Heute habe ich die Zusammenfassung einer Evaluation von einer Veranstaltung erhalten, die ich vor ein paar Wochen konzipiert und durchgeführt habe. Die Ergebnisse haben mich zum Nachdenken gebracht.
Auf den ersten Blick sieht die Evaluation okay aus. Fast 80 Prozent der Teilnehmenden geben an, dass sie mit der Veranstaltung sehr zufrieden oder zufrieden waren. Daneben gibt es aber auch die anderen 20 Prozent, die die Veranstaltung mit neutral oder sogar mit unzufrieden bewerten. (Immerhin hat niemand ’sehr unzufrieden‘ gewählt, was als Option auch angeboten wurde.) Ungefähr 10 Prozent würden solch eine Veranstaltung ihren Kolleg*innen nicht weiter empfehlen.
Nun kann es ja sehr vielfältige Gründe geben, warum Menschen mit einer Veranstaltung nicht zufrieden sind: Das Essen schmeckte nicht, das Thema war nicht relevant, die Anreise war zu lang … In diesem Fall kann ich mich aber nicht hinter solchen Spekulationen verstecken, denn es gab auch Freitext-Antworten – und hier wird die Unzufriedenheit sehr klar artikuliert:
- Bemängelt wird zu wenig Input und zu viel eigenes Erkunden.
- Aus dem Austausch mit anderen konnte kein Gewinn gezogen werden.
- Das Lernen wurde als zu offen empfunden, z.B. freie Gruppenzuteilung oder Wahl eigener statt vorgegebener Themen.
Ich könnte es mir nun leicht machen und sagen: Das ist eben so. Man kann es nie allen recht machen! Zugleich stelle ich aber fest, dass die Evaluationen in eher Input-orientierten Formaten deutlich besser aussehen. Das bedeutet: Offensichtlich kommen Menschen, die mit offenen Formaten zurecht kommen, auch gut mit weniger offenen Formaten zurecht. Anders herum scheint das deutlich weniger der Fall zu sein.
Ich habe für diese Herausforderung keine Antworten, aber immerhin sind mir nun die Fragen klarer:
- Wie überzeuge ich Menschen, die traditionelles Lernen im Sinne einer Inputvermittlung erwarten, von den Vorteilen von offen angelegten Lernprozessen?
- Wie erkläre ich besser, was ich wie vorhabe und motiviere alle stärker dazu, sich darauf einzulassen?
- Wie ermutige ich alle, selbst Verantwortung für das Lernen zu übernehmen? (z.B. indem bereitgestellter Input genutzt und damit gearbeitet wird; denn natürlich gab es durchaus Input).
Ich freue mich sehr, auch andere Perspektiven zu dieser Herausforderung kennen zu lernen.
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4 Kommentare
@nele Bislang habe ich im Schulkontext immer nachgezeichnet, dass Top-Down und Teaching-to-the-test eben keine guten Lernansätze sind und deswegen "neue" Lernformen sehr viel mehr bringen. Im Alltag erleben die S*S das dann aber als anstrengend, weil sie entscheiden müssen, aktiv sein müssen. Und das wiederum wird ihnen regelmäßig zu viel. Dann muss ich nachschärfen. Meine Anwort: iterative Kontextualisierung. Immer wieder nachschärfen: warum mache ich was wie.
Ja, das klingt nach einem guten Ansatzpunkt. Danke!
Bei mir ist es eben meistens so, dass ich Teilnehmende nur punktuell für einen oder zwei Tage begleite und nicht längerfristig mit ihnen zusammenarbeite. Aber da muss ich dann eben hoffen, dass bei manchen etwas angestupst wird.
@nele Klar. Ich bin mir auch nicht im klaren wie man das auf dein Setting übersetzen kann.
Du könntest auch mal ausprobieren, dass zu externalisieren. Also in der EInleitung oder Flipped erklären und dann ultrakurz auf ein widerkehrendes Element ("Denkt an den Grummel", "Wir sind hier nicht im Kino", o.Ä), vielleicht sogar nur visuell (Grummelsmiley) reduzieren. Vielleicht funktioniert ja sowas in der Art.
Nebenbei: 80% Zufriedenheit sind bei transfornativen Workshops unfassbar viel!!!
Die Idee mit dem Grummel-Smiley gefällt mir sehr gut :-)