Ich habe das Buch „4.000 Wochen“ von Oliver Burkemann gelesen. Es trägt den sehr passenden Untertitel „Das Leben ist zu kurz für Zeitmanagement“. Für mich war es das perfekte Buch für die Sommerferien!
Ich fühlte mich während der Lektüre zunächst ziemlich ertappt. Denn natürlich hatte ich mir das Buch vor meiner Abreise in den Urlaub nicht einfach nur deshalb auf meinen Tolino geladen, weil ich mal wieder etwas Schönes lesen wollte, sondern weil ich mir davon neue und inspirierende Ideen für meine berufliche Tätigkeit und auch ansonsten für mein Leben versprach. Ertappt fühlte ich mich dann beim Lesen, weil im Buch allen voran die Frage aufgeworfen wird, warum wir eigentlich unsere Zeit immer mit irgend etwas füllen, was auf die Zukunft gerichtet ist und zugleich immer mehr in unsere Zeit pressen wollen. Der alternative Weg, den das Buch aufzeigt, ist es, die Endlichkeit unseres Lebens zu akzeptieren. 4.000 Wochen sind die durchschnittliche Zeit, die uns in unserem Leben zur Verfügung stehen. Wir können nicht mehr Zeit ansparen. Wir müssen die Zeit, die wir haben, leben.
Die Lösung kann (zumindest für mich) allerdings auch nicht sein, einfach nur das Hier und Jetzt zu genießen und intensiv zu erleben. Denn mir ist es in meinem Leben wichtig, Sachen voranzubringen, zu entwickeln und zu gestalten. Diese Einschätzung wird im Buch geteilt – und zugleich für etwas mehr Demut plädiert. Es sei sehr wahrscheinlich nicht möglich und somit auch nicht nötig, etwas ganz Besonders/ Weltbewegendes/ Großartiges in den eigenen 4.000 Wochen zu vollbringen. Aber natürlich kann und sollte man trotzdem nicht gleichgültig gegenüber der Welt sein, sondern sich im Rahmen der eigenen Möglichkeiten bewusst für etwas entscheiden und dafür einsetzen. Dabei hilft es, wenn man sich immer klar macht, dass das angesichts von so vielen Herausforderungen nur ein ganz kleiner Schritt sein kann.
Ganz konkret nehme ich für mich diese drei Denkanstöße aus dem Buch mit:
- Die Frage, in welchen Lebensbereichen ich auf Bequemlichkeit aus bin, obwohl es viel besser wäre ein bisschen Unbequemlichkeit zu suchen. Diese Frage wird im Buch mit vielen Beispielen erläutert, die zeigen, dass unser Leben zwar immer effizienter wird, aber damit nicht unbedingt besser. Mir ist hier als erstes die aktuelle KI-Debatte eingefallen: Wie schnell und bequem hätte ich mir von ChatGPT eine Zusammenfassung zu dem Buch zur Veröffentlichung hier generieren können, aber wie wenig zufriedenstellend wäre das gewesen … (Ich war beim Lesen gerade außerdem mit öffentlichen Verkehrsmitteln irgendwo in der Provinz unterwegs, was ein tolles, weiteres Beispiel ergab. Denn für ca. 40 km brauchte ich fast 2 Stunden und drei Umstiege. In der Tat wäre es deutlich bequemer und effizienter gewesen, einfach eine gute halbe Stunde mit dem Auto zu fahren. Mehr ‚gelebt‘ habe ich aber definitiv mit dieser unbequemen Variante.)
- Die Überlegung, dass der Wert von Zeit vor allem auch dann entsteht, wenn es geteilte Zeit mit anderen ist. Natürlich schränke ich meine individuelle Freiheit und Verfügung über meine Zeit ein, wenn ich jeden Nachmittag die Kinder nach der Schule in Empfang nehme oder mich regelmäßig mit anderen verabrede. Nur durch diese Einschränkung habe ich aber die Möglichkeit, Zeit auch mit anderen zu erleben. (Das Bild, das im Buch hier genutzt wird, ist das von einem Telefonanschluss: Es bringt mir nichts, ganz viele Telefonanschlüsse für mich zu haben. Der Wert eines Telefonanschlusses wächst für mich dann, wenn auch andere Telefonanschlüsse haben, weil ich mich dann mit ihnen verbinden kann. Ganz ähnlich ist es mit unserer Zeit).
- Der Appell zu mehr spontaner Großzügigkeit: Nett sein zu anderen, etwas zu geben und zu teilen und auch großzügig zu sich selbst zu sein, hält innerhalb unserer gesellschaftlichen Strukturen Effizienz-Überlegungen sehr wahrscheinlich nicht lange stand. Deshalb kann es gut sein, solchen Impulsen möglichst immer direkt nachzugeben – denn sonst macht man es wahrscheinlich nie.