an die Seite platzieren. Durch den transparenten Hintergrund lässt sich der Pfeil dann leicht verschieben, um anzuzeigen, wo man sich gerade befindet.
  • Die Aufgabenstellungen habe ich vorab alle untereinander mit jeweils mehreren Leerzeilen dazwischen in ein Textfeld geschrieben. Die Größe habe ich so eingestellt, dass immer nur jeweils eine Aufgabenstellung zu sehen war. Wenn ich dann eine neue Aufgabe ankündigte, musste ich nur runter scrollen.
  • Zusätzliche Inspirationen, die die Teilnehmenden nutzen konnten, habe ich via Link und QR-Code eingeblendet. Die Idee war, dass Teilnehmende hierfür ihr Smartphone nutzen. Ich habe die QR-Codes übereinander in der gleichen Größe platziert. So war immer nur der jeweils aktuelle QR-Code sichtbar. Wenn ich den nächsten anzeigen wollte, löschte ich den davor. So musste ich auch hier nichts zwischendrin eintippen und konnte mich aufs Sprechen konzentrieren.
  • Zu Beginn habe ich bewusst 1-2 Minuten ‘Ankommensgeplapper’ gemacht – und dann erst ‘richtig’ gestartet, so dass das Video tatsächlich ohne Stopp durchgespielt werden kann.

Geteilt werden kann das fertige Video dann von der moderierenden Person während des Live-Termins entweder über Bereitstellung auf Youtube oder Nutzung der Videodatei.

Kann ich ein Beispiel sehen?

Mein Beispiel war wie dargestellt ein Mini-Design-Thinking Workshop für den EBmooc focus zum Thema ‘Entwicklung innovativer Lernformate’. Die Teilnehmenden waren hier zunächst im Plenum und konnten sich dann für unterschiedliche Workshops entscheiden, die jeweils 30 Minuten dauerten. Hier kannst Du Dir das Video ansehen (und natürlich gerne auch weiternutzen):

Hier klicken, um den Inhalt von YouTube anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von YouTube.

Das erste Feedback zu diesem Experiment war übrigens sehr positiv. (Besonders nett fand ich, dass eine teilnehmende Person schrieb: ‘Nele wirkte sehr präsent’.) Ich freue mich sehr über weitere Einschätzungen aus der Runde der gestrigen Teilnehmenden!

Fragen, Ideen und Erfahrungen?

Soweit also ein kurzer Bericht zu meinem gestrigen Experiment. Die Methode des Design Thinking und die Entwicklung innovativer Lernformate als Thema war hierzu natürlich wunderbar passend. Meine nächste Idee ist nun, für einzelne Einstiegsfortbildungen ähnliche Angebote zu konzipieren. Wenn Du mit überlegen und/ oder eigene Ideen teilen willst, dann geht das z.B. unter diesem Tweet.


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