Dieser Artikel ist eine Dokumentation von meinem 13. Experiment bei Kreation 2.0 – meiner Kreativitäts-Challenge im Kontext von KI. Ich habe es am 22. Januar 2025 durchgeführt.
Idee
Das heutige Experiment war wieder Teil einer beruflichen Herausforderung: Ich gestalte zurzeit mit der Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendarbeit in Schleswig-Holstein (LKJSH) eine Fortbildungsreihe zu TikTok. Am Freitag ist der nächste Termin, an dem vor allem orientierender Input vorgesehen ist. Ich wollte experimentieren, ob und wenn ja wie ich so etwas gut in einer neuen Form von Interaktion zwischen Mensch und Maschine vorbereiten kann.
Prozess
Schritt 1: Zu Beginn war mir zunächst hauptsächlich klar, was ich nicht wollte: Eine sehr fremdbestimmte Vortragsvorbereitung, bei der ein KI-Sprachmodell (oder evtl. direkt ein KI-Präsentationstool) auf Basis eines Prompts von mir Vortragsfolien gestaltet – und ich diese dann nur noch anpasse und vortrage. Stattdessen ist der Prozess der Präsentationserstellung für mich immer sehr grundlegend, um meine Gedanken zu sortieren und dann überzeugend vortragen zu können. Meine Herausforderung war somit, eine neue Form von Interaktion zu finden, die eine gute und vor allem selbstbestimmte Vortragsvorbereitung ermöglicht. Ich kam zum Schluss, dass ich von einem KI-Sprachmodell vor allem so profitieren kann, dass ich erstens gezielt auf kuratierten bzw. von mir selbst erstellten Inhalten aufbaue. Zweitens wollte ich einen Versuch der Interaktion starten, bei dem ich aus Überfluss auswähle und auf diese Weise in einen eigenständigen Denkprozess komme.
Schritt 2: An Materialien hatte ich zum einen einen Blogbeitrag von mir und zum anderen einen Podcast, den ich mit Jöran vor einigen Jahren aufgezeichnet habe. Darüber hinaus nahm ich jetzt noch ein weiteres Audio auf, in dem ich neuere Entwicklungen und Gedanken von mir aufnahm. Dabei konnte ich auch direkt auf die Fragen und Anforderungen der Teilnehmenden der Fortbildungsreihe eingehen.
Schritt 3: Ich überlegte mir einen Prompt, der mich dieses Mal bewusst ‚draußen‘ ließ, denn ich wollte wie gesagt mal mit einer veränderten Interaktionsform experimentieren.
Das war der Prompt:
Aus einer kulturellen Perspektive habe ich zu TikTok gelesen: TikTok ist gut und schlecht; ist eine Bedrohung und ein Segen; belebt die Kultur und reißt sie nieder. Solche Widersprüchlichkeiten als kurze Thesen würde ich gerne auch aus medienpädagogischer Perspektive formulieren. ich habe dazu ein Transkript mit meinen Gedanken aufgezeichnet. Außerdem habe ich einen Blogbeitrag und ein Transkript eines Podcasts. Ich würde diese drei Inhalte gerne mit dir teilen und deine Aufgabe ist es dann solche Widerspruchs-Aussagen zu formulieren.
Es gelten dann diese Regeln:
1. Du formulierst so viele Widerspruchs-Aussagen wie möglich, kannst aber nur Aspekte aufgreifen, die in den geteilten Inhalten angesprochen werden.
2. Du formulierst prägnante und gut verständliche Widerspruchs-Aussagen.
3. Die formulierten Widerspruchs-Aussagen sind insbesondere relevant für die medienpädagogische Arbeit.
Bitte frage nach, wenn du diese Regeln und das Vorgehen nicht verstanden hast. Sonst lass uns starten!
Schritt 4: Es gab dazu keine Nachfragen des KI-Sprachmodells und es wurden direkt erste vierzig Widerspruchsaussagen formuliert. Ich habe daraufhin den Prompt noch geöffnet und wie folgt nachgefragt:
Fallen dir noch weitere mögliche Widerspruchs-Aussagen zu TikTok ein, die du bisher nicht genannt hast, weil sie in den Inhalten keine Rolle spielen? Dazu heben wir die Regel auf, dass du dich nur auf meine geteilten Inhalte beziehen sollst. Ich möchte gerne ergänzende Widerspruchs-Aussagen außerhalb meiner Inhalte. Bitte achte darauf, dass du nur zusätzliche Widerspruchs-Aussagen schreibst und nichts wiederholst, was du bereits geteilt hast
Mit diesem Prompt erhielt ich weitere 10 Thesen und hatte somit insgesamt eine Liste von 50 ‚Widerspruchs-Aussagen‘.
Schritt 5: Ich überlegte mir, wie ich mit diesem Überfluss nun am besten in einen Denkprozess kommen kann. Meine Idee dazu war, die Aussagen auszudrucken und als einzelne Karten zu zerschneiden. Parallel hatte ich mir bereits eine grobe Gliederung für meinen Vortrag überlegt. Ich wollte über die Inhalte auf TikTok, die Plattform, das mögliche Netzwerk, den Editor und Alternativen sprechen. Diese gewünschten Bereiche schrieb ich untereinander auf ein weißes Blatt. Danach las ich mir die Widerspruchs-Karten durch und versuchte, jede Karte zu dem am besten passenden Bereich zuzuordnen. Das klappte sehr gut!

Schritt 6: Bis jetzt hatte ich nur sortiert. Die größere Herausforderung schien mir aber, die prägnanten Inhalte aus dem Überfluss heraus zu destillieren. Dazu ging ich einen Bereich nach dem anderen durch und machte zweierlei: Als erstes sortierte ich die Karten zusammen, die ähnliche Aussagen umfassten. Zweitens versuchte ich aus den zusammengefassten Kartenstapeln immer einen ganz kurzen Widerspruch zu formulieren und auf einem Post-It festzuhalten.

Schritt 7: Die Post-Its waren dann die Grundlage, um meine Inhalte für den Vortrag prägnant zu formulieren. Das machte ich wiederum am Computer.
Ergebnis
Im Ergebnis ist diese Grobgliederung entstanden, auf die ich nun bei meiner Präsentationserstellung aufbauen kann:
Clips bei TikTok
- zeigen Vielfalt und Vereinheitlichung
- erlauben Spiel & Spaß und konfrontieren mit Extremismus
- bieten kurze Inspiration und führen zu langem Konsum/ Zeitverschwendung
Die Plattform
- informiert über aktuelle Themen und befördert Hypes
- ermöglicht Neugier und Personalisierung und birgt die Gefahr von Manipulation und Ausschluss
- ermöglicht relevante Inhalte und orientiert auf Kommerz und Vereinfachung
Das Netzwerk
- ist global und kulturell dominiert
- lädt zu Kommunikation ein und orientiert auf Aufmerksamkeit/ Flüchtigkeit/ Oberflächlichkeit
- ist offen und sehr begrenzt/ temporär
Der Editor
- ist sehr mächtig und lässt sich mit Daten bezahlen
- ist offen und engt ein.
- ermöglicht niederschwellige Kreativität und führt zu Stereotypisierung
Mein Fazit für die Medienpädagogik
- Viele Inhalte und wenig Regulierung!
- Riesiger Erkundungsraum mit intransparenten Begrenzungen!
- Kreative Selbstfindung mit der Gefahr von Stereotypisierung!
- Personalisierung versus ungewollte Filter-Bubble nach Kriterien von Aufmerksamkeit!
- Viel Austauschmöglichkeit, aber wenig reale und dauerhafte Akteure!
Deshalb: Aufgreifen, reflektieren, Alternativen anbieten!
Zusätzlich sind auch die entstandenen 50 ‚Widerspruchs-Aussagen‘ gut nutzbar. Ich habe sie als Set für einen Kartenaustausch eingestellt.
Reflexion
Ich finde, dass die Interaktion mit der Maschine in diesem Fall gut funktioniert hat. Ich habe für mich somit etwas Neues gelernt: KI-Interaktion kann auch in der Form gewinnbringend funktionieren, dass ich mich bewusst erst einmal zurück lehne und dann mit dem produzierten Überfluss in ein eigenes Denken kommen. Die analoge Form des Arbeitens eignet sich für den dazu benötigten Abstand aus meiner Sicht sehr gut.
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