Wie kann ich in Veranstaltungen sinnvoll eine Rolle als Impulsgeberin ausfüllen?

Die Frage, der ich im Folgenden nachgehen will, steht ja schon im Titel: „Wie kann ich in Veranstaltungen sinnvoll eine Rolle als Impulsgeberin ausfüllen?“ Bevor ich dazu sechs Praxisideen teile, möchte ich zunächst die Frage begründen und einordnen.

Begründung und Einordnung

Hier in meinem Blog agiere ich sehr oft als Impulsgeberin: Ich teile meine Learnings, meine Ideen und auch viele ganz praktische Anleitungen zum Weiternutzen für alle Interessierten. In Veranstaltungen fällt es mir dagegen oft deutlich schwerer, diese Rolle auszufüllen. Das hat mehrere Gründe:

  • Ich sehe mich überwiegend als Lerngestalterin. Das bedeutet, dass ich einen Rahmen entwickeln will, in dem Lernende gut und ausgehend von ihren Fragen, Erfahrungen und Bedürfnissen lernen können.
  • Ich habe den Anspruch, dass Lernende vor allem auch das Lernen selbst lernen. Das funktioniert nur mit aktivem Ausprobieren und Erkunden.
  • Ich möchte Lernende zu einer aktiven und eigenverantwortlichen Rolle im Lernprozess befähigen. Mein Ziel ist es, Lernende zu ermutigen, selbst Initiative zu ergreifen, ihre eigenen Fragen zu stellen und ihren Lernweg aktiv zu gestalten.
  • Ich lehre zu guter Bildung im digitalen Wandel. In diesem Bereich gibt es sehr viele offene Fragen, und wichtig scheint mir vor allem, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen. Darum möchte ich nicht den Anschein erwecken, fertige Antworten zu haben.
  • Gutes Lernen funktioniert meiner Überzeugung nach insbesondere im Austausch von- und miteinander – nicht primär durch frontalen Input.

Diese Gründe führen dazu, dass ich mich selbst in meinen Veranstaltungen oft bewusst zurücknehme, um Raum zum Lernen zu schaffen. Das funktioniert sehr oft auch sehr gut – und ich habe in diesem Blog schon viele methodische Ideen in diese Richtung geteilt. Gleichzeitig bekomme ich aber auch immer wieder das Feedback, dass Lernende sich „mehr Impulse“ von mir und „mehr direkten Austausch“ mit mir wünschen. Anders formuliert: Ich solle in Veranstaltungen auch mehr als Impulsgeberin agieren! Den Wunsch kann ich gut nachvollziehen. Mein Anspruch ist es, diese Rolle auszufüllen, ohne aber zugleich zu sehr die Inhalte vorzugeben, das eigene Erkunden der Lernenden zurückzustellen, eine passive Haltung zu befördern, den Anschein von fertigen Antworten zu vermitteln oder Austausch zu verhindern. Das ist ziemlich herausfordernd!

Klar ist, dass die impulsgebende Rolle vor diesem Hintergrund immer nur einen Teil einer Lernveranstaltung ausmachen kann – und es zusätzlich auch viele Phasen gibt, in denen ich dann stattdessen wieder den Fokus auf die Lerngestaltung und den Rahmenbau lege. Zusätzlich orientiere ich mich immer auch auf asynchrones Lernen, in denen ich eine impulsgebende Rolle z. B. durch Kuratierungen und individuelle Begleitung einnehmen kann.

Wie aber funktioniert die Rolle als Impulsgeberin im synchronen Kontext? Hier folgen dazu wie angekündigt sechs Praxisideen.

Praxisideen

Ich schreibe die folgenden Praxisideen aus meiner Perspektive einer in der Erwachsenenbildung tätigen Person. Charakteristisch ist für meine Arbeit, dass ich mit Lernenden oft nur punktuell zusammenarbeite, weil es z. B. ein Fortbildungsangebot oder einen Workshop gibt, den ich konzipiere und durchführe. Wer mit Kindern und Jugendlichen arbeitet und diese über einen längeren Zeitraum pädagogisch begleitet, wird sehr wahrscheinlich andere Erfahrungen machen.

1. Impuls als ‚Lernreise‘

Meine Lieblingsherangehensweise als Impulsgeberin ist, dass ich nicht das Ergebnis meines eigenen Lernens weitergebe, sondern stattdessen über mein eigenes Lernen berichte: Was habe ich zu diesem Thema wie und warum gelernt?

Im Kontext von KI bedeutet das zum Beispiel, dass ich nicht eine Übersicht über fünf empfehlenswerte Prompting-Techniken teile. Stattdessen stelle ich dar, wie ich zu diesen Prompting-Techniken gekommen bin: Erst habe ich überhaupt verstehen müssen, wie solch ein KI-Sprachmodell funktioniert, und dabei das Bild des „stochastischen Papageis“ entdeckt und zugleich auch gelernt, wo Large Language Models weitergehen. Dann habe ich erste Versuche unternommen, zu denen ich dann erklären kann, was daran nicht gut funktionierte. Dann kamen ausgefeiltere Experimente, die ich auch zeigen kann. Und schließlich kann ich transparent machen, worüber ich in der Gegenwart gerade nachdenke und an was ich erkunde, was aber noch nicht fertig durchdacht und abgeschlossen ist.

Solch eine „Lernreisen“-Darstellung hat aus meiner Sicht mehrere Vorteile:

  1. Die Darstellung ist für Zuhörende sehr gut nachvollziehbar. Denn auch ich habe so ja gelernt. Wenn Lernende stattdessen direkt mit dem Ergebnis des Lernens konfrontiert werden, ist das erst einmal viel herausfordernder.
  2. Die Darstellung legt den Fokus auf den Prozess des Lernens. Lernende werden dazu eingeladen (und hoffentlich auch motiviert), ihre eigene Lernreise zu starten.
  3. Die Darstellung zeigt, dass Lernen nicht abgeschlossen ist. Auch ich bin in diesem Sinne als lehrende Person immer auch lernende Person.

2. Individuelle Erfahrungen teilen

Eng verbunden mit der Lernreise ist ein persönlicher Erfahrungsbericht. Diesen Zugang wähle ich vor allem dann, wenn es um sehr grundsätzliche Themen geht: Kultur des Teilens, Veränderung der Lernkultur, veränderte Rolle von Pädagog*innen im digitalen Wandel

Bei einem Erfahrungsbericht gehe ich meist so vor, dass ich mit dem „Warum“ beginne, also darstelle, warum ich das Thema relevant und wichtig finde. Anschließend teile ich (ähnlich wie bei der Lernreise), wie ich vorgehe, welche (auch negativen) Erfahrungen ich sammle und was vor diesem Hintergrund mein Fazit ist.

Im Kontext von einer Kultur des Teilens kann das zum Beispiel so aussehen, dass ich mein Geschäftsmodell des Teilens vorstelle, das ich im eBildungslabor praktiziere. Ich erläutere dann zunächst, wie und warum ich dazu kam. Zum Beispiel, dass ich nicht für die Schublade arbeiten will und dass ich als Solo-Selbstständige natürlich auch im Blick haben muss, meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Dann kann ich einige Beispiele aus der Praxis teilen, die gut liefen, und solche, die gescheitert sind. Und am Ende kommen ein paar zusammenfassende Empfehlungen.

Wichtig scheint mir bei diesem Modell erstens zu sein, dass man ehrlich und authentisch spricht. Es bringt meiner Erfahrung nach überhaupt gar nichts, so zu tun, als sei – um in diesem Beispiel zu bleiben – das Teilen immer super einfach und hilfreich. Viel überzeugender ist es, darzustellen, was alles doof läuft und warum ich es trotzdem sinnvoll finde. Zweitens finde ich es wichtig, die Darstellung wirklich als persönlichen Erfahrungsbericht anzulegen und immer wieder zu betonen, dass ich aus meiner individuellen Perspektive spreche. Vieles davon kann sicherlich auch für die Lernenden übertragbar sein, vieles andere aber auch nicht.

Der Fokus der Darstellung liegt dann darauf, dazu zu motivieren, seinen eigenen Weg zu finden.

3. Murmelrunde mit Frage

Der Klassiker für einen gelungenen Kompromiss zwischen Input und Austausch ist für mich ein Murmelrunden-Vortrag. Darum führe ich ihn hier auch mit auf. In solch einem Format wird ein Vortrag immer wieder durch Austauschphasen unterbrochen, in denen Teilnehmende untereinander ins Gespräch kommen – und ihre Sicht der Dinge reflektieren.

Besonders schön finde ich in der Rolle als Impulsgeberin hier eine Murmelrunde mit einer Frage von mir an die Teilnehmenden. Zum Beispiel könnte ich in einem Vortrag zu Lernkulturveränderung in meinem Impuls kurz schildern, welche Veränderung ich warum wichtig finde. In der Murmelphase würde ich dann an die Teilnehmenden mit der Frage übergeben: Was könnte hierzu ein erster, möglicher Schritt sein?

4. Kritzelvorlage: Zustimmung, Widerspruch, Fragen + Fazit

Eine sehr niederschwellige „Öffnung“ eines Impulses funktioniert mit einer zuvor verteilten Kritzelvorlage. Zum Beispiel mit dieser hier:

Anstatt sie auszudrucken und zu verteilen, kann man Teilnehmenden auch einfach das Bild davon projizieren und sie gestalten sich solch eine Vorlage dann selbst. Auch digital lässt sich natürlich gut mitkritzeln.

Eine Kritzel-Mitschrieb Vorlage mit drei Strichmännchen für Zustimmung, Widerspruch und Fragen. Und einer Glühbirne für Ideen/ Transfer/ Ergänzungen.

Wie man an der Vorlage sieht, sind Lernende damit aufgefordert, während des Zuhörens bei meinem Impuls Kritzel-Notizen für sich festzuhalten. Dabei sollen sie aber nicht einfach mitschreiben. Vielmehr ist die Vorlage darauf angelegt, auf Basis des Impulses selbst ins Denken zu kommen. Explizit gibt es die Aufforderung, auch Widerspruch zu notieren.

Die Aufbereitung mache ich anschließend gerne in mehreren Schritten:

  1. Zunächst frage ich nach, wer Zustimmung und wer Ablehnung signalisieren will. Das lässt sich als Ping-Pong realisieren: immer ein Punkt Zustimmung und dann ein Punkt Widerspruch usw. So kommt es auch nicht zu Ko-Referaten, und der Denkraum wird für alle möglichst weit aufgespannt.
  2. Im nächsten Schritt gehen wir dann in die Klärung von Fragen. Diese können entweder direkt an mich gestellt werden. Oder die Lernenden gehen zunächst noch in eine Murmelphase, klären dort alles, was sich untereinander klären lässt – und bringen nur die noch offenen Fragen zurück ins Plenum.
  3. Zum Abschluss kann man (im Online-Kontext als Chatgewitter, sonst als schnelles Blitzlicht) teilen, was die Lernenden als weitere Ideen und Transfer notiert haben.

Bei der Beantwortung der Fragen finde ich es bei dieser Variante wichtig, auch ‚Mut zur Lücke‘ zu haben. Es ist aus meiner Sicht sehr in Ordnung, zugeben zu müssen, dass man selbst etwas (noch) nicht weiß. Ich gebe in solchen Fällen entweder ins Plenum ab und frage, ob jemand anderes eine Idee hat. Eine zweite Möglichkeit ist, transparent zu zeigen, wie ich vorgehe, wenn ich eine Antwort suche (Beispiel: Ein Problem tritt bei Moodle auf. Ich teile meinen Bildschirm und zeige, wie ich danach recherchiere, gefundene Lösungen einordne und dann ausprobiere). Drittens kann ich auch anbieten, die Frage mitzunehmen und im Nachgang zu beantworten.

5. Eine unter Vielen sein

Die Rolle als Impulsgeberin lässt sich besonders gut auch in offenen Veranstaltungsformaten ausfüllen. Wenn beispielsweise im Rahmen eines Barcamps das Programm von den Teilnehmenden selbst entwickelt wird, dann kann ich hier eine unter vielen sein. Anstatt ’nur‘ zu moderieren und darauf zu achten, dass der Rahmen gut läuft, kann ich natürlich auch eigene Sessions anbieten. Hierbei bin ich dann nicht in der normalen Rolle als Barcamp-Teilgebende, d. h. ich bringe nicht vorrangig meine Fragen und Themen als Session ein. Stattdessen höre ich gut zu, was von anderen angeboten wird – und versuche gezielt eine Session zu einem Thema anzubieten, das vielleicht noch fehlt oder das ich in der Gruppe zuvor als große Frage erlebt habe. Sehr gerne biete ich zum Beispiel bei solchen Barcamps, an denen ich bewusst als Impulsgeberin teilnehme, so etwas wie eine AMA-Session an. AMA steht für Ask me Anything. Die Session ist dann eine Einladung an Lernende, all die Fragen mitzubringen, die sie noch bewegen.

6. Feedback-Wunsch

Eine letzte Variante, Impulsgeberin zu sein, sehe ich schließlich noch in der Rolle als Feedbackgeberin. Das funktioniert am besten, wenn man sich individuell Zeit für einzelne Lernende nehmen kann – zum Beispiel in Coaching- oder Werkstattphasen. Daneben kann es aber auch im Plenum in der Form funktionieren, dass nicht klassische Fragen gestellt werden, sondern eher die eigene Situation, gewählte Aktivitäten oder Ideen geteilt werden. Meine Rolle kann es dann sein, dazu ein Feedback zu geben und auf diese Weise zu unterstützen.

Relativ neu entdeckt habe ich hier die Möglichkeit, dass Teilnehmende aus mehreren Modi von Feedback das von ihnen jeweils gewünschte auswählen. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass hilfreiches Feedback gegeben wird und dann auch gut angenommen werden kann.

Grundlage kann zum Beispiel diese Liste sein:

Ich begrenze die Auswahlmöglichkeit meist auf die Option von Bestärkung, Ergänzung oder Provokation/ Hinterfragen.

Für mich als Impulsgeberin ist das aber nicht immer einfach, denn natürlich liegt einem oft schon eine konstruktive Kritik auf der Zunge. Aber das kann in manchen Situationen gar nicht erwünscht sein.

Fazit

Das war ein Überblick über meine Erfahrungen mit der Rolle als Impulsgeberin. Ich freue mich, auch von deinen Erfahrungen zu lesen.

Ein großer Saal mit vielen leeren Stühlen.
Beitragsbild: Noch leerer Saal vor einem Vortrag, in dem viele auf neue Impulse hoffen!


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