Hackathon zur Methodenentwicklung

Ich bin auf der Rückfahrt von einem Wochenend-Lernangebot mit dem Trägernetzwerk Politische Bildung des DGB. In Form eines Hackathons haben wir niederschwellige Methoden für die aufsuchende politische Bildungsarbeit angesichts von Transformationsprozessen entwickelt. Das Konzept ging wunderbar auf und brachte sehr viele und gute Ergebnisse. Zudem hat es allen Beteiligten und auch mir viel Freude gemacht. Da ich es außerdem für gut anpassbar halte, möchte ich es in diesem Blogbeitrag teilen. Vielleicht kannst du es für dich weiternutzen.

1. Rahmen der Veranstaltung

Das Ziel der Veranstaltung war die Methodenentwicklung für die gewerkschaftliche Bildungsarbeit. Im Fokus standen dabei Methoden, die möglichst niederschwellig sein sollten, d.h. nicht von einem klassischen Seminarkontext ausgehen. Inhaltlicher Ausgangspunkt waren gesellschaftliche Transformationsprozesse. Teilgenommen haben 14 Personen mit unterschiedlichen Hintergründen (Betrieb, Bildungsarbeit, Transformationsinitiativen …). Das Konzept wäre auch für größere Gruppen skalierbar. Für den Erfolg waren die vielfältige Hintergründe der Teilnehmenden wichtig. Das Lernangebot fand als Vor-Ort-Veranstaltung statt, was für die intensive gemeinsame Arbeit sehr hilfreich war. Wir hatten von Freitagnachmittag bis Sonntagmittag Zeit.

2. Dreiteiliger Ablauf: Einstieg – Design Thinking – Entwicklung

Das entwickelte Konzept lässt sich grob in drei Teile unterteilen:

  1. Beim Einstieg am Freitagnachmittag ging es um das Kennenlernen und eine thematische Orientierung (Was bedeutet überhaupt Transformation? Was ist der gewerkschaftliche Blick darauf? Wie erleben Teilnehmende Transformationsprozesse?)
  2. Den Samstag haben wir uns den ganzen Tag Zeit genommen für die kreative und spielerische Ideenentwicklung.
  3. Der Sonntagvormittag war für die Ausarbeitung und Verschriftlichung der entwickelten Methoden vorgesehen.

2.1 Einstieg

Den Einstieg am Freitagnachmittag haben wir bewusst getrennt vom eigentlichen Hackathon gestaltet. Für die Durchführung waren hier die Kolleginnen vom Trägernetzwerk verantwortlich. Das hatte den Vorteil, dass sie den inhaltlichen Rahmen so setzen konnten, wie sie es für wichtig hielten. Außerdem hatten die Teilnehmenden Zeit zum Ankommen und Einfinden. Gestaltet war der Einstieg in diesem Sinne mit einer klassischen Präsentation und einer Austauschrunde der Teilnehmenden.

Am Ende habe ich einen ganz kurzen Ausblick auf die nächsten beiden Tage gegeben. Wichtig war es hier vor allem, die Teilnehmenden darauf vorzubereiten, dass sie kein ‚klassisches‘ Seminar erwartet und sie dazu einzuladen, sich auf kreatives und kollaboratives Lernen – zum Teil auch in einem engen ‚Timeboxing‘ – einzulassen. Natürlich hatten wir das auch schon bei der Ankündigung so beschrieben – und hatten es vor diesem Hintergrund mit einer wunderbaren, sehr aufgeschlossenen und neugierigen Gruppe zu tun :-)

2.2 Design Thinking

Am Samstag starteten wir dann in den Hackathon. Dafür war es wichtig, dass die Teilnehmenden direkt in Bewegung und miteinander ins Gespräch kamen. Gerade zu Beginn bin ich mit klassischen „Energizern“ aber eher vorsichtig, da ich die Gruppe noch nicht gut kenne. Ein schöner Einstieg, der in dieser Situation gut passt, ist die einfache Aufforderung: ‚Lauft durch den Raum und begrüßt euch gegenseitig mit einem freundlichst-möglichen „Guten Morgen“ und wünscht euch viel Motivation für den anstehenden gemeinsamen Prozess.‘

Danach haben wir drei Methoden genutzt, um das ‚Einfühlen‘ in das Thema zu ermöglichen. Für jede Aufgabe lief jeweils ein Countdown, d.h. es stand immer nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung:

  • Um die Herausforderung des Wochenendes (= wir entwickeln niederschwellige Methoden für die politische Bildungsarbeit angesichts von Transformationsprozessen) für alle Beteiligten zu klären, erhielt jede*r Teilnehmer*in eine „Blanko“-Postkarte und die Einladung, an eine externe Person, die sich nicht mit diesem Thema auskennt, eine Postkarte zu schreiben. Die Teilnehmenden sollten darauf so einfach wie möglich erklären, was das Vorhaben ist. Malen, Zeichnen und Schreiben war gleichermaßen erlaubt. Die Karten wurden dann an eine andere Teilnehmer*in weitergegeben, so dass man nicht nur seinen eigenen, sondern auch einen anderen Blick auf das Thema erhielt.
  • Mit der Methode „Stille Post – Gruppenpuzzle“ haben wir uns anschließend auf inhaltliche Knackpunkte verständigt. Dazu haben sich die Teilnehmenden in drei Gruppen aufgeteilt, die jeweils eine Frage erhielten und sich dazu austauschten. Eine Person aus jeder Gruppe lief dann mit dem Zettel zur nächsten Gruppe, stellte die bisherigen Überlegungen vor und fragte nach Ergänzungen. Dann lief eine andere Person weiter zur nächsten Gruppe … Auf diese Weise wanderten die Zettel einmal im Kreis und die Antworten wurden immer elaborierter. (Unsere Fragen waren: Was müssen Menschen angesichts von Transformationsprozessen wissen und können? Unter welchen Bedingungen führen Transformationsprozesse zu einem Gefühl von Ohnmacht? Was wäre aus organisatorischer Perspektive eine unkluge Strategie zum Umgang mit Transformationsprozessen?)
  • Schließlich haben wir Personas entwickelt und uns diese gegenseitig vorgestellt. Ich gehe hier gerne in zwei Schritten vor: Zunächst entwickelt jede*r Teinehmer*in für sich eine Persona (Wer ist das? Was mag die Persona, was nicht? Wo arbeitet sie? …). Anschließend erfolgt die gegenseitige Vorstellung in Kleingruppen anhand von Leitfragen, die den Bezug zum Thema herstellen. Bei uns war das: Wie erlebt diese Persona Transformationsprozesse? Wie kann/will diese Persona lernen?

Nach dieser „Einfühlungsphase“ ging es in die Ideenentwicklung. Auch dazu gab es drei Methoden:

  • Den Anfang machte die Methode „Kopfstand“. Die Aufgabe lautete, sich die denkbar dümmste Methode für unsere Herausforderung zu überlegen. Der Sinn davon ist, durch diese Gegentel-Überlegung das Denken zu öffnen. Ich habe diese mit der „1-2-4-all“-Methode der Liberating Structures kombiniert. Zu Beginn überlegte jede Person für sich, dann bildeten sich 2er-Teams, die entschieden, welche der individuellen Methoden besser ist oder ob sie aus den beiden ursprünglichen Methoden gemeinsam eine noch absurdere Idee entwickeln können. Die Paare brachten ihre Ideen dann in Vierer-Gruppen ein und versuchten, zu einer noch absurderen Idee zu gelangen. Anschließend stellte jede Vierer-Gruppe ihre Ideen vor. Die Kombination von „Kopfstand“ und der „1-2-4-all“-Methode ist perfekt, denn während beim individuellen Nachdenken die Teilnehmenden oft noch zögerlich sind, steigert sich das absurde Denken mit jeder Zusammenführung und der Spaß wird immer größer.
  • Die nächste Methode war ein „Assoziationen-Brainstorming“. Jede Person erhielt einen zufälligen Gegenstand (z.B. eine alte Kassette, eine Muschel, eine Feder …) und sollte sich überlegen, wie diese Gegenstände in Methoden eingesetzt werden oder wofür sie stehen könnten. Dieses Brainstorming wurde in Kleingruppen durchgeführt, wobei bewusst noch nichts festgehalten wurde. Es ging erstmal nur darum, wilde Ideen zu spinnen.
  • Auf Basis dieser Vorbereitungen konnten wir dann in eine strukturiertere Ideenentwicklung übergehen. Dazu nutzten wir die Methode des „Brainwritings“. Jede Person schrieb für sich drei Ideen auf (oder auch weniger, wenn einem nichts einfiel). Dann wurde der Zettel weitergegeben, und die nächste Person kommentierte alle entwickelten Ideen. Dabei konnten sowohl Ergänzungen im Sinne von „Ja, und zusätzlich wäre auch… super“ vorgenommen werden, als auch Alternativen im Sinne von „Wäre… nicht besser?“ Insgesamt gab es drei solcher Kommentierungsrunden, und dann erhielt die erste Person ihren Zettel wieder zurück.

An dieser Stelle war dann ein ausgezeichneter Zeitpunkt für eine ausführliche Mittagspause, da alle Teilnehmenden nach dieser Ideenentwicklung begeistert sind über das bereits Erreichte. Zugleich benötigen alle dringend Erholung, und die Ideen konnten in dieser Zeit weiter wachsen.

Nach der Mittagspause war das Ziel, aus den entwickelten Ideen die beste auszuwählen und diese dann weiterzuentwickeln. Dabei gingen wir folgendermaßen vor:

  • Jede Person nahm ihren Brainwriting-Zettel zur Hand. In Kleingruppen waren dann die weiterentwickelten Ideen von allen Brainwriting-Zetteln in dieser Gruppe die Grundlage, um sich gemeinsam auf die 3-6 besten Ideen zu einigen. Diese wurden im Sinne der „Fahrstuhl-Methode“ möglichst kurz und prägnant auf Metaplan-Karten geschrieben. Dafür nahmen wir uns etwa eine Stunde Zeit, da es viele Ideen zu sichten und zu überlegen gab.
  • Die ausgewählten Ideen wurden im Kreis herumgereicht. Jede zweite Person erhielt eine „Ideen-Karte“, las sie sich durch und stellte die Methode der nächsten Person im Uhrzeigersinn vor. Dabei sollte die eigene Einschätzung zu der Methode ergänzt werden. Anschließend nahm die zuhörende Person die Karte und stellte sie der nächsten Person vor. Dieser Vorgang wiederholte sich, bis alle Karten einmal durch den Kreis gewandert waren. Danach wurden alle Ideen an einer Pinnwand gesammelt.
  • Für den dann anschließend nächsten Schritt hatten wir Vorlagen zum Ausfüllen vorbereitet, die das gewünschte Format für die entwickelten Methoden vorgaben (Name, Kurzbeschreibung, Anzahl der Teilnehmenden, benötigte Moderationskompetenz, benötigte Materialien). Das Ziel war es nun, die Metaplan-Karten in dieses Format zu übertragen und wieder an die Pinnwand zu hängen. Den Teilnehmenden war dabei freigestellt, ob sie lieber allein oder in Gruppen arbeiten wollten. Die Zettel blieben als Ergebnis an der Pinnwand hängen.

Zum Abschluss dieses Tages nahmen wir uns noch Zeit für ein Prototyping. Dieses gestalteten wir als Rollenspiel. Dazu übernahmen zwei Personen aus der Gruppe die Rolle der Teamenden, wählten jeweils eine Methoden-Idee aus und probierten sie mit den übrigen Teilnehmenden möglichst konkret aus. (Dabei mussten wir manchmal improvisieren, wenn z.B. Materialien benötigt wurden, die nicht vor Ort verfügbar waren – es ging ja aber auch ’nur‘ um Prototyping und nicht um reale Durchführung.)

Das Prototyping diente als Grundlage für den Abschluss des Tages. In einer Runde sammelten wir zum einen in Form eines Blitzlichts, wie sich die Teilnehmenden fühlten, und zum anderen erfragten wir, wie sie das Rollenspiel erlebt haben. Daraus konnten wir eine Checkliste mit wichtigen Anforderungen ableiten, die bei der Ausarbeitung der Methoden am nächsten Tag beachtet werden sollten (z.B. klare Formulierung von Zwischenschritten, Visualisierung von Aufgabenstellungen …).

2.3 Ausarbeitung

Für den Sonntag hatten wir angekündigt, dass alle ein digitales Endgerät mitbringen sollten. WLAN war am Tagungsort vorhanden. Am Freitagabend hatten wir basierend auf den entwickelten Methoden eine kollaborative Etherpad-Arbeitsumgebung erstellt. Auf der Startseite, die als nicht bearbeitbar geteilt wurde, waren Pads für alle entwickelten Methoden verlinkt. Diese Pads waren bereits vorstrukturiert und kollaborativ bearbeitbar. Außerdem gab es die am Vorabend entwickelte Checkliste.

Zudem hatten wir alle Ideen auch analog als Zettel an der Pinnwand. Das Ziel war, dass die Zettel mit jedem Bearbeitungsschritt eine Pinnwand weiter wanderten. Diese Schritte waren vorgesehen:

  • Schritt 1: Verschriftlichung der bisherigen Ideen
  • Schritt 2: Weiterentwicklung/Ergänzung – auch unter Berücksichtigung der Checkliste, die beim Prototyping entwickelt wurde.
  • Schritt 3: Letzter Check und Fehlerkorrektur

Die Teilnehmenden konnten allein oder in Kleingruppen einen Zettel nehmen, diesen online bearbeiten und dann an die nächste Pinnwand hängen. Auf diese Weise war immer transparent, wer an welcher Methoden-Idee arbeitete.

3. Unsere Learnings und Empfehlungen

Der Hackathon hat insgesamt wunderbar funktioniert. Aus den Feedbackrunden nehmen wir folgende Learnings und Anregungen mit:

  • Sorgt für längere Pausen zwischendurch: Teilnehmende neigen dazu, eine Mittagspause von 2 Stunden im Vorfeld als zu lang zu empfinden. Gerade nach intensiven Ideenentwicklungsprozessen kann diese Dauer jedoch sehr hilfreich sein.
  • Richtet einen „Stillarbeitsraum“ ein, damit diejenigen, die sich für individuelle Bearbeitung entscheiden, in Ruhe arbeiten können (Bei den Methoden, wo das als Option angeboten wird)
  • Möglicherweise benötigt die Vorstellung der Methoden und die Einschätzung aus unterschiedlichen Perspektiven am Samstagnachmittag eine andere Methode als die von mir gewählte. Eine Rückmeldung war, dass mehr Zeit und Struktur dafür erforderlich gewesen wären.

4. Nächste Schritte

Wir haben insgesamt 14 Methoden entwickelt, von denen die große Mehrheit bereits fertig ausgearbeitet ist. Lediglich Schritt 3 (Letzter Check und Fehlerkorrektur) konnte nicht mehr abgeschlossen werden. Die Teilnehmenden sind nun eingeladen, im Laufe der kommenden Woche weitere Ideen zu den Methoden hinzuzufügen, falls gewünscht. Anschließend sollen sie zur Veröffentlichung aufbereitet und zur Weiternutzung geteilt werden.

5. Einladung zum Remix

Wir hatten mit dem Thema Transformationsprozesse und der Ausrichtung auf die gewerkschaftliche Bildungsarbeit einen sehr klaren Rahmen für unseren Hackathon. Dennoch glaube ich, dass eine Anpassung auf verschiedene Themen und Herausforderungen, bei denen eben auch Lernmethoden gesucht werden, sehr gut funktionieren kann. Falls Du es ausprobierst, wünsche ich Dir viel Freude – und freue mich, wenn Du von Deinen Erfahrungen berichtest!


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