Edumail #82: Tipps für lernende Lehrende

Hallo und willkommen zur Edumail im August. Hoffentlich hattest und hast du einen schönen Sommer.

In dieser Edumail dreht sich alles um das Lernen von lehrenden Menschen. Denn ich finde: Gutes Lernen kann nur gestalten, wer sich selbst nicht nur als lehrende, sondern immer auch als lernende Person versteht. 

Damit solch ein eigenes Lernen als lehrende Person gelingt, finde ich fünf Aspekte wichtig:

Neugierde (= fragend auf die Welt blicken): Für mich funktioniert es hier sehr gut, dass ich mit spannenden Menschen vernetzt bin und so immer neue Anregungen und damit auch Lernherausforderungen erhalte.
Offenheit (= bereit sein, neue Erfahrungen zu machen.): Ich setze das unter anderem so um, dass ich in jedem Projekt immer Zeit zur Reflexion einplane, um am Ende die Frage stellen zu können: Was lerne ich daraus?
Leidenschaft (= den Anspruch haben, es Schritt für Schritt immer weiter besser zu machen.): Wenn ich Lernangebote gestalte, dann versuche ich jedes Mal mindestens eine Sache ganz neu auszuprobieren.
Aufmerksamkeit (= die aktuelle Situation bewusst wahrnehmen und als Lernmöglichkeit begreifen.): Es hilft für mich sehr viel, wenn ich im Austausch mit anderen, erst einmal versuche Fragen zu stellen und zuzuhören, statt selbst zu reden.
Widerständigkeit (= Freiräume zum Lernen sichern trotz aller Herausforderungen in Beruf und Alltag.): Das kann vor allem dann gut funktionieren, wenn man sich mit anderen zusammenschließt und gemeinsam lernt.

Im Folgenden findest du viele konkrete Vorschläge und auch weiternutzbare Inhalte, um Lernen für dich und für andere gut zu gestalten. Suche dir aus und nutze, was dir weiterhelfen kann.

Ich wünsche dir viel Freude beim Erkunden!

Nele Hirsch | eBildungslabor
📚 Lernen & Lesen: Willkommen im EduBuchklub
Eine sehr klassische Form des Lernens sind Buchklubs bzw. Lesekreise. Gabi Fahrenkrog und ich haben die Initiative ergriffen und einen pädagogischen Buchklub gestartet. Er ist als offenes und flexibles Online-Angebot konzipiert, so dass sich möglichst viele Interessierte beteiligen können. Die inhaltliche Klammer ist Bildung in gesamtgesellschaftlicher Perspektive und wir verfolgen einen bildungsbereichsübergreifenden Ansatz. Das weitere Prinzip ist schnell erklärt: Jeden Monat gibt es ein Buch, das alle selbstorganisiert für sich lesen. Zum Abschluss gibt es eine Videokonferenz zum Austausch über unsere Learnings aus dem Buch. Nebenher kann man sich über einen Hashtag, in einer Signal-Gruppe oder auch in anderen Räumen austauschen. Das Buch für den September ist: Die Welt verändern lernen. Bildung als Praxis der Freiheit. Von bell hooks. Wenn Du Lust hast, mitzulesen, zu lernen und dich auszutauschen, findest du auf der Website des EduBuchklub alle weiteren Informationen.
Zum EduBuchklub
🤖 Künstliche Intelligenz als Lernherausforderung
In Lernangeboten zum Thema Künstliche Intelligenz (KI) stelle ich immer wieder fest, dass viele Menschen – außer vielleicht einem allerersten Ausprobieren – noch kaum Erfahrungen mit KI-Sprachmodellen gesammelt haben. Für diese Zielgruppe habe ich eine niederschwellige Einstiegsfortbildung als Online-Selbstlernmaterial gestaltet. Die Idee ist, dass man sich mit einer Handvoll Menschen zusammensetzt und mithilfe des Materials gemeinsam in rund 45 Minuten einen guten Einstieg findet. Das klappt zum Beispiel gut als Mikrofortbildung in der Mittagspause oder im Rahmen einer Teamsitzung. Wenn du schon fortgeschrittener bei der KI-Nutzung bist, dann könntest du dir überlegen, an wen du das Material weitergeben könntest. (Ich habe es frei von urheberrechtlichen Beschränkungen geteilt. Gerne kannst du es auch an spezifischere Zielgruppen anpassen.)
Zum Peer-to-Peer Lernmaterial
Zum Lernen über KI gehört für mich auch unbedingt dazu, dass wir uns über schlechte KI-Nutzung austauschen. In diesem Sinne habe ich über meine eigenen KI-Fails reflektiert, d.h. über KI-Nutzung berichtet, die weder mich noch andere weiterbringt.
Blog KI-Fails
Ein ‚Learning Out Loud‘ und zugleich eine Art Anleitung gibt es von mir schließlich noch zum Thema Custom GPT, d.h. um eigene Einstellungen oder Materialien ergänzte GPT-Modellen.
Blog Custom GPT
⭐ Nordstern beim Lernen: Veränderungskompetenz
Begeisterung für das Lehren und auch das eigene Lernen entsteht vor allem dann, wenn man damit ein klares Leitbild verbindet. Für mich ist dieses Leitbild kurz gefasst, dass ich mit der Gestaltung guter Bildung Menschen zu gesellschaftlicher Handlungsfähigkeit ermächtigen will. Alle sollen die Möglichkeit haben, für sich und andere, jetzt und in Zukunft ein gutes Leben zu gestalten. In einer immer stärker krisenhaften Welt erfordert solch eine gesellschaftliche Handlungsfähigkeit mit der Orientierung auf ein gutes Leben für alle die Entwicklung von Veränderungskompetenz. In einem Vortrag beim University Future Festival, von dem inzwischen die Aufzeichnung vorliegt, habe ich dargestellt, warum Veränderungskompetenz, nicht vorrangig Anpassung an Veränderungen bedeuten sollte, sondern vor allem Hinterfragen und Gestalten von Veränderungen. Und ich gebe einige Impulse, wie das funktionieren kann.
Aufzeichnung bei Youtube
Auf meiner Website habe ich die Aufzeichnung als weiter verwendbaren Micro-Content (= mit kurzer Zusammenfassung der wichtigsten Thesen) gestaltet, falls du das Thema z.B. in Online-Veranstaltungen aufgreifen willst.
📝 Lernmethode: Kollaborative Kugellager-Umfrage
Insbesondere bei den aktuell sehr viel angefragten KI-Fortbildungen, aber auch bei vielen anderen Themen, freue ich mich sehr darüber, wenn ich beobachten kann, dass Menschen, die zu Beginn einer Veranstaltung noch relativ orientierungslos auf ein Thema blicken, sich im Laufe des Lernangebots eine eigene Position und Orientierung dazu erarbeiten. Eine Methode, mit der dieser Schritt auch für die Lernenden selbst erlebbar wird und die deshalb zum Abschluss von Lernangeboten sehr motivierend ist, ist die kollaborative Kugellager-Umfrage. Es handelt sich um eine Mischung aus Speed-Dating, kollaborativem Stimmungsbild, individueller Reflexion und Bewegung. In meinem Blog habe ich die Methode ausführlich – inklusive eines direkt weiternutzbaren Beispiels zu KI – erklärt.
Zur Erklärung
❓ Fragend gute Bildung konzipieren
Wer gute Bildung gestalten will, dem können 5 Fragen bei der Konzeption helfen:

Was ist wichtig? Diese Frage hilft, grundsätzliche Orientierung zu finden. Sie erinnert einen an das eigene pädagogische Leitbild.
Was gibt es schon dazu? Diese Frage ruft dazu auf, das Rad nicht neu zu erfinden, sondern auf den Erfahrungen und Inhalten von anderen aufzubauen. So wird auch Vernetzung mit anderen ermöglicht.
Wie könnte das ganz anders gestaltet sein? Diese Frage fordert dazu heraus, auch die hinter einem Lernangebot liegenden Strukturen zu betrachten und zu reflektieren, ob hier Veränderung möglich ist.
Wie kann ich Kontrolle abgeben? Diese Frage erinnert daran, dass gutes Lernen immer von den Lernenden ausgeht.
Wie könnte es trotz alledem gehen? Diese Frage macht Mut, auch bei widrigen Umständen nicht zu resignieren, sondern zumindest erste, kleine Schritte zu gehen.

Ich nutze diese Fragen regelmäßig als Raster zur Orientierung, wenn ich Lernangebote konzipiere. Vielleicht können sie auch für dich hilfreich sein. Ausführlich habe ich dazu gebloggt.
Zum Blogartikel
⚖️ Wertequadrat als Analyseinstrument
Ein Instrument, das mir in meiner Arbeit immer wieder hilft ist das so genannte Wertequadrat. Die Grundform des Wertequadrats geht auf Aristoteles zurück. Er hat darauf hingewiesen, dass es zu jeder Tugend immer auch eine Schwesterntugend gibt. Und dass jede Tugend bei Übermaß auch in eine Untugend umschlagen kann.

Hier ein Beispiel: Großzügigkeit und Sparsamkeit sind zwei Tugenden, die sich ergänzen (= Schwesterntugenden). Bei Übermaß kann Großzügigkeit aber in Verschwendung kippen und Sparsamkeit zu Geiz. Unsere Herausforderung ist somit, dass wir die beiden Schwesterntugenden immer gut ausbalancieren. Wenn wir merken, dass eine davon in ihre Untugend zu kippen droht, dann sollten wir uns mehr an der jeweiligen Schwesterntugend orientieren.

Für das eigene Lernen und die eigene strategische Orientierung ist das Wertequadrat, insbesondere was den Umgang mit einer sehr schnellen technologischen Entwicklung betrifft, sehr nützlich: Es ist hier gut, wenn ich aufgeschlossen bin für Neues. Ich muss aber aufpassen, dass das nicht in naive Euphorie umkippt. Falls doch, dann benötige ich mehr von der Schwesterntugend – der kritischen Reflexion. Nutze ich diese allerdings im Übermaß, dann kippt sie in pauschale Ablehnung und ich benötige wieder mehr Aufgeschlossenheit …

Dieses Prinzip lässt sich auch auf andere Themen übertragen. Ich kann es zur Reflexion sehr weiter empfehlen. In meinem Blog habe ich es noch etwas ausführlicher erklärt – inklusive weiternutzbarer Kritzelbilder dazu 🙂
Zum Blogbeitrag
🎙️ Podcast mit Begriffsklärungen
In meinen Bildungsangeboten ist es mir vor allem auch wichtig, immer wieder ganz gezielt Angebote für Menschen zu machen, die sich im Kontext von Bildung und Digitalisierung ganz neu auf den Weg machen. Unter anderem gibt es dazu die Podcast-Reihe 3 Minuten Pädagogik, in der ich oft gehörte Begriffe in maximal drei Minuten einstiegsorientiert erkläre: Diese Folgen sind seit der letzten Edumail neu veröffentlicht:

Was ist selbstreguliertes Lernen? Zur Podcast-Folge

Was ist Extended Reality? Zur Podcast-Folge

Was ist digitale Ethik? Zur Podcast-Folge

Wenn Du für dich oder für deine Lernangebote auf der Suche nach einer kurzen Erklärung zu einem bestimmten Begriff bist, dann kannst du ihn über dieses Formular für eine der nächsten Folgen vorschlagen.
🔗 Links zum Lehren, Lehren und Spaß haben 🙃
Ein paar Empfehlungen für dich:

Mit Colliding Scopes kannst du Bilder in einen Kaleidoskop-Stil verwandeln
Mit World in Dots kannst du dir gepunktete Karten erstellen lassen von festgelegten Ländern oder Regionen.
SoekiaGPT ist ein (einfaches) Sprachmodell, in das man hineinschauen und so die Funktionsweise dieser Technologie besser verstehen kann.
Der AI Chat der Suchmaschine DuckDuckGo ermöglicht es dir, unterschiedliche KI-Sprachmodelle ohne Registrierung auszuprobieren.
OneMinutePark versetzt dich virtuell für 60 Sekunden in einen Park irgendwo auf der Welt. Perfekt für eine Mini-Pause am Bildschirm.
🗓️ Ausblick: Veranstaltungen zum Lernen im September
Im September freue ich mich auf viele schöne Veranstaltungen, die sicherlich zahlreiche Lerngelegenheiten bieten. Hier eine Auswahl der Veranstaltungen mit offener Beteiligung:

5./6. September: Medienpädagogik Praxiscamp in Würzburg (Ein Barcamp, was erfahrungsgemäß von vielen ‚out of the box‘-denkenden und oft auch nerdigen Menschen besucht wird. Ich war letztes Jahr zum ersten Mal dabei und fand es großartig, so dass ich mich direkt wieder als Teilgeberin angemeldet habe. Es gibt noch einzelne Tickets.) Link

16. September: Online-Austausch mit den Kolleg*innen von D64 (auch für Nicht-Mitglieder offen) zu freien Gestaltungsräumen in der digitalen Bildung. (Ich kenne einige Menschen von D64 und schätze sie sehr für ihren kritisch-konstruktiven Blick auf die Digitalisierung. Ich werde zu Beginn einen kurzen Impuls mit meiner Perspektive auf das Thema geben und freue mich dann sehr auf den Austausch.) Link

18. September: Barcamp des Netzwerks Medienbildung in Bibliotheken in Leipzig. (Anmeldung ist noch bis Ende August möglich. Ich spreche zu Beginn zum Thema ‚Bibliotheken als Bildungsorte in der digitalisierten Gesellschaft‘ und freue ich dann auf den Austausch im Barcamp) Link

20.-22. September: Datenspuren Festival in Dresden (Ich werde am 20. September abends einen Vortrag unter dem Titel „Was hat das Netz je Gutes für uns getan?“ Warum freie Tools, ein freies Netz und freie Menschen die Beste aller Welten machen“ halten, der auch gestreamt bzw. aufgezeichnet wird. Das wird herausfordernd und ich bin gespannt auf den Austausch mit Menschen, die eher netzpolitisch und technisch und nicht wie ich primär pädagogisch auf dieses Thema blicken.) Link (Programm ist noch nicht veröffentlicht)

26. September, 20 Uhr: Unser erstes Austauschtreffen im Rahmen des neu gestarteten EduBuchklub. Offen für alle Interessierten! Link

Vielleicht sehen wir uns bei der einen oder anderen Gelegenheit. Ich würde mich freuen!

Beim Herbst-Educamp – dieses Jahr in Calberlah bei Braunschweig – kann ich leider nicht mit dabei sein. Aber vielleicht hast du Lust, auf dieses generationenübergreifende Barcamp, zu dem die ganze Familie mitgebracht werden kann. Wenn ja, dann gibt es hier weitere Informationen.
👋 Tschüß bis zur nächsten Edumail!
Die nächste Edumail erhältst du dann wieder Ende September. Ich bin gespannt, was wir alle bis dahin Neues gelernt haben werden. 🙂

Wie immer gilt: Ich freue mich über Feedback & Anregungen zur Edumail. Gerne darfst du die Edumail Kolleg*innen weiter empfehlen. Wenn du Lust hast, mit mir ein gemeinsames Bildungs-Projekt zu gestalten, dann freue ich mich über deine Anfrage. All das geht am einfachsten direkt als Antwort auf diese Mail!

Eine gute Zeit für dich und alles Gute.
Nele
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