Dieser Artikel ist eine Dokumentation von meinem zweiten Experiment bei Kreation 2.0 – meiner Kreativitäts-Challenge im Kontext von KI. Ich habe es am 16. Dezember 2024 durchgeführt.
Idee
Nachdem ich heute morgen ein erstes Experiment durchgeführt habe, mit dem ich Slogans zu einem Nordstern guter Bildung entwickelt habe, hat das Thema noch weiter in mir gearbeitet. Mir ist aufgefallen, dass ich das Thema „Schule als Wohlfühlort“ gar nicht berücksichtigt hatte. Es war bestimmt kein Zufall, dass mir das eingefallen ist, sondern ich war beim Scrollen via Social Media am Morgen ganz kurz an einem Beitrag von Philippe hängen geblieben, der genau dieses Thema im Titel ansprach. Meine Idee war vor diesem Hintergrund, nach einer Kreativitätsmethode im Sinne von Kreation 2.0 zu suchen, die eine Auseinandersetzung mit diesem Thema ermöglicht.
Prozess
Das genaue Ziel meiner Erkundung war mir zu Beginn gar nicht wirklich klar. Die oben geschilderte Idee ist ja recht vage. Deshalb bin ich sehr offen erkundend und in mehreren Schritten vorgegangen.
Schritt 1: Ich habe den Artikel von Philippe gesucht und gelesen, der mich überhaupt auf die Idee gebracht hatte. Inhaltlich konnte ich hier sehr zustimmen und auch strategisch konnte ich gut nachvollziehen, wie schwierig es oft ist, gegen eine adultistische Position im Sinne von ‚Schluss mit der Kuschelpädagogik‘ zu argumentieren. Als Kreativitätsmethode fiel mir hier ein, dass es immer hilfreich ist, sich in unterschiedliche Perspektiven hineinzuversetzen und testweise aus diesen Perspektiven zu argumentieren, um sie so besser nachvollziehen zu können bzw. dadurch auch die eigenen Argumente schärfen zu können.
Schritt 2: Ich lese gerade ‚Mach dich frei!: 100 mentale Modelle für klares Denken und bessere Lösungen‘ von Svenja Hofert. In diesem Buch wurde ich an den ‚Confirmation Bias‘ erinnert. Das bedeutet kurz gefasst, dass Menschen die Tendenz haben, das als erstes bzw. am lautesten zu hören, was am klarsten in ihr eigenes Weltbild passt. Dieser ‚Conformation Bias‘ fiel mir nun im Kontext des Themas Wohlfühlpädagogik wieder ein – und ich reflektierte, dass das Argumentieren gegen adultistische Positionen gerade deshalb schwierig sein könnte.
Schritt 3: Als ich im Kontext des Confirmation Bias darüber nachdachte, dass man nur das hören will, was zum eigenen Weltbild passt, fiel mir das Kinderspiel ‚Stille Post‘ ein: Eine Person flüstert etwas in das Ohr der neben sitzenden Person, die gibt das, was sie gehört hat, an die nächste Person weiter … Am Ende der Reihe hat der entwickelte Satz oft nur noch sehr wenig mit dem Satz am Anfang zu tun. An diesem Spiel habe ich weiter überlegt, ob und wenn ja wie ich es zu einer Kreativitätsmethode im Sinne von Kreation 2.0 umfunktionieren könnte.
Schritt 4: Im Ergebnis habe ich einen PingPong-Prompt entwickelt, bei dem mit einem KI-Sprachmodell gechattet wird – und man immer wieder in eine andere Rolle schlüpft und die Aussage der vorherigen Person durch seine Perspektive umformuliert. Das ist der Prompt:
Ich möchte mit dir ein Spiel spielen, das folgendermaßen funktioniert.
1. Wir sind immer abwechselnd an der Reihe. Ich starte, dann du, dann schreibe ich wieder etwas, dann du ... Das Spiel endet, wenn ich schreibe: Das Spiel ist zu Ende!
2. Wir nehmen in unseren Beiträgen immer eine zufällig ausgewählte Rolle aus der Schule ein. Das kann eine Lehrperson, eine Schülerin, ein Elternteil, eine außerschulischer Partner, die Schulleiterin ... sein. Alle diese Rollen können jeweils unterschiedliche Ausprägungen haben (z.B. eine sehr gute Schülerin, ein Schüler mit Migrationshintergrund, eine Lehrerin, die sich an reformpädagogischen Prinzipien orientiert, ein Elternteil, das große Sorgen im Kontext der Digitalisierung hat ... In jedem Beitrag entscheiden wir uns für eine andere Rolle.
3. Wir bauen unseren Beitrag folgendermaßen auf: Ich bin [fiktiver Name und Infos zu meinen Charakteristika]. Ich habe von dir diese Aussage gehört: [Wiederholung der Aussage von dem Beitrag davor]. Ich denke dazu: [Ganz kurze Erläuterung der Perspektive]. Das bringt mich stattdessen zu dieser Aussage: [neue Aussage]
4. Die Beiträge sollen in sich logisch formuliert sein und immer eine veränderte Perspektive zum vorherigen Beitrag aufmachen. Der erste Beitrag wird von mir stammen. Da es der erste Beitrag ist, kann ich da noch nicht auf einen früheren Beitrag Bezug nehmen.
Hast du das Spiel verstanden und kann ich mit dem ersten Beitrag starten?
Schritt 5: Ich habe den Prompt in einem Chat mit ChatGPT 4.0 ausprobiert, den du hier nachlesen kannst. Dabei habe ich zunächst versucht, die Position von Philippe einzunehmen und die erste Eingabe im Spiel wie folgt formuliert: „Ich bin Lehrer an einem Gymnasium in der Schweiz. Mir ist sehr daran gelegen, Bildung umzugestalten, so dass sie sozialer ist und von den Lernenden gedacht wird. Meine Aussage ist: „Schulen müssen so gestaltet sein, dass junge Menschen sich wohlfühlen, sonst können sie nicht gut lernen.“ ChatGPT hat geantwortet und es ging im Pingpong immer Hin und Her bis ich das Spiel beendete.
Ergebnis
Ergebnis dieses Experiments ist der oben unter Schritt 4 genannte Prompt, der beliebig auch auf andere Themen übertragen werden kann.
Reflexion
Ich mag den Prompt, den ich entwickelt habe und denke, dass er in unterschiedlichen Kontexten nützlich sein kann. Bei meinem eigenen Chat dachte ich manches Mal: „Ah, jetzt wird es zu langweilig und offensichtlich.“. Dann fiel mir ein, dass ich es ja selbst zur Hälfte in der Hand habe, wie der Chat weiter verläuft. Genau deshalb mag ich den Ansatz auch so gerne: Es ist nicht ein Prompt, bei dem ich ein KI-Sprachmodell etwas generieren lasse, was ich dann weiternutze, sondern es ist ein Prompt der mich – wenn ich gut und vielfältig ’spiele‘ – selbst herausfordert und zum Nachdenken bringt. In diesem Sinne geht es im Chat auch gar nicht um ein Ergebnis, sondern der Prozess steht im Fokus.
Bei der Entwicklung dieser Prompting-Methode bin ich sehr intuitiv vorgegangen. Es war überwiegend spazierengehend, dass ich Schritt 1- 3 überlegt habe. Den Prompt habe ich dann Zuhause aufgeschrieben und ausprobiert und mir dann neue Gedanken dazu gemacht.
Die Folge war dieses Mal also: Intuition (= erste Ideenentwicklung und Assoziationen), Analyse (= Promptformulierung), Maschine (= Ausprobieren). Da ich mir beim Chatten selbst Gedanken mache, kann das wiederum Auswirkungen auf die Möglichkeiten von Intuition und Analyse haben. Ich werde also im besten Fall durch die Nutzung klüger! Auf der Mensch-Maschine-Skala ordne ich die Entwicklung des Prompts ganz bei mir ein.
Hier ist diese Reflexion noch einmal aufgezeichnet:
Mit diesem Experiment und dem Ergebnis bin ich ganz zufrieden. In solch eine Richtung erscheint es mir lohnend, weiter zu denken.
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