Wie können Pädagog*innen das Internet möglichst nachhaltig und ressourcenschonend zum Lehren und Lernen nutzen?

Den Anstoß zu diesem Blogbeitrag gab eine Diskussion in einem meiner Workshops zum Lehren und Lernen im Internet. Ich stellte das Tool txt.fyi als eine Möglichkeit vor, um Informationen niederschwellig, offen und ohne Registrierung online zu stellen. Daraufhin kritisierten Teilnehmer*innen, dass solche Tools jede Menge ‚Datenmüll‘ produzierten. Und da wir als Pädagog*innen gerade auch beim Lernen mit digitalen Medien auf einen nachhaltigen Umgang mit Ressourcen achten sollten, würden sie solch ein Tool nicht nutzen wollen …

Während ich mit der Zielstellung der nachhaltigen, pädagogischen Arbeit im Internet sehr übereinstimmte, war ich skeptisch, ob der Vorwurf, dass mit diesem Tool ein nicht-nachhaltiger Umgang mit Ressourcen vorgelebt werde, tatsächlich stimmig ist. Ich nahm mir vor, noch einmal in Ruhe darüber nachzudenken, woran sich Nachhaltigkeit im Internet zeigt und worauf ich selbst als pädagogisch tätige Person bei meinen Internetangeboten achten sollte. Denn in der Tat empfinde ich hier einen Zwiespalt: Ich nutze das Internet zu einem großen Teil für meine pädagogische Tätigkeit und will mit dieser Tätigkeit insbesondere auch zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen – zugleich ist das Internet aber selbst in großen Teilen wenig nachhaltig. Wie kann ich also mit diesem Zwiespalt umgehen? In diesem Blogbeitrag stehen nun meine vorläufigen Antworten.

Manifest für ein nachhaltiges Internet

Sehr gut zur Orientierung zum Thema Internetangebote und Nachhaltigkeit geeignet ist das Manifest für ein nachhaltiges Internet (Sustainable Web Manifesto). Es listet kurz und prägnant sechs Kriterien auf, die nachhaltige Internetangebote erfüllen sollten. Ich mag daran besonders, dass der Ansatz ein ganzheitlicher ist. Das bedeutet: Es werden nicht nur ‚harte‘ Kriterien wie grünes Hosting oder andere technische Spezifika in den Blick genommen, sondern auch Nutzungskriterien wie Resilienz, Offenheit oder Ehrlichkeit. Auf diese Weise ist eine Übertragbarkeit in den pädagogischen Kontext sehr gut möglich. Lasst uns die sechs Kriterien der Reihe nach ansehen:

1. Sauber: Nachhaltige Internetangebote werden mit erneuerbaren Energien betrieben

Los geht es mit einem bereits oben erwähnten ‚harten‘ Kriterium: Wichtig für ein nachhaltiges Internetangebot ist, dass der dafür verwendete Server mit erneuerbaren Energien betrieben, d.h. die Website grün gehostet wird. Da die meisten Pädagog*innen bei eigenen Internetangeboten sicherlich keinen eigenen Server haben, sondern auf Hosting-Anbieter zurückgreifen, ist das Kriterium in diesem Fall recht einfach zu analysieren. Ich muss lediglich recherchieren, ob mein Hosting-Anbieter grünes Hosting realisiert. Wenn nicht, kann ich den Hosting-Anbieter wechseln.

Wenn ich für meine pädagogische Arbeit Internetangebote von anderen nutze, dann kann ich ebenfalls überprüfen, ob diese grün gehostet sind. Wenn nicht, kann ich den Anbieter*innen einen Wechsel empfehlen oder mich nach einer Alternative umsehen.

Um zu überprüfen, ob eine Website grün gehostet wird, hilft dieser Online-Check. Eine umfangreiche Übersicht von grünen Webhostern – filterbar nach Land – gibt es im Green Hosting Directory.

2. Effizient: Nachhaltige Internetangebote verbrauchen die geringstmögliche Menge an Energie und materiellen Ressourcen

Auch das zweite Kriterium ist nochmals recht technisch. Allerdings ist ein möglichst effizienter Ressourceneinsatz nicht ganz so offensichtlich, wie das oben dargestellte grüne Hosting. Es hilft, sich zunächst zu vergegenwärtigen, wodurch es bei Internetangeboten überhaupt zu Ressourcenverbrauch kommt.

  1. Es gibt den Ressourcenverbrauch auf meinem eigenen Gerät: Wenn ich Internetangebote nutze, verbraucht mein Gerät Strom. Ich merke das, weil der Akkustand geringer wird.
  2. Ressourcen werden über den genutzten Server verbraucht. Hier sind die Daten von Internetangeboten gespeichert, was Kapazitäten kostet, aber wovon ich als Nutzer*in auf meinem Gerät gar nicht direkt etwas mitbekomme.
  3. Der größte Ressourcenverbrauch ist die Netzinfrastruktur, die für die Übertragung der Daten zwischen den Geräten der Nutzer*innen und der Server sorgt.

Gerade beim dritten Bereich ist es nun wichtig zu differenzieren, welche dieser Ressourcen tatsächlich benötigt werden – und auch auf welche auch gut und gerne verzichtet werden kann.

Wenn in meinem Internetangebot z.B. ein Video zu finden ist, so müssen Daten zwischen Server und Gerät für das Streaming dieses Videos gesendet und empfangen werden. Ich kann hier Ressourcen sparen, indem ich z.B. darauf achten, in welcher Auflösung/ Größe ich mein Video zur Verfügung stelle bzw. ansehe. Außerdem kann ich mir auch immer überlegen, ob irgendwelche fancy Gimmicks tatsächlich zur Verbesserung meines Lernangebots beitragen – oder ob auch manches Mal vielleicht auch einfach ein simpler Text ausreicht.

Noch deutlicher ist überflüssiger Ressourcenverbrauch aber, wenn ein Internetangebot Werbeeinblendungen oder Tracking-Dienste beinhaltet. Dies macht das Internetangebot für das Lernen definitiv nicht besser, aber sorgt für einen hohen Ressourcenverbrauch, weil kontinuierlich Daten zwischen Servern und Geräten hin- und hergesendet werden. Wer also das Kriterium der Effizienz von Internetangeboten einlösen will, kann vor allem an solchen überflüssigen Datenströmen sparen.

Wie kann so etwas praktisch funktionieren? Wenn ich selbst Internetangebote gestalte, kann ich auf trackende Technologien verzichten. Das bedeutet erst einmal einiges an Arbeitsaufwand, weil trackende Technologien vor allem auch deshalb so verbreitet sind, weil sie Webdesign sehr einfach machen. Ein gutes Beispiel sind hierfür Google Webfonts. Wenn ich sie in meinen Internetangeboten nutze, dann stehen mir jede Menge schicker Schriftarten zur Verfügung und meine Website sieht ohne großen Aufwand cool aus. Der Nachteil ist aber, dass bei jedem Aufruf meiner Website ein Datenstrom erzeugt wird, weil die Google Webfonts von ihrem externen Server geladen werden müssen. Die Alternative ist hier: die Schriftarten selber hosten, auf diese Weise die Website datenschutzfreundlicher und eben zugleich ressourcenschonender machen. Das ist grundsätzlich kein Hexenwerk und im Netz gibt es jede Menge Anleitungen dazu – aber man muss es sich eben erst einmal bewusst machen und lernen. Ebenso lassen sich auch für zahlreiche andere Tracking-Dienste Alternativen finden oder diese ganz abstellen.

Wenn ich Internetangebote von anderen nutze, dann kann ich die Geschäftsbedingungen und Datenschutzerklärung lesen, um mir einen Überblick über Cookies und Tracking zu verschaffen. Auch mit dem Tool Dataskydd erhalte ich einen schnellen Überblick darüber. Wenn es viel Tracking gibt, kann es auch aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten lohnend sein, sich nach alternativen Angeboten umzusehen. Eine andere Möglichkeit ist es, Einstellungen im Browser vorzunehmen, die Tracking unterbinden und entsprechende Skripte blockieren. Diese findet man meist unter dem Stichpunkt Datenschutz bzw. Aktivitätenverfolgung.

3. Offen: Nachhaltige Internetangebote sind zugänglich, ermöglichen einen offenen Informationsaustausch / Weiternutzung und geben den Nutzer*innen die Möglichkeit, ihre Daten zu kontrollieren

Das dritte Kriterium für nachhaltige Internetangebote ist das Kriterium der Offenheit. Es bedeutet erstens, dass Nutzer*innen ohne Zugangshürden auf Internetangebote zugreifen können sollen. Zweitens soll auch ein offener Informationsaustausch und damit eine Weiternutzung der Inhalte möglich sein. Zu Nachhaltigkeit trägt das Kriterium der Offenheit deshalb bei, weil das Rad nicht immer wieder neu erfunden muss. Wenn jemand zu einem bestimmten Thema schon ein gutes Lernangebot erstellt hat, dann muss ich das nicht noch einmal machen, sondern kann das bestehende Lernangebot aufgreifen, vielleicht noch etwas anpassen und dann weiternutzen.

Außerdem ist Offenheit auch deshalb nachhaltig, weil komplexe Herausforderungen – wie beispielsweise das Wirken für mehr Nachhaltigkeit – die Zusammenarbeit von unterschiedlichen Menschen mit unterschiedlichen Perspektiven erfordern. Das Internet kann ein wunderbarer Ort sein, um Kollaboration in diesem Sinne zu ermöglichen – aber eben nur dann, wenn Informationen dort frei und offen sind.

Wer Offenheit bei Internetangeboten praktisch realisieren möchte, sollte seine Angebote unter einer offenen Lizenz, d.h. als Open Educational Resources (OER) veröffentlichen. Was das genau ist und wie das funktioniert, erfährt man zum Beispiel in diesem offenen Selbstlernkurs von mir.

4. Ehrlich: Nachhaltige Internetangebote dürfen die Nutzer*innen weder durch ihre Gestaltung noch durch ihren Inhalt in die Irre führen oder ausnutzen.

Wer durch das Internet surft, trifft immer wieder auf Cookie-Banner. Viele von ihnen sind so gestaltet, dass ich durch einen deutlich auffälligeren Button dazu angehalten werde, alle Cookies zu akzeptieren. Eine alternative Möglichkeit, mit der ich Cookies bewusst auswählen bzw. nur notwendige Cookies akzeptieren würde, ist dagegen deutlich versteckter dargestellt. Solche bewusst gestaltete Lenkung von Nutzer*innen im Internet fasst man unter dem Begriff ‚Dark Patterns‘ zusammen. Gemeint ist damit, dass die Oberfläche einer Website dazu verleitet, etwas Bestimmtes zu tun – obwohl die nutzende Person ansonsten wahrscheinlich anders entschieden hätte.

Noch subtiler als bei den Buttons der Cookie-Banner sind Dark Patterns beispielsweise auf kommerziellen Social Media Plattformen wie Twitter. Wer das Netzwerk nutzt, wird vielleicht schon einmal beobachtet haben, dass Mitteilungen über Likes oder Retweets erst angezeigt werden, nachdem ich die Website oder App schon einige Sekunden geöffnet habe. Das führt dazu, dass ich erst einmal damit beginne, durch meine Timeline zu scrollen – und erst wenn ich da schon hängen geblieben bin, die Informationen erhalte, warum ich die App wahrscheinlich geöffnet habe.

Dass solch eine unehrliche, weil subtil-lenkende Gestaltung im Internet wenig nachhaltig ist, liegt auf der Hand: Nutzer*innen verbrauchen durch die damit verbundene Aktivierung von Tracking und Werbeeinblendungen jede Menge unnötiger Ressourcen. Außerdem ist es natürlich auch eine Form von Verdummung, wenn man gar nicht mehr selbst entscheidet, was man da eigentlich genau tut.

Wer selbst Internetangebote gestaltet, tut deshalb gut daran, auf solche Dark Patterns zu verzichten. Darüber hinaus kann im pädagogischen Kontext viel zu einem nachhaltigeren Internet beigetragen werden, indem über solch eine unehrliche Gestaltung und bewusste Irreführung aufgeklärt wird. Denn wenn einer Person Dark Patterns bewusst sind, dann fällt sie deutlich seltener darauf rein bzw. kann besser selbst entscheiden, wie sie damit umgehen möchte.

5. Regenerativ: Nachhaltige Internetangebote unterstützen eine Wirtschaft, die die Menschen und den Planeten ernährt.

Das fünfte Kriterium spricht schließlich die inhaltliche Ebene von Internetangeboten an. Die Frage ist: Wozu gibt es ein bestimmtes Online-Angebot? Nachhaltig sind Internetangebote dann, wenn sie – so wie es in diesem Kriterium aufgeführt ist – dazu beitragen, dass eine nachhaltige Entwicklung vorangebracht wird.

Für den pädagogischen Kontext eröffnet sich hier ein riesiges Feld. Insbesondere können Internetangebote für eine Bildung für Nachhaltige Entwicklung gestaltet werden. Wer es wichtig findet, durch die eigenen Internetangebote zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen, kann also genau hier einen inhaltlichen Schwerpunkt setzen. Und da BNE ein fächerübergreifendes bzw. fächerverbindendes Thema ist, sind hier potentiell Pädagog*innen aller Fachrichtungen gefragt.

6. Resilient: Nachhaltige Internetangebote funktionieren zu den Zeiten und an den Orten, an denen die Menschen sie am meisten brauchen.

Internetangebote sind schließlich nur dann nachhaltig, wenn die Menschen sie finden und nutzen können, die sie brauchen. Das bedeutet erstens, dass man sich für ein nachhaltiges Internetangebot Gedanken dazu machen sollte, wie es möglichst gut auffindbar sein kann. Dazu gehört die Einordnung in Kategorien, die Nutzung von Schlagworten (Tags), das Ausfüllen von Kurzbeschreibungen oder weitere Optionen zu Metatags.

Zweitens ist es immer eine gute Idee, selbst die Hoheit über seine Internetangebote zu haben. Das bedeutet konkret: Anstatt externe Dienstleister zu nutzen mit denen ich z.B. eine Präsentation erstellen und teilen kann, ist es nachhaltiger, wenn ich eine Präsentation auf meiner eigenen Website veröffentliche. Denn ich weiß nie, ob ein externer Dienstleister vielleicht das Geschäftsmodell ändert und Inhalte nicht mehr offen teilbar sind – oder ob er vielleicht auch einfach Pleite geht – und mit ihm auch meine Inhalte verschwinden. Die Gestaltung einer eigenen Website im Internet ist zunächst mit viel Aufwand verbunden. Gerade aber auch aus Nachhaltigkeitsaspekten ist es unbedingt empfehlenswert. Eine schnelle Anleitung dazu habe ich hier aufgeschrieben.

Drittens bedeutet das Kriterium der Resilienz auch, dass alle Menschen die Internetangebote nutzen können sollen. Dazu ist es erforderlich, dass eine Website barrierefrei gestaltet ist. Einen guten Einstieg zu diesem Thema inklusive eines Schnelltests für die eigene Website bietet Aktion Mensch.

Fazit: Nachhaltige Internetangebote ‚wachsen‘ im offenen und dezentralen Internet!

Mit der folgenden Checkliste fasse ich zusammen, was wichtig ist, wenn man als Pädagog*in das Internet in nachhaltiger Art und Weise zum Lehren und Lernen nutzen möchte. Du kannst die Checkliste nutzen, um Dich selbst zu testen.

Für ein Fazit möchte ich außerdem erneut auf das eingangs erwähnte Tool txt.fyi zurückkommen, Ist der Vorwurf des ‚Datenmülls‘ hier gerechtfertigt bzw. ist das ein nicht-nachhaltiges Internetangebot? Nachteilig ist, dass das Tool wahrscheinlich nicht grün gehostet wird (vielleicht ist der Hosting Anbieter aber auch einfach nur nicht bekannt bzw. es handelt sich um einen privat betriebenen Server.) Ansonsten werden aber zahlreiche Kriterien eingelöst: Sehr geringer Ressourceneinsatz, weil keinerlei Tracking und nur statische Websites ohne viel SchnickSchnack, offen nutzbar – sowohl in der Erstellung als auch beim Lesen der erstellten Textschnipsel und ehrlich, weil ohne irgendwelche Dark Patterns – es werden damit einfache Textschnipsel produziert. Ob das Tool zusätzlich auch regenerativ und resilient wirkt, liegt weniger an dem Tool selbst, sondern an der Art und Weise, wie es genutzt wird. Das Potential dafür ist aber in jedem Fall vorhanden: Da es Menschen ermöglicht, niederschwellig und ohne Registrierung ihre Informationen im Internet zu teilen, können darüber z.B. Hintergrundinformationen oder Demoaufrufe veröffentlicht werden – und durch die Offenheit es können auch Menschen nutzen, die in Regionen leben, wo es keine Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung gibt.

In den Erläuterungen zu dem Tool heißt es abschließend: „Lang lebe das unabhängige Internet!“ (Long live the independent web). Diesem Wunsch kann ich mich hier anschließen. Auch weil das unabhängige Internet, wie die beschriebenen Kriterien zeigen, am besten das Potential hat, ein nachhaltiges Internet zu sein und als solches genutzt zu werden.

Und Du?

Ich bin an Austausch zu diesem Thema sehr interessiert. Gerne kannst Du mir zu Deinen Überlegungen zu diesem Thema mailen oder hier im Fediverse bzw. hier auf Twitter mitdiskutieren.

Danke!

Eine erste Einschätzung zu dem eingangs erwähnten Tool txt.fyi habe ich im Fediverse eingeholt – und dabei zahlreiche hilfreiche Rückmeldungen erhalten (inklusive auch ganz konkrete Berechnungen, wieviel ‚Datenmüll‘ damit tatsächlich produziert wird. Spoiler: Es ist minimal!)


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