Hilfe bei der Tool-Auswahl: die STARK-Reflexion

Bei der OER-Erstellung (wie auch allgemein bei digital-unterstützter Bildung) ist man mit der Herausforderung konfrontiert, dass es zahlreiche und auch immer wieder neue Tools hierfür gibt. Daraus folgen viele Fragen und oft auch Unsicherheiten: Welches dieser vielen Tools soll ich auswählen? Wie gut ist ein bestimmtes Tool? Lohnt sich eine Einarbeitung? Auf was muss ich unbedingt achten?

Hilfe bei diesen und weiteren Fragen bietet die STARK-Reflexion. STARK steht für wichtige Kriterien, die bei einem Tool zur OER-Erstellung möglichst erfüllt sein sollten: Souveränität über die Inhalte, einfaches Teilen, gute und passende Anwendbarkeit, Möglichkeit zu Remix und die Option zu Kollaboration.

Im folgenden Blogbeitrag stelle ich diese fünf Kriterien mit Beispielen vor.

Souveränität: Behalte ich die Hoheit über meine Inhalte?

OER sind Bildungsmaterialien, die unter einer offenen Lizenz veröffentlicht werden. Eine offene Lizenzierung ist dabei eine bewusste Entscheidung von der erstellenden Person. Sie legt dabei fest, dass und wie sie anderen Personen die Weiternutzung ihres Materials unter bestimmten Bedingungen erlaubt.

Viele (kostenfreie) Tools im Internet finanzieren sich allerdings über weitgehende Rechte-Abtretungen bei erstellten Inhalte. Exemplarisch lässt sich das an dem Tool bitpaper zeigen: Es handelt sich dabei um ein kollaboratives Online-Whiteboard, das zusätzlich eine Chat- und Videofunktion bietet. Es ist von der Bedienbarkeit her sehr gut gemacht und noch dazu kostenfrei – auf den ersten Blick also wunderbar geeignet auch zur OER-Erstellung. Wer allerdings einen Blick in die Geschäftsbedindungen wirft, findet dort umfangreiche Rechte-Abtretungen. Armin Hanisch ‘übersetzt’ das bei Twitter (als tl;dr) mit “macht mit meinem Zeug, was Ihr wollt”. Hoheit über die erstellten Inhalte ist das ganz bestimmt nicht.

Teilen: Kann ich Inhalte einfach mit anderen teilen?

Als offen lizenzierte Bildungsmaterialien sind OER zum Teilen gedacht. Dahinter steht die kluge und richtige Auffassung, dass Bildung nicht weniger, sondern mehr wird, wenn man sie teilt.

Ein Tool zur OER-Erstellung sollte vor diesem Hintergrund die Möglichkeit bieten, erstellte Inhalte zu exportieren und ohne großen Aufwand zu veröffentlichen bzw. direkt online zu stellen.

Zu überprüfen bei der Tool-Auswahl ist somit, ob es erstens eine Export-/ Download-Funktion für erstellte Materialien gibt und wenn ja in welchem Format und/ oder inwieweit sich zweitens für das erstellte Material direkt ein Link zum Teilen generieren lässt.

Ein Beispiel für die erste Option ist das Open Source Tool Twine. Hiermit lassen sich interaktive Geschichten und auch Online-Tutorials erstellen. Die Gestaltung des Inhalts erfolgt dabei nur lokal im Browser. Es wird aber eine Download/Export-Funktion angeboten als HTML angeboten – und damit in einem Format das sich in jedem Browser öffnen und darstellen lässt. Das Teilen eines erstellten Inhalts ist somit ohne Schwierigkeiten möglich.

Die zweite Option ist unter anderem bei Etherpads oder anderen virtuellen Kollaborationsumgebungen gegeben. Mit dem Anlegen eines neuen Dokuments wird für dieses direkt ein Link generiert, der dann geteilt werden kann. Wichtig zu beachten ist hierbei: Mit dem Link wird nicht das Material an sich, sondern die gesamte Arbeitsumgebung geteilt. Werden an dem Material Änderungen vorgenommen, dann ruft man unter dem gleich bleibenden Link ein anderes Material auf.

Davon unterschiedlich sind Speicherlinks, bei denen sich mit verändernden Inhalten auch die URL verändert. Das ist z.B. bei dem Zeichentool Scri.ch der Fall oder beim Kreislauftool zur Prozessvisualisierung.

Anwendbarkeit: Passt das Tool zu mir und meiner Lernsituation?

OER sind potenziell Materialien für alle – und sollten auch von allen erstellt werden können. In Bezug auf Funktionalitäten erfordern unterschiedliche Bildungssituationen jedoch unterschiedliche Antworten. Außerdem hat auch jede Person andere Vorkenntnisse und Erwartungen. Die Vielfalt von Tools zur OER-Erstellung ist vor diesem Hintergrund nicht problematisch, sondern sehr erfreulich!

Bei der Tool-Auswahl sollte man sich unter anderem fragen: Kann ich mit dem Tool, OER in den Formaten und für die Zielgruppe erstellen, die ich für meine Bildungssituation brauche? Und: Kann ich selbst mit dem Tool umgehen (bzw. möchte ich mir die Kompetenz zum Umgang damit erwerben?)

In Fortbildungen erlebe ich es z.B. oft, dass manchen die Hürde, ein OER in HTML zu schreiben (wie es z.B. das Präsentations-Tool RevealJS erfordert) zu nerdig ist – anderen dagegen überhaupt nicht. Oder dass es für manche ein Ausschlusskriterium ist, wenn die Software H5P zur Erstellung interaktiver Online-Bildungsmaterialien nur mit einer englischsprachigen Benutzeroberfläche zur Verfügung steht. (Das war für mich mit ein Grund für das Angebot der Website Einstiegh5p, wo diese Hürde beseitigt ist).

Beim Kriterium der Anwendbarkeit gibt es mehr noch als bei den vorherigen Kriterien kein richtig oder falsch, sondern nur ein ‘für mich und meine Bildungssituation passend’ oder nicht.

Remix: Können andere Personen erstellte Inhalte ändern und weiter bearbeiten?

OER sind durch die so genannten 5V gekennzeichnet. Das bedeutet vor allem, dass sie nicht nur verwahrt und verwendet werden dürfen, sondern insbesondere auch vermischt und verabeitet. Diese Aktivität – aus einem oder mehreren bestehenden Inhalten etwas Neues/ Anderes zu gestalten – wird auch als Remix bezeichnet.

Damit ein erstelltes OER remixt werden kann, muss es mit einem Tool oder einer Software erstellt worden sein, zu der potentiell auch andere einfach Zugang haben – und/ oder in einem Format gespeichert sein, das sich einfach weiter bearbeiten lässt. Wer ein OER z.B. nur als pdf teilt, erschwert damit die Weiternutzung. Ein GoogleDoc (bzw. ein mit Collabora Online erstelltes Dokument) kann dagegen deutlich einfacher remixt werden. Auch die bereits erwähnte Software H5P setzt nicht nur durchgängig auf offene Formate, sondern bietet mit dem Datei-Format .h5p eine editierbare Möglichkeit von teils sehr komplexen Materialien. Das bedeutet: Das fertige und veröffentlichte Material funktioniert und sieht gut aus – und auch ein Remix ist möglich. In ähnlicher Art und Weise funktioniert auch der kollaborative Arbeitsblatt-Editor Tutory.

Kollaboration: Kann ich gemeinsam mit anderen an Inhalten arbeiten?

OER setzen auf eine Bildungskultur des Teilens. Am besten umgesetzt wird dieser Ansatz, wenn Materialien nicht nur offen zugänglich sind und remixt werden können, sondern von Anfang an kollaborativ erstellt werden.

Hierzu gibt es unterschiedliche Möglichkeiten: Zum einen kann man asynchron zusammenarbeiten. Das wäre z.B. der Fall, wenn man gemeinsam in einem Wiki ein Glossar zu bestimmten Fachbegriffen anlegt. Zum anderen kann man auch synchron an Materialien arbeiten. Zum synchronen Arbeiten eignen sich unter anderem Etherpads. Auch die Plattform Glitch bietet die Möglichkeit, andere zur Mitarbeit an einer webbasierten Anwendung über das Teilen eines Links einzuladen.

Statt eines Fazits: eine Einladung!

Wer mehr zur STARK-Reflexion zur Tool-Auswahl erfahren und vor allem auch einige Best-Of Tools zur OER-Erstellung praktisch kennen lernen und ausprobieren will, ist herzlich zu meinem Workshop beim OERcamp in Lübeck in der kommenden Woche eingeladen. Noch gibt es freie Plätze und die Anmeldung ist geöffnet!


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