„Je digitaler etwas ist, desto analoger sollten wir es angehen“

Im September bin ich von der Europäischen Stiftung für innovative Bildung angefragt, ihren Unternehmenstag im September in Rostock mit zu begleiten. Die Stiftung gestaltet mehrere Lernorte – von Schulen, über Angebote der beruflichen Bildung bis hin zu Kita oder Zirkus. Einmal im Jahr kommen alle Angestellten zusammen und lernen und feiern gemeinsam. Ein sehr schönes Projekt!

Heute haben wir uns dazu zu einem ersten Abstimmungstreffen getroffen. Vorab hatten die Kolleginnen mir Einblicke ihrer früheren Unternehmenstage zugeschickt – unter anderem kleine Videos zu einer Barcamp-Ankündigung, die super niedlich mit Legetechnik und Puppenspiel gestaltet waren. Als ich zurück meldete, wie sehr mir diese Gestaltung gefallen hat, brachte die Kollegin den Ansatz dahinter so auf den Punkt, dass sie immer wieder die Erfahrung mache, dass sie Sachen umso analoger angehen sollten, je digitaler etwas ist.

Ich fand diese Darstellung sehr passend und habe das nach dem Gespräch im Fediverse geteilt.

Ohne Kontext assoziierten manche Menschen damit natürlich verständlicherweise eine Verfestigung einer eigentlich überkommenden Trennung zwischen analog und digital. Das ist natürlich nicht sinnvoll, denn Lernen findet heute in einer Lebenswelt statt, in der analog und digital so selbstverständlich miteinander verschränkt sind, dass eine Trennung keinen Sinn ergibt.

Mit der Äußerung der Kollegin war aber ja etwas anderes gemeint. Deshalb habe ich darüber noch weiter nachgedacht. Je mehr ich das tue, desto mehr Ansatzpunkte finde ich, wo diese Herangehensweise hilfreich ist. Man muss sich analog und digital dabei wie Chiffren vorstellen für „das, was wir kennen, was uns vertraut ist und was wir ganz selbstverständlich gestalten“ versus „das, was neu entsteht, was uns tendenziell fremd ist, wo wir eher Berührungsängste haben und was uns außerhalb unserer Gestaltungsmöglichkeiten erscheint“. Diese Chiffren sind keine Erfindung von mir, sondern prägen Diskussionen und Kommunikation über „digitale Bildung“ an vielen Orten.

Die Orientierung mit mehr analog auf mehr digital zu reagieren, kann in diesem Sinne unterschiedliche Ausprägungen haben:

  • Man kann der digitalen Welt mit einem expliziten ‚Hands-On‘-Ansatz begegnen, so wie es die Kolleginnen mit ihrem Erklärfilm mit der Legetechnik gemacht haben. Ebenso könnte man z.B. Knete und Filmen verbinden.
  • Man kann Online-Veranstaltungen mit dem jeweiligen physischen Ort der Beteiligten rückkoppeln.
  • Man kann im Kontext der KI-Debatte gezielt menschliche Interaktion ausweiten, um Maschinen-Kommunikation sinnvoll einordnen und nutzen zu können.
  • Man kann bewusst einen spielerischen Zugang zu digitaler Technologie anbieten – beispielsweise, wie ich es mit den Knick-Quatsch-Prompts bei Sprachmodellen versuche.
  • Man kann auf eine veränderte Form der Visualisierung von Technologie orientieren – weg von blau, künstlich und abstrakt hin zu bunter und menschengemacht.
  • Man kann gezielt Lernorte als ‚Dritte Orte‘ aufbauen, an denen Menschen zusammenkommen, sich austauschen und gemeinsam Technologie erkunden können.

Insgesamt denke ich, dass ich in meiner Praxis so selbstverständlich einen gestaltenden, konkreten, ausprobierenden Ansatz in der digitalen Welt verfolge, dass ich das gar nicht mehr so benennen würde, dass ich analoge Praxis in digitale Praxis integriere. Im Prinzip ist das aber genau meine Herangehensweise, die ich nur noch nicht in dieser Form benannt hatte, weil ich von einer anderen Perspektive darauf blicke. Sicherlich werde ich über dieses Thema noch weiter nachdenken.

Das Beitragsbild stammt aus einer Session der diesjährigen edunautika, wo Olof uns gezeigt hat, wie man mit Papier und reißen, knittern und knüllen imaginäre Welten erschaffen kann. Auch hier kam als Feedback der Teilnehmenden die Rückmeldung, dass sie diese Möglichkeiten vor allem vor dem Hintergrund einer immer größeren Automatisierung im Kontext des Digitalen als so gewinnbringend für sich und andere empfinden würden.


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