Lösungen für die ‚Flipped‘-Praxis

‚Flippen‘ von Inhalten (d.h. die Vorab-Bereitstellung von Inhalten, mit denen sich Lernende im eigenen Tempo auseinandersetzen können, um dann beim synchronen Treffen mehr Zeit für Fragen und Austausch zu haben) ist eine ziemlich kluge pädagogische Idee. Leider gibt es in der Umsetzung immer wieder das Problem, dass Lernende eben doch nicht mit ähnlichem Wissenstand zum synchronen Lernangebot kommen. Stattdessen hat sich ein Teil mit dem Flipped-Angebot auseinander gesetzt, ein anderer Teil aber nicht. Was kann man in dieser Situation als Pädagog*in tun? In diesem Blogbeitrag stelle ich fünf Optionen vor, die ich für diesen Fall selbst erlebt oder ausprobiert habe – von nicht empfehlenswert bis ziemlich gut.

1. „Dann machen wir es jetzt eben nochmal gemeinsam!“

Diese erste Option erlebe ich als Teilnehmerin mit am häufigsten – und finde sie für alle Beteiligten am wenigsten zufriedenstellend. Sie sieht so aus, dass die lehrende Person zu Beginn des synchronen Angebots fragt, ob alle die Flipped-Materialien durchgesehen haben. Wenn das ein relevanter Teil verneint, meint sie: ‚Das macht gar nichts. Dann erkläre ich das jetzt noch einmal für alle ganz in Ruhe!‘.

Blöd finde ich das, wenn ich zu denjenigen gehöre, die sich die Sachen vorab angesehen haben. Denn dann bin ich jetzt einfach gelangweilt. Wenn ich zu denen gehöre, die die Sachen nicht durchgearbeitet haben, dann werde ich das beim nächsten Mal ganz bestimmt wieder nicht machen. Denn ich sehe ja, dass es gar nicht nötig ist. Und als Pädagog*in ist es frustrierend, weil ich im Prinzip noch einmal genau das Gleiche vorstelle, was ich schon in den Flipped-Materialien aufbereitet hatte.

Fazit zu dieser Option: Möglichst nicht machen!

2. „Dann habt ihr eben Pech gehabt!“

Während in der ersten Option, das Wiederholen der Inhalte allen auf die Füße fällt, kann man als Pädagog*in natürlich auch genau gegenteilig reagieren und sich auf die konzentrieren, die sich die Inhalte durchgesehen haben. Mit denen findet dann der Austausch statt. Wer es nicht gemacht hat, kann eben nicht sinnvoll teilnehmen.

Ich mag diese Option schon ein bisschen mehr, als die erste, weil sie zumindest die Perspektive beinhaltet, dass Teilnehmende daraus lernen und beim nächsten Mal dann besser vorbereitet kommen. Oft handelt es sich aber auch nur um einmalig stattfindende Workshops. Und in jedem Fall ist es nicht zufriedenstellend, einen Teil der Gruppe einfach so zurückzulassen.

Fazit zu dieser Option: Nur zur Not anwenden!

3. „Dann macht ihr es eben jetzt!“

Anstatt die Lernenden, die sich nicht mit den Flipped-Materialien auseinander gesetzt haben, einfach sich selbst zu überlassen, gibt es die bessere Option, dass sie sich dann eben anstelle des synchronen Lernangebots mit den Flipped-Materialien auseinandersetzen können. Dazu richtet man einfach zwei Gruppen ein: In der ersten Gruppe sind alle die, die das Flipped-Angebot kennen. Mit denen gestaltet man dann das Lernangebot wie geplant. In der zweiten Gruppe sind alle die, die das Flipped-Angebot nicht kennen. Die haben dann jetzt anstelle des synchronen Lernangebots die Möglichkeit, die Flipped-Materialien durchzusehen – und sie können sich dabei auch noch mit anderen, denen es genauso geht, austauschen.

Fazit zu dieser Option: Besser als Variante 1 und 2!

4. „Dann müsst ihr eben früher da sein!“

Diese Option habe ich als Idee von der Plattform Selbstlernen geklaut. Sie funktioniert so, dass man direkt vor dem synchronen Lernangebot einen Zeitslot anbietet, in dem alle, die es vorher nicht geschafft haben, sich mit den Flipped-Materialien beschäftigen können. Besonders gut klappt das, wenn das Flipped-Angebot ein Video ist. Dann setzt man sich einfach zusammen hin und schaut sich das Video an. Wer das schon vorab Zuhause gemacht hat, kann ausschlafen – oder auch trotzdem schon früher dazu kommen und die Inhalte noch einmal rekapitulieren.

Fazit zu dieser Option: Kann sehr gut funktionieren!

5. „Dann helfen wir uns gegenseitig!“

Diese Option ist aktuell meine Lieblingsvariante. Sie verbindet den Flipped-Ansatz mit Peer-to-Peer Lernen. Dafür erinnert man zu Beginn des synchronen Lernangebots kurz daran, was die Inhalte des Flipped-Lernangebots waren. Anschließend werden alle Teilnehmenden in Kleingruppen aufgeteilt. Die Aufgabe ist es, erstens die Flipped-Inhalte gemeinsam zu rekapitulieren und zweitens in der Gruppe noch offene Fragen zu sammeln, die dann im Plenum beantwortet werden. Dieser Weg funktioniert dann besonders gut, wenn das synchrone Lernangebot ohnehin überwiegend zur Frageklärung gedacht war. Die Kleingruppen sind dann ein bisschen so etwas wie vorgeschaltete ‚Murmelrunden‘. Und in den Kleingruppen klappt es meist sehr gut, dass evtl. vorhandene Lücken geschlossen werden. Die, die sich das Flipped-Angebot nicht angesehen haben, holen sehr schnell ein, weil sie sehr gezielt fragen können. Wer Bescheid weiß, kann helfen und durch dieses ‚Lernen durch Lehren‘ das eigene Wissen festigen.

Fazit zu dieser Option: Gefällt mir gut!

Und sonst?

Die vorgestellten Optionen sind immer dann erforderlich, wenn das Flipped-Angebot nur von einem Teil der Lernenden durchgearbeitet wurde. Damit es dazu erst gar nicht kommt, sondern möglichst alle Lernenden vorbereitet kommen, helfen die folgenden Dinge:

  1. Transparente und klare Kommunikation darüber, was im Vorfeld gemacht werden soll.
  2. Berücksichtigung der Zeit, die für das Flipped-Angebot benötigt wird – z.B. in den anzurechnenden Fortbildungsstunden.
  3. Niederschwelliger Zugang zu den Flipped-Materialien, die übersichtlich und gut gestaltet werden sollten.

Ich habe außerdem auch gute Erfahrungen mit ‚Sandwich‘-Modellen gemacht: ein kurzer, synchroner Auftakt mit Kennenlernen und Vorstellen der Flipped-Materialien, anschließend die Selbstlernphase und danach dann das ‚richtige‘ synchrone Lernangebot.

Soweit ein schneller Überblick zu meinen Erfahrungen. Ich wünsche Dir viel Erfolg beim ‚Flippen‘!


Das Beitragsbild ist ein gemeinfreies Bild aus Wikimedia Commons


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