„He, ChatGPT, das war meine Idee!“

Heute war ich mit einem interessanten KI-Fail konfrontiert, den ich gerne für mich festhalten will. Hier kommt deshalb die Geschichte dazu:

Morgen bin ich zu einem HRM Xmas Special in Leipzig eingeladen. Ich kenne die Zielgruppe nur sehr wenig. Eingeführt wurde ich, dass die Beteiligten wenig Erfahrungen zu Pädagogik mitbringen, aber interessiert daran wären, wohin die Bildung sich aktuell bewegt. Das soll ich in einem sehr knappen Impulsvortrag von rund 30 Minuten vorstellen.

Für solch einen Vortrag bietet sich eine Thesenform an. Und weil die Veranstaltung ja ein ‚Xmas Special‘ sein soll, kam ich auf den (sehr naheliegenden) Gedanken, die für mich wichtigsten Thesen zu Bildung mit weihnachtlichen Metaphern zu erklären. Beispielsweise könnten Geschenke für die ‚Kultur des Teilens‘ stehen, das Plätzchenbacken dafür, dass Entwicklung wichtiger ist, als Vermittlung oder der Adventskalender dafür, dass es mehr Prozess- statt Ergebnisorientierung beim Lernen braucht …

Diese ersten Ideen habe ich auch bei ChatGPT eingegeben und nach weiteren Ideen gefragt, die ich in meinem Vortrag verwenden könnte. Mein Prompt war also sinngemäß: Hier sind meine ersten Ideen: … Welche weihnachtlichen Metaphern eignen sich ansonsten für eine kollaborative, kreative und lernendenzentrierte Form von Bildung?

Schon während ich diesen Prompt formulierte, blitzten in meinem Kopf weitere Ideen auf und ich dachte: ‚Soll ich das jetzt wirklich mit ChatGPT entwickeln oder überlege ich besser erst einmal selbst weiter?‘. Allerdings blieb ich dann bei meinem ursprünglichen Plan und dachte: ‚Es schadet ja nichts, mir von ChatGPT hier mal direkt ein paar Inspirationen zu holen ….‘

Leider war die Antwort von ChatGPT dann direkt ziemlich perfekt bzw. in jedem Fall so gut, dass ich davon ganz viel fast schon direkt übernehmen hätte können. Genau deshalb geschah dann aber etwas Merkwürdiges: Anstatt mich zu freuen und die Antwort zu kopieren, wurde ich ärgerlich und unzufrieden. Ich dachte: ‚He, ChatGPT, das war meine Idee!! Du solltest das nicht für mich entwickeln, sondern mich nur dabei begleiten.‘ Hinter meinem Ärger stand die Erkenntnis, dass jetzt ja nicht mehr ich Urheberin war, sondern ChatGPT ‚meine‘ Ideen generiert hat. Dabei hätte ich das viel lieber selbst gemacht …

Als Konsequenz habe ich den Chat dann geschlossen und doch erst einmal selbst überlegt. Mindestens 70 Prozent des Vortrags sind jetzt wirklich meines. Beim Rest waren die Vorschläge von ChatGPT zu passend, als dass ich sie hätte draußen lassen wollen.

Ich finde: Eine sehr interessante und hilfreiche Erfahrung. Sie lehrt mich, dass es manches Mal in der Tat besser sein kann, ganz bewusst erst einmal selbst zu entwickeln, anstatt zu schnell bei einem KI-Sprachmodell nachzufragen.

Heute Abend war ich dann bei einer Austauschrunde mit der IG Metall im Rahmen ihrer Digitalen Woche eingeladen, wo es auch um KI ging. Ich erzählte dort meine Geschichte. Ein Kollege gab daraufhin den aus meiner Sicht guten Hinweis, dass so etwas natürlich auch ein Gradmesser sein kann, um die eigene Kreativität auf den Prüfstand zu stellen. Denn in diesem Fall war es wahrscheinlich in der Tat so, dass meine Idee, die ich sehr cool fand, nicht wirklich kreativ war, weil weihnachtliche Metaphern im Internet überall kursieren und sehr verbreitet sind. Ich könnte mir also zukünftig auch die Herausforderung stellen, Ideen zu entwickeln, bei deren Ausarbeitung ein KI-Sprachmodell nur wenig hilfreich ist.


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