Wie konzipiere ich Online Lernangebote?

Lerneinheit 1

Video zum Einstieg

Präsenz = Online?

Bei der Gestaltung von Online-Lernformaten trifft man häufig auf die Erwartung, dass sich eine Lerngruppe, die sich ansonsten in Präsenz für einen Tag an einem bestimmten Ort getroffen hätte, nun eben für einen Tag oder mindestens ein paar Stunden in einem Video-Konferenz-Raum trifft … Damit wäre das Lernangebot dann abgeschlossen.

Doch diese direkte Übertragung von Präsenz auf Online ist weder angenehm für alle Beteiligten, noch sehr wirkungsvoll. Denn erstens muckt bei irgendwem die Technik immer (gerade, wenn man auch Workshops in der Provinz gibt). Und zweitens ist Lernen deutlich wirkungsvoller, wenn es aktiv, flexibel und selbstbestimmt gestaltet werden kann - als wenn alle zur gleichen Zeit genau das gleiche lernen. Im Präsenzworkshop kann man hier auch synchron sehr einfach individualisiert gestalten - in einem Video-Meeting ist das schwieriger.

Die wichtigste ‘Regeln’ bei der Gestaltung eines Online-Angebots anstelle eines Präsenz-Workshops lautet deshalb: Mehr Asynchronität wagen!

Struktur und Format

Als grundlegendes Muster eines Online-Bildungsangebots schlage ich folgenden Aufbau vor:

  • Online-Meeting zum Einstieg
  • Selbstlernphasen im eigenen Tempo mit Unterstützung und Austausch
  • Online-Meeting zum Abschluss

Je nach zur Verfügung stehender Zeit, dem Thema und den Lerninhalten kann dieses Raster natürlich beliebig variiert werden. In der beschriebenen Darstellung eignet es sich insbesondere für Tagesworkshops. So war ursprünglich auch dieser Kurs konzipiert. Weitere Optionen sind:

  • Zeitliche Streckung über z.B. eine Woche mit zusätzlichem 'Zwischen-Meeting'.
  • Flipped Videokonferenz: der Input wird vorab verteilt. In einer ca. einstündigen videokonferenz ist Raum für Austausch und Fragen.
  • Erkundungstour: Lernende erkunden und gestalten etws selbst. Dazu können sie Unterstützung erhalten. Am Ende werden in einer Videokonferenz Ergebnisse präsentiert.

In all diesen Varianten wird der Input 'geflipped', d.h. vorab zur Verfügung gestellt. Der Fokus des Lernangebots liegt somit auf assynchronen Lernphasen. Das bedeutet, dass Teilnehmende nicht gleichzeitig an etwas lernen, sondern sich ihr Lernen selbst einteilen können. Das hat zahlreiche Vorteile:

  • Es kann im eigenen Tempo gelernt werden: Wer etwas nicht versteht, kann z.B. ein Erklärvideo mehrmals stoppen und wiederholen.
  • Es kann ausgehend von eigenen Interessen gelernt werden: Wer etwas schon kennt, überspringt es einfach.
  • Es kann ausgehend von den eigenen Bedürfnissen gelernt werden: Wer mehr Pausen braucht, nimmt sich diese einfach.

Hinzu kommt: Videokonferenz-Zeiten können für direkten sozialen Austausch genutzt werden

Herausfordernd an dieser Flexibilität ist:

  • Es kostet Kraft und Selbstbeherrschung, damit man dran bleibt.
  • Lernen mit anderen ist nicht automatisch vorhanden, sondern muss sich erarbeitet werden.
  • Und auch wer Hilfe braucht, muss dafür selbst aktiv werden (Im Online-Kontext zu fragen ist oft aufwändiger, als sich mal schnell in einem Seminar in Präsenz zu melden)

Im schulischen Kontext besteht hier die große Gefahr, dass Online-Lernen nur für gute Lerner/innen klappt, die von Zuhause zugleich Unterstützung erhalten. Im Kontext der Erwachsenenbildung kann dieses Problem des Auseinanderdriftens von Kompetenzen ebenfalls auftreten. Man sollte sich dessen immer bewusst sein. Für bildungsferne Erwachsene benötigt das hier vorgestellte Konzept deshalb auch sicherlich einiges an Anpassung.

Doch auch für motivierte und kompetente Lernende ist Online-Lernen oft ungewohnt. Es hilft, wenn Lehrende in dieser Situation zugestehen, dass auch sie in dieser Situation Lernende sind. Gemeinsam kann man sich auf den Weg machen und Online Lernen erkunden. es gibt nicht den einen richtigen Weg!


Jetzt bist Du dran!

📖 Tipps zur Vertiefung

Axel Krommer, Philippe Wampfler und Wanda Klee haben im Auftrag des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes NRW sechs Hinweise zum Distanzlernen verfasst. Auch wenn der Fokus hier auf der Schule liegt, so können die vorgestellten 'didaktischen Schieberegler' auch für die Erwachsenenbildung als 'Konzeptions-Regeln' hilfreich sein.

📝 Anregungen zur Reflexion

Was für eine Art Online-Bildungsangebot möchtest Du gestalten? Welches Raster (mit welchen asynchronen und welchen synchronen Lernphasen) wäre dazu passend?