Herausforderungen bei der Tool-Auswahl in Gruppen

In immer mehr Communities, in denen ich aktiv bin oder die ich selbst initiiert habe, gibt es zum Austausch untereinander Messenger-Gruppen. Vor ein paar Jahren noch liefen diese überwiegend über den Messenger Telegram. Inzwischen scheint sich Signal immer größerer Beliebtheit zu erfreuen. Außerdem wird mit Discord oder anderen Tools experimentiert.

Auch das Educamp hat eine Messengergruppe – die so genannte ‚Kaffeeküche‘, die zurzeit auf Telegram läuft. Dort kam letzte Woche die Frage auf, ob man nicht zu Signal umziehen wolle.

Ich möchte hier die Diskussion nicht wiedergeben, sondern eher auf einer Meta-Ebene teilen, wie ich mich in solchen Fragen orientiere.

Im Kern geht es für mich um ein Ausbalancieren von drei Ansätzen, die gegensätzlich sein können, aber nicht zwangsläufig sein müssen:

  1. Offenheit: Wie offen (oder auch selbstbestimmt, nachhaltig, emanzipatorisch …) ist das Tool?
  2. Zugänglichkeit: Wie zugänglich ist das Tool für die beteiligten Personen?
  3. Verlässlichkeit: Wie verlässlich ist das Tool, d.h. können wir es jetzt und auch in absehbarer Zukunft gut nutzen?

Das Ausbalancieren zwischen diesen drei Aspekten ist oft herausfordernd, da es dazu natürlich jeweils nicht die eine richtige Antwort gibt, sondern die Antworten individuell unterschiedlich ausfallen werden. Am deutlichsten wird das oft im Bereich der Zugänglichkeit: Während manche Personen zum Beispiel schon lange ganz selbstverständlich auf Matrix aktiv sind, ist das für andere ein unbekanntes und tendenziell abschreckendes, nerdiges Tool. Es braucht also immer Kompromisse und die Bereitschaft aller Beteiligten sich in die jeweils ‚andere‘ Richtung zu bewegen.

In den letzten Monaten kam für mich speziell bei der Wahl von Tools zur Kommunikation noch ein vierter Ansatz dazu, den ich noch nicht fertig durchdacht habe, aber der mir zunehmend wichtig erscheint:

  • Diversität: Wie sehr lässt sich damit ein vielfältiger Diskurs erreichen?

Ich finde diesen vierten Aspekt wichtig, da es bei der Wahl von Kommunikationsräumen meiner Wahrnehmung nach zunehmend nicht nur um Offenheit, Zugänglichkeit und Verlässlichkeit geht, sondern auch um Darstellung einer bestimmten Überzeugung. Das bedeutet: Menschen wählen ihre Tools auch deshalb aus, weil sie sie (zumindest im Vergleich zu anderen) als die ‚guten‘ Tools einschätzen – und das somit vor sich selbst und/ oder auch nach außen zeigen möchten. Das ist aus meiner Sicht zunächst einmal durchaus sinnvoll und verständlich – und auch ich mache das so. Es ist dann eine bewusste Entscheidung, mit der individuelle Verantwortungsübernahme zum Ausdruck gebracht wird.

Problematisch wird diese Orientierung aus meiner Sicht dann, wenn sie vorrangig als Distinktionsmerkmal eingesetzt wird oder entsprechend wirkt. Der Hintergrund hierfür ist, dass Menschen mit unterschiedlichen Kommunikationsräumen unterschiedliche politische Auffassungen und Weltbilder verbinden – und entweder zu den einen oder zu den anderen gehören wollen. In diesem Fall kann die Wahl des einen oder anderen Kommunikationsraums dazu führen, dass eigentlich erwünschte Vielfalt im Austausch verloren geht.

Diesen Aspekt auszubalancieren, finde ich ziemlich schwierig. Hilfreich finde ich dazu insbesondere:

  • Transparenz: Wir können darüber sprechen, warum wir das eine oder das andere Tool präferieren – und was wir damit vielleicht auch zunächst unbewusst verbinden.
  • Fokus: Wir können uns vergegenwärtigen, worum es uns gemeinsam geht – und wie wichtig oder auch weniger wichtig in diesem Rahmen die konkrete Tool-Entscheidung ist.
  • Realistische Einordnung: Wir können uns bewusst machen, dass individuelle Verantwortungsübernahme wichtig und sinnvoll ist – und zugleich ohne politische Regulierung und strukturelle Veränderung manches Mal wenig bewirken kann.

Im konkreten Fall der Educamp-Kaffeeküche kam relativ schnell der Vorschlag, diese Entscheidung doch besser bei einem der nächsten Vor-Ort-Treffen zu besprechen, anstatt im Rahmen eines Messenger-Austauschs. Das finde ich sehr sinnvoll. Es ermöglicht dann auch zum Beispiel anhand dieser hier genannten Kriterien gemeinsam zu reflektieren.


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