ChatGPT-Actionfiguren: Ist das ein Meme und warum bin ich davon irritiert?

In meiner Social-Media-Timeline – vor allem auf LinkedIn – tauchen immer mehr ChatGPT-generierte Bilder auf, auf denen sich Nutzende als verpackte Actionfigur mit Beschreibung und mehreren Accessoires darstellen lassen. Ich bin von dem Trend eher genervt, als dass ich ihn inspirierend oder spaßig finde. Aber das kann natürlich auch einfach Geschmackssache sein. Spannender fand ich, diesen Trend aus der Perspektive zu betrachten, ob und wenn ja, wie sich in diesem Kontext gerade Netzkultur verändert.

Mein erster Zugang zum Trend der Actionfiguren war, ihn als ein Meme einzuordnen. Solche Memes gibt es in der Netzkultur ja schon sehr lange. Dirk von Gehlen hat dazu sogar ein ganzes Buch geschrieben. Und mindestens die Klassiker-Memes wie das „Distracted Boyfriend“-Meme sind weit verbreitet. Typisch ist aber, dass ein Meme nicht dauerhaft präsent ist, sondern zu einer bestimmten Zeit im Trend liegt. Vielleicht erinnerst du dich in diesem Sinne noch an die Memes zum blockierten Suezkanal im Jahr 2021. Grundsätzlich funktioniert ein Meme ja so, dass ein bestimmtes Ereignis oder Bild aufgegriffen und dann in unterschiedlichste Kontexte übertragen wird. Ein einzelnes Meme hat somit schon für sich genommen eine Aussage. Der eigentliche Witz entsteht aber erst durch den vielfachen Remix.

Zur Einordnung der ChatGPT-Actionfiguren als Meme passt also zunächst, dass sie als Trend auftauchen und in vielen unterschiedlichen Varianten geremixt werden. Trotzdem schien mir, dass sich irgendetwas verändert hat.

Meine erste Vermutung war: Es handelt sich um ein Meme, das kommerziell von einer zentralen Plattform angestoßen wird. Denn OpenAI hatte ein neues Bildgenerierungsmodell veröffentlicht – und das war der Auslöser für diesen Trend (der dann natürlich auch ganz wunderbar zur Vermarktung beiträgt). Bei genauerem Nachdenken fiel mir aber auf, dass es solche Entwicklungen auch früher schon gab. Besonders auf TikTok entstehen Trends und damit auch Memes oft dann, wenn die Plattform einen neuen Filter oder ähnliche Möglichkeiten anbietet.

Diese erste Vermutung erklärt somit vielleicht ein wenig mein persönliches Befremden gegenüber dem Trend, aber nicht die Irritation in Bezug auf den Meme-Charakter. Um das besser zu verstehen, habe ich mir meine Timeline noch einmal genauer angeschaut, um zu sehen, was da eigentlich für ein Remix passiert. Dabei fiel mir auf, dass der Remix nicht wirklich darin besteht, viele unterschiedliche Kontexte zu schaffen – so wie ich es sonst von Memes kenne. Vielmehr ist der Remix hier im Kern einfach die Übertragung auf die eigene Person. Wenn man es sehr böse ausdrücken will, könnte man von einer Art Selbstdarstellung sprechen.

Ich möchte hier nicht die Spaßbremse sein und weiß auch, dass ich mich selbst auch immer mal wieder an solchen Trends beteilige. Das hat ja auch viel Zufälliges, dass ich gerade das hier jetzt so irritiert anschaue. Ich gönne also selbstverständlich allen ihre Freude daran, eine neue Technologie auf diese Weise auszuprobieren und für sich zu erkunden. In diesem Sinne hat der Trend ja auch etwas sehr Gutes! Was ich jedoch im Vergleich zu früheren Memes zumindest in der überwiegenden Form der Veröffentlichungen vermisse, ist der politische oder gesellschaftliche Subtext, der bei vielen Memes ansonsten mitschwang oder sogar ganz zentral war. Aus meiner Sicht passiert das deutlich weniger, wenn sich der Meme-Charakter immer stärker in Richtung Selbstdarstellung verschiebt.

Diese Entwicklung konnte man auch schon früher beobachten: Auch viele TikTok-Trends fördern Selbstbespiegelung. Ebenso auch ein früherer ChatGPT-Trend, bei dem sich viele ein persönliches Profil auf Basis ihrer bisherigen Interaktionen mit dem Sprachmodell erstellen ließen. Auffällig ist also, dass vor allem plattformgetriebene Memes diese Entwicklung vorantreiben. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn genau solche Trends scheinen bei uns – ich nehme mich hier nicht aus – besonders gut zu funktionieren.

Ist es also tatsächlich so, dass zuhörende, miteinander kommunizierende und eben dann auch politische Memes insbesondere im Kontext von Plattform-KI-Tools auf dem Rückzug sind und vor allem hier immer mehr Selbstbespiegelungs-Memes entstehen? Und wenn ja: Was bedeutet das für uns als Gesellschaft und wie kann es uns gelingen, eine alternative Form von Netzkultur zurückzugewinnen?

Antworten habe ich auf diese Fragen noch nicht, aber zumindest verstehe ich meine Irritation nun besser. 🙂

Update 12. April: Mit meiner Irritation war und bin ich offensichtlich nicht alleine – und ich freue mich sehr, dass kreative Netzkultur trotz alledem immer noch lebendig ist. Mehr und mehr erlebe ich nun in meiner Timeline, das Menschen den Trend nutzen, um z.B. stereotype Personen in Unternehmen auf die Schippe zu nehmen. Oder auch, um selbst zum Stift zu greifen und eine Actionfigur zu kritzeln – statt sie mit KI generieren zu lassen.


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