Dieser Artikel ist eine Dokumentation von meinem dritten Experiment bei Kreation 2.0 – meiner Kreativitäts-Challenge im Kontext von KI. Ich habe es am 17. Dezember 2024 durchgeführt.
Idee
Bei Kreation 2.0 geht es ja um die Entwicklung von Ideen für Leitbilder von Lernen in einer KI-geprägten Welt, auch wenn das eigentlich nur der ‚Aufhänger‘ ist und der Kern des Experiments ja die Reflexion und Entwicklung von veränderten Formen von Kreativität ist. Trotzdem hatte ich beim vorherigen Experiment gemerkt, dass ich die Ideenentwicklung selbst ernster nehmen muss, wenn ich nicht nur oberflächliche Methodenentwicklung betreiben will. Deshalb habe ich mir für heute vorgenommen, für mich herauszuarbeiten, was für die Leitbild-Entwicklung in der Bildung im Kontext von KI für mich wichtig ist und wo bei mir dabei vielleicht auch noch blinde Flecken liegen.
Prozess
Schritt 1: Mein erster Versuch war es, mit dem OpenAI-Playground zu experimentieren. Hier habe ich den Satzanfang eingegebenen: „Gutes Lernen in einer KI-geprägten Welt bedeutet …“ und habe mir dann diesen Satz auf zehn unterschiedliche Arten und Weisen vervollständigen lassen. Dabei habe ich mit unterschiedlichen Parameter-Einstellungen experimentiert und insbesondere die si genannte Temperatur höher gestellt. Mein Ziel damit war, dass ich auch viele Nennungen bekomme, die nicht offensichtlich sind und mich deshalb auf neue Ideen bringen. Leider hat das nicht geklappt. In den meisten Fällen habe ich entweder sehr offensichtlichen Output erhalten – oder komplett wirren, d.h. eine Zusammenstellung, in der einzelne Wörter gar nicht mehr wirklich erkennbar waren. Das war technisch sehr spannend. Inhaltlich hat es mich nicht weiter gebracht.
Schritt 2: Mein nächster Versuch war dann, zu ChatGPT zu wechseln und es über eine gezielte Eingabe zu versuchen, dass ich eben gerade nicht-offensichtlichen Output erhalte, an dem ich dann weiter denken kann. Mein Prompt lautete:
Wir machen ein Brainstorming-Spiel. Wenn ich Los tippe, schreibst du 10 Ideen, was gutes Lernen in einer KI-geprägten Welt bedeutet. Dann schreibe ich eine Idee. Dann du wieder 10. Die Regel ist, dass sich eine Idee nie wiederholen darf. Außerdem geht es um die Entwicklung um besonders kreativen Ideen, die in der Diskussion vielleicht wenig berücksichtigt sind. Wenn ich Stopp schreibe, ist das Spiel zu Ende. Hast du es verstanden?
Ich habe hier bewusst mir selbst eine auch schreibende Rolle zugewiesen, weil ich schon aus den bisherigen Experimenten gelernt habe, dass das für ein wirklich aktives Mitdenken sehr viel förderlicher ist, als einfach mal generieren zu lassen. Inhaltlich kamen hier tatsächlich auch jede Menge Ideen. Beispiele:
- Smarte Lernökosysteme: Physische und digitale Räume, die „mitdenken“ – Tische, die Aufgaben vorschlagen, Räume, die motivierende Musik oder Lernwerkzeuge basierend auf Fortschritt bereitstellen.
- Algorithmische Kreativitätsschulen: Spezielle Schulen, in denen KI eingesetzt wird, um divergentes Denken und wilde Ideen zu fördern, anstatt nur Wissensaneignung zu messen.
- Grenzlernumgebungen: KI hilft Lernenden gezielt dabei, außerhalb ihrer Komfortzone zu denken – durch kuratierte Fragen, verrückte Hypothesen und absurde, aber lehrreiche Szenarien.
- …
Allerdings war mir das alles zu sehr in Richtung: ‚Was können wir mit KI in der Bildung machen?‘ und weniger auf die Leitbilder orientiert. Ich werde mir dieses Experiment merken und darauf später noch einmal zurück kommen. Für mein heutiges Anliegen hat es mir nicht geholfen.
Schritt 3: Interaktive 5-Why Methode
Beim Nachdenken über die Herausforderung ‚tiefer zu bohren‘ viel mir die 5-Why-Methode ein. Sie stammt ursprünglich aus der Fehlerbearbeitung in der Produktentwicklung oder der Bewältigung von Teamkonflikten. Sie funktioniert so, dass man eine Aussage trifft – und dazu dann fragt, warum das so ist. Die Antwort hinterfragt man wieder mit warum. So geht es mindestens 5 mal weiter und man gelangt so immer besser an den Kern des Problems.
Ich habe mir überlegt, das in Interaktion mit einem KI-Sprachmodell auszuprobieren. Das war mein Prompt dafür:
Wir spielen ein Spiel. Ich schreibe eine Aussage zu KI im Bildungskontext - und direkt daran anschließend die Warum-Frage dazu. Du beantwortest die Warum-Frage und hinterfragst wiederum deine Antwort mit einem Warum. Wenn ich Stopp sage, fragst du mich, was ich aus dem Frage-Antwort-Spiel besonders spannend fand - und schreibst mir in Reaktion auf meine Antwort, was du besonders kreativ und neu empfindest. Alles klar?
Meine erste Aussage und Frage war: Im Kontext von KI in der Bildung werden originär menschliche Fähigkeiten wie Intuition wichtiger. Warum werden im Kontext von KI in der Bildung originär menschliche Fähigkeiten wie Intuition wichtiger?
Auf diese Frage reagierte das KI-Sprachmodell und wir kamen in ein PingPong Spiel. Am Ende waren wir zu sehr grundlegenden Fragen nach dem Sinn des Lebens und der Rolle des Menschen in der Welt vorgedrungen. Hier ist der Chat dazu.
Bei diesem Chat hatte ich hin und wieder den Eindruck, dass wir uns im Kreis drehen. Darum habe ich den Prompt noch darum erweitert, dass Zirkelschlüsse vermieden werden sollen. Neu lautete er dann:
Wir spielen ein Spiel. Ich schreibe eine Aussage zu KI im Bildungskontext - und direkt daran anschließend die Warum-Frage dazu. Du beantwortest die Warum-Frage und hinterfragst wiederum deine Antwort mit einem Warum. Wir achten beide darauf, dass wir uns nicht im Kreis drehen, d.h. die Warum-Frage soll immer weiter führen und tiefer bohren. Wenn ich Stopp sage, fragst du mich, was ich aus dem Frage-Antwort-Spiel besonders spannend fand - und schreibst mir in Reaktion auf meine Antwort, was du besonders kreativ und neu empfindest. Alles klar?
Mit diesem Prompt habe ich noch zwei weitere Durchgänge gespielt – und dabei versucht, erst einmal mit konkreteren Sachen einzusteigen. Zunächst mit: Lernende können KI nur sinnvoll nutzen, wenn sie die Funktionsweise der Technologie verstehen. Warum können Lernende KI nur sinnvoll nutzen, wenn sie die Funktionsweise der Technologie verstehen?
Und im nächsten Durchgang dann mit: Wir müssen uns mit KI auseinandersetzen, weil diese Technologie zur Lebensrealität von Lehrenden und Lernenden gehört. Warum gehört KI-Technologie zur Lebensrealität von Lehrenden und Lernenden?
Auch bei diesen beiden Chats landete ich am Ende wieder beim Bewusstsein des Menschen und dem Sinn des Lebens.
Ergebnis und Reflexion
Ich fand dieses Experiment insgesamt sehr aufschlussreich:
- Ich habe gelernt, dass man manchmal etwas suchen muss, bis man eine gut geeignete Interaktionsform findet. Ich war erst bei Schritt 3 zufrieden. Hier hatte den Eindruck, selbst sehr aktiv dabei zu sein. Die Methode erscheint mir somit sehr lernförderlich.
- Ich musste mich auf einen offenen Lernprozess einlassen, was ich spannend fand.
- Inhaltlich nehme ich mit, dass KI in der Bildung uns dazu herausfordert, uns über unser Menschenbild zu verständigen. Das war natürlich schon immer zentral für die Leitbildentwicklung in der Bildung. Mir ist es durch dieses Experiment aber noch einmal viel bewusster geworden.
Lustigerweise hat ChatGPT das inhaltliche Ergebnis am Ende eines der Chats bei der Reflexion sehr passend als Fazit generiert: KI ist vielleicht ein Werkzeug, das uns dabei hilft, Fragen zu stellen und Wissen zu kontextualisieren, aber es sind unsere menschlichen Sinnfragen, die den Kern der Bildung und des Lernens ausmachen.
Die Interaktionsform erschien mir heute als Pingpong zwischen Analyse und Interaktion mit der Maschine. Das Ergebnis sehe ich überwiegend als von mir generiert an. Meine natürliche Skepsis gegenüber intransparenten Algorithmen lässt mich aber das Kreuz etwas in Richtung Maschine verschieben. Ich weiß nicht, inwieweit ich mich nicht doch habe führen lassen, anstatt selbst zu denken.
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