Mit ‚Nea Machina‘ führten die Brüder Thomas und Martin Poschauka vor über 10 Jahren ein Kreativitätsexperiment im Bereich Design durch. Ihr Anspruch war es, zu einem ausgewählten Portraitbild und dem Begriff ‚Nea Machina‘ (altgriechisch für: neue Maschine) unterschiedliche Produkte zu gestalten und dabei verschiedene Designtechniken zu nutzen.
Dabei wollten sie insbesondere mit veränderten Interaktionen zwischen den Werkzeugen der Hand und des Computers sowie zwischen Kopf und Bauch experimentieren. Am Ende der vier Wochen hatten sie nicht nur über 1.000 gestalterische Produkte entwickelt, sondern vor allem auch eine neue Kreativitätsmethode begründet, die analoge und digitale Praxis mit Intuition und Analyse klug verbindet und so neue Perspektiven für das Design eröffnet. Das Buch ist in diesem Jahr in der dritten Auflage erschienen und für viele Menschen im Bereich des Design eine wichtige Inspirationsquelle.
Mein Remix von Nea Machina: Kreation 2.0
Ich befinde mich aktuell in einer Situation, in der ich die Potenziale von künstlicher Intelligenz im Bildungsbereich weiter denken will. Meine Beobachtung ist, dass wir KI bisher überwiegend als Werkzeug einsetzen, um bereits bestehende Praktiken fortzuführen. Viel spannender wäre es aber, über veränderte Praktiken nachzudenken. Das gilt insbesondere für den Bereich der Kreativität (= neu Denken) als eine der zentralen Schlüsselkompetenzen im digitalen Wandel.
Um das zu erreichen ist meine Idee, den Ansatz von Nea Machina zu remixen. Ich nenne das Projekt „Kreation 2.0“. Im folgenden erkläre ich den Rahmen, den ich mir für diesen Remix überlegt habe. Er besteht aus drei Elementen:
1. Jeden Tag 15 Minuten!
Veränderte Praktiken lassen sich am besten erkunden, indem man sich dafür ausreichend Zeit nimmt und sie zu einer Routine macht. Darum ist ‚Kreation 2.0‘ für vierzehn Wochen angelegt. Die Idee ist es, sich jeden Tag mindestens 15 Minuten Zeit zu nehmen, so dass das Experimentieren zu veränderter Kreativität zu einer täglichen Routine im Sinne eines ‚tiny habit‘ wird.
2. Jeden Tag ein Experiment!
Die konkrete Aufgabe für die tägliche Praxis ist, jeden Tag mit einer anderen Form von Interaktion zwischen Intuition, Analyse, analoger Praxis und Maschine (= hier verstanden mit dem Fokus auf KI-Technologie) zu experimentieren. Hier sind ein paar Beispiele, wie das aussehen kann:
- Ich baue etwas mit Lego (analoge Praxis und Intuition), reflektiere dazu (Analyse), um dazu einen Prompt für ein KI-Sprachmodell zu entwickeln (Maschine)
- Ich starte mit einer Ideengenerierung über einen Prompt in einem KI-Sprachmodell (= Maschine) und reflektiere anschließend, was mir dazu sinnvoll weiternutzbar erscheint (= Analyse)
- Ich gehe spazieren (= Intuition), entwickle dabei eine Idee, die ich in ein KI-Sprachmodell einfüge, um sie weiter auszuarbeiten (= Maschine). Das Ergebnis versuche ich als Sketchnote zu dokumentieren (= analoge Praxis)
- …
Das sind nur erste und noch sehr offensichtliche Ideen. Da der Anspruch ist, jeden Tag eine andere Interaktionsform zu finden, gehe ich davon aus, dass im Verlauf der Challenge hier sehr viel Neues entstehen wird.
3. Jeden Tag eine Idee!
Kreativität lässt sich natürlich nicht im luftleeren Raum entwickeln, sondern sie braucht einen Rahmen und damit einen Impuls. Die Poschauka-Brüder hatten hier die ‚Vorgabe‘ des Remix eines Portraitbildes und des Begriffs ‚Nea Machina‘. Für mich habe ich mir als ‚Thema‘ der Challenge überlegt, jeden Tag eine Idee zu Leitbildern guten Lernens im Kontext von KI zu entwickeln. Das ist bewusst offen formuliert – und der Fokus liegt für mich hier weniger auf den Ergebnissen, sondern mehr auf dem Prozess. Wenn aber zugleich auch gute Ideen entwickelt werden, dann ist das ein schöner Nebeneffekt.
Umsetzung
Ich werde mit diesem Experiment für mich in der kommenden Woche starten und meine Reflexionen dazu in einer neu eingerichteten Rubrik hier auf meiner Website teilen.
Wenn du Lust hast, diese Challenge auch für dich anzugehen, dann kannst du genau wie ich direkt starten. Vielleicht ist die Idee aber auch ein schöner Vorsatz, den du dir fürs neue Jahr vornehmen könntest. Oder du startest einfach dann, wenn es für dich passt. Ich empfehle die Challenge für 14 Wochen und als tägliche Praxis (wobei ich das Wochenende bei mir auslassen werde). So kann sich erfahrungsgemäß eine gute Routine entwickeln.
Ich hatte mir überlegt, dass das Thema ‚Leitbild für gutes Lernen in einer KI-geprägten Welt‘ als Rahmen und Impuls für die Challenge bildungsbereichsübergreifend für viele pädagogisch tätige Menschen gut passt. Aber auch hier ist es natürlich gut denkbar, sich ein eigenes Thema zu wählen.
Ich freue mich in jedem Fall sehr, wenn außer mir auch noch andere Menschen mitmachen und wir mit Kreation 2.0 gemeinsam ein gutes Stück damit weiterkommen, neue Praktiken zu Kreativität im Kontext von KI zu entwickeln.
Zur Unterstützung und auch zur Einladung von Kolleg*innen habe ich Kritzelvorlagen entwickelt. Sie stehen unter der Lizenz CC0 1.0 und können somit ohne Lizenzhinweis offen weitergenutzt werden:
Die erste Vorlage lässt sich auf A4 mit Vorder- und Rückseite ausdrucken und in der Mitte einmal falten. Hinten steht der oben erklärte Rahmen. In der Mitte ist eine Checkliste zum Abhaken.
Wenn du über deine Experimente ausführlicher reflektieren willst, dann gibt es noch eine zusätzliche Reflexionsvorlage. Hier können die Experimente nummeriert eingetragen werden. Außerdem kann jeweils skizziert werden, wie man Analyse, Intuition, analoge Praxis und Maschine verbunden hat. In einer weiteren Spalte kann mithilfe eines Schiebereglers angekreuzt werden, ob man die entstandene Kreation eher als eigene Idee (= Mensch) oder stärker als Generierung der KI (= Maschine) einordnet.
Ausblick
Mit dem Virtuellen Campus Rheinland-Pfalz (VCRP) gestalte ich im März (der genaue Termin steht noch nicht fest) einen Online-Workshop zu KI und Kreativität. Hier werde ich sicherlich erste Erkenntnisse aus dem Experiment vorstellen können. Danke für die Beauftragung, die mir den zeitlichen Freiraum für das Projekt ermöglicht!
Vom 28. bis 30. März findet in Hamburg die edunautika 2025 statt. Die Anmeldung ist bereits geöffnet. Bei den letzten beiden edunautikas gab es sehr weiterführende Diskussionen zu KI. Vor diesem Hintergrund habe ich vor, dieses Mal als Teilgeberin unter anderem die Erkenntnisse des Experiments zum gemeinsamen Weiterdenken mitzubringen. Wenn bis dahin noch mehr Menschen dazu experimentiert haben, können wir das Barcamp sehr gut für einen Austausch dazu nutzen.
Fazit
Ich bin gespannt auf meine Durchführung des Projekts. Falls du auch experimentierst, wünsche ich dir viel Freude dabei!
👉 Hier gelangst du zur Kategorie Kreation 2.0 mit der Dokumentation meiner Experimente.
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