Neue Lieblingsmethode: kollaborative Kugellager-Umfrage

Bei meinem heute vor Ort durchgeführten Lernangebot habe ich zum Abschluss mit einer neuen Methode experimentiert: einer kollaborativen Kugellager-Umfrage. Das hat sehr gut geklappt und gab viel positives Feedback. Darum beschreibe und empfehle ich die Methode hier zur Weiternutzung.

Die Idee

Die kollaborative Kugellager-Umfrage ist eine Kombination aus individueller Reflexion, kollaborativem Stimmungsbild, Bewegung und Speeddating. Ich habe die Methode zum Abschluss genutzt. Sie lässt sich sicher auch für zwischendurch oder für den Einstieg anpassen.

So funktioniert es

Die Teilnehmenden bilden einen Innenkreis und einen Außenkreis, sodass sich immer zwei Personen gegenüberstehen (= das Kugellager). Die Menschen im Innenkreis bekommen nun einen Zettel mit je einer Frage zum Thema des Lernangebots. Es geht bei der Beantwortung nicht um Richtig oder Falsch, sondern um eine Einschätzung auf einer Skala, die individuell unterschiedlich vorgenommen werden kann. Mit aufgedruckt ist immer auch die jeweilige Skala dazu – z. B. von sehr viel bis sehr wenig.

Nun startet das Kugellager: Die Menschen im Innenkreis befragen die Menschen im Außenkreis, wo sie für sie zu ihrer Frage auf der Skala ein Kreuz setzen sollen. Die jeweils gegenüberstehende Person ordnet sich auf der Skala ein und begründet die Einschätzung in einem Satz. Dann bewegt sich der Außenkreis eine Position im Uhrzeigersinn weiter – und die nächste Befragung findet statt. So geht es einmal im Kreis herum. Wenn alle wieder in der Ausgangsposition stehen, werden die Rollen getauscht. Nun steht der frühere Innenkreis außen und wird vom früheren Außenkreis, der jetzt innen steht, befragt.

Zum Abschluss können die Zettel an einer Pinnwand gesammelt oder auch für die spätere Dokumentation eingesammelt werden. Denkbar wäre auch ein kurzes Blitzlicht, welche Ergebnisse besonders überrascht haben. Ich habe das nicht gemacht. Es funktionierte auch ohne weitere Auswertung.

Ein Beispiel

In meinem Lernformat ging es um Erkundungen zu KI. Zielgruppe waren Menschen aus dem Bildungs- und Beratungskontext in der Erwachsenenbildung, die sich bei diesem Lernangebot zum Teil zum ersten Mal mit KI auseinandergesetzt haben. Das Lernangebot war sehr offen und erkundend angelegt. Die kollaborative Kugellager-Umfrage zum Abschluss ermöglichte es, allen noch einmal zusammenzukommen und individuell und gemeinsam den Tag im Schnelldurchlauf zu reflektieren.

Dies waren die genutzten Fragen:

  • Mit dem Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) in meiner Organisation bin ich … sehr zufrieden / sehr unzufrieden
  • Im Vergleich zu meinen Kolleg*innen habe ich mit KI … schon deutlich mehr experimentiert/ deutlich weniger experimentiert
  • Angesichts von KI wird meine Arbeit meiner Einschätzung nach … einfacher / herausfordernder
  • Meine Zukunftsprognose ist, dass mit KI … inklusives und personalisiertes Lernen vorangebracht wird / soziale Ungleichheit größer wird.
  • Ich denke, dass KI-Tools …. uns dabei unterstützen können Vorurteile und Stereotype abzubauen / dazu beitragen, dass Vorurteile und Stereotype verfestigt werden.
  • Ich erwarte angesichts der KI-Entwicklung in der Zukunft, dass … ich mehr Raum für pädagogische Beziehungsarbeit und Beratung haben werde / Lernen und Beratung zunehmend ‚maschinisiert‘ wird
  • Datenschutz im Kontext von KI … interessiert mich nicht / ist für mich eine große Herausforderung
  • Die Menschen in meinen Lernangeboten oder Beratungen werden von der KI-Entwicklung in den nächsten Jahren meiner Einschätzung nach…. sehr stark profitieren / sehr stark verlieren.
  • Die Integration von KI in meine Arbeit wird meiner Einschätzung nach … die Zusammenarbeit mit Kolleginnen fördern / eher zu isoliertem Arbeiten führen
  • Im Vergleich zu anderen Technologien empfinde ich KI als … besonders nützlich / weniger nützlich.
  • Bei der Nutzung von KI für Lern- und Beratungszwecke … bin ich eher optimistisch / eher skeptisch.
  • Die KI-Entwicklung wird aus meiner Sicht vorrangig vorangetrieben, wegen …. Interesse an Weltverbesserung durch die Technologie / Interesse an Vermarktung der Technologie
  • Was KI ist könnte ich einem 10jährigen Kind … sehr gut erklären / nicht gut erklären.
  • Ich schätze KI-Technologie als … sehr fehleranfällig ein. / sehr robust ein.
  • Die Verantwortung für ethische Fragen im Umgang mit KI liegt meiner Meinung nach primär bei … den Entwicklerinnen der KI-Systeme / den Nutzerinnen der KI-Systeme.

Hier ist die Datei mit den (sehr einfach) gestalteten Zetteln.

Und so sahen dann am Ende die ausgefüllten Zettel aus:

Beispiele für ausgefüllte Zettel

Meine Einschätzung

Ich mag an der Methode sehr gerne, dass sie einen Vorgang, der eigentlich super einfach digital durchgeführt werden könnte (= die kollaborative Umfrage), ganz bewusst in den eigentlich deutlich umständlicheren analogen Raum überträgt, aber gerade deshalb alle sehr viel Gewinn daraus ziehen können:

  • Alle kommen im Sinne eines Speeddatings noch einmal mit allen ins Gespräch.
  • Man stimmt nicht nur ab, sondern ist auch herausgefordert, seine Einordnung kurz zu begründen.
  • Niemand muss frei vor allen sprechen. Auch stillere Menschen sind mit dabei.
  • Alle sind in Bewegung.
  • Das schnelle Tempo sorgt für einen spielerischen Charakter und lockert auf.

Wie bei einer digitalen Umfrage erhält man auch hier ein kollaboratives Stimmungsbild, was spannend zur Auswertung und Weiterarbeit sein kann.

Weitere Pluspunkte an der Methode sind aus meiner Sicht, dass sie einfach ist (am schwierigsten ist wahrscheinlich die Selbstkoordination der Gruppe, sich in zwei Kreise aufzustellen 🙂), sehr schnell und niederschwellig durchgeführt werden kann und beliebig für unterschiedliche Themen angepasst werden kann.

Einschränkungen

Ich hatte beim Ausprobieren eine Gruppe mit knapp 30 Menschen, wobei am Ende auch schon nicht mehr alle mit da waren. Ungefähr diese Zahl sehe ich auch als Obergrenze für die Methode, weil es sonst doch langwierig werden kann, einmal im Kreis herumzugehen. Außerdem wäre es dann auch herausfordernd, so viele Fragen zu entwickeln. Bei deutlich größeren Gruppen würde ich deshalb mehrere Kleingruppen bilden (oder eine andere Methode wählen).

Für sehr inputorientierte Formate dürfte die Methode ebenfalls eher weniger geeignet sein. Die Teilnehmenden sollten kennengelernt haben, dass es nicht die eine richtige oder falsche Antwort gibt, wie man auf ein Thema blicken kann.

Fazit

Ich kann die Methode sehr zum Nachmachen empfehlen. Falls du sie ausprobierst, wünsche ich dir viel Erfolg und freue mich, von deinen Erfahrungen zu lesen.


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