Prompting als Spiel!

Im Kontext von generativer KI und insbesondere von KI-Sprachmodellen stehen wir als Menschen vor der Frage, wie wir mit diesen Maschinen am besten kommunizieren können. Im Unterschied zu früheren Zeiten, wo es meist sehr eindeutige Befehle oder direkter Code waren, die an Maschinen eingegeben wurden, ist diese Technologie nun so angelegt, dass sie über menschliche Sprache funktioniert. Das ist einerseits eine wunderbare Sache, weil es sehr niederschwellig ist. Dieser Niederschwelligkeit stehen auf der anderen Seite aber auch Herausforderungen gegenüber. Erstens können wir leicht vergessen, dass wir es mit Maschinen zu tun haben, die uns stochastische und nicht verständige Antworten liefern. Zweitens schöpfen wir oft nicht all das Potenzial aus, was möglich wäre, weil wir eben häufig einfach so schreiben, wie es uns in den Sinn kommt – und dabei oft nicht am besten passend für eine gut funktionierende Mensch-Maschine-Kommunikation. (Ich habe in meinem Blogbeitrag „Open Prompting“ aufgeführt, dass solch ein intuitives drauflos Schreiben manches Mal dennoch sinnvoll sein kann, aber darum soll es hier nicht gehen).

In der Pädagogik wird die Herausforderung der Kommunikation mit Maschinen im Rahmen des Prompting thematisiert. Prompting bedeutet, eine Eingabe zu formulieren, die ich anschließend an das KI-Sprachmodell richten kann. Sehr viele Prompting-Strategien sind entweder einzelne Tipps („Es ist super hilfreich, wenn du in deinen Prompt Bitte und Danke schreibst. Das steigert die Qualität“), oder sehr komplexe Vorgaben bzw. Rahmenwerke („Achte darauf, dass die folgenden Elemente in deinem Prompt auftauchen: …“) oder fertige Prompts zum Kopieren und Anpassen. Alle drei Varianten können in sehr vielen Fällen hilfreich sein, und ich arbeite ebenfalls viel auf diese Weise. In diesem Blogbeitrag möchte ich eine vierte Möglichkeit vorschlagen, die sich gerade bei kreativen Aufgaben für mich als sehr gewinnbringend herausgestellt hat: Prompting als Spiel!

Was bedeutet Prompting als Spiel?

Beim Prompting als Spiel muss ich weder einzelne Tipps kennen, noch ein umfangreiches Rahmenwerk abarbeiten, noch einen schon fertigen Prompt kopieren. Stattdessen muss ich mir eigentlich nur die grundsätzliche Idee merken: einen Prompt so zu schreiben, dass ich das KI-Sprachmodell zu einem Spiel auffordere. Welches Spiel genau, mit welchen Regeln und welchem Verlauf, kann ich immer wieder neu und anders entscheiden.

Warum ist Prompting als Spiel hilfreich?

Wie oben schon angemerkt, finde ich Prompting als Spiel vor allem bei kreativen Herausforderungen hilfreich. Also immer dann, wenn es darum geht, neue Ideen zu entwickeln oder ein Thema zu explorieren. Dafür sprechen aus meiner Sicht mehrere Gründe:

1. Ein Spiel hat Regeln

Der wichtigste Grund ist sicherlich, dass ein Spiel Regeln hat. Wenn ich Prompting als Spiel gestalten will, dann muss ich mir über diese Regeln zunächst sehr genaue Gedanken machen und diese aufschreiben. An diesen ersten Überlegungen fehlt es sonst vielfach bei schlecht geschriebenen Prompts. Mit dem Aufschreiben von Regeln bin ich als Mensch außerdem automatisch in der Rolle, dass ich einen Befehl an eine Maschine formuliere – auch wenn das in der Form nicht so genannt wird. Für mich hilft das sehr bei der Entmystifizierung von KI und wirkt der Vermenschlichung entgegen – ohne zugleich auf die Potenziale zu verzichten.

2. Ein Spiel hat meist abwechselnde Spielzüge

Die Anbieter von KI-Technologie versprechen Vereinfachung und Automatisierung: „Lehne dich zurück und lasse ChatGPT deinen Text für dich schreiben!“. Genau dieses Versprechen ist für die Bildung aber fatal. Es verleitet zu Abkürzungen und verhindert Lernen, anstatt Lernen mit der Interaktion mit Maschinen noch besser zu gestalten. Mit dem Prompting als Spiel wird genau dieser Vereinfachungs-Ansatz gehackt. Denn beim Spiel sind alle aktiv beteiligt und machen mit. In den meisten Fällen hat ein Spiel abwechselnde Spielzüge. Das bedeutet, dass ich mich – nachdem ich die Spielregeln formuliert habe – nicht zurücklehne, sondern immer wieder auch selbst an der Reihe bin. Eben genau in der Form, wie ich das vorab festgelegt habe. So laufe ich nicht Gefahr, passiv zu bleiben.

3. Ein Spiel lebt vom Prozess und ermöglicht Offenheit

Natürlich kann es auch bei Spielen am Ende ein Ergebnis geben. Das wirklich Spannende ist aber der Spielverlauf. Wenn ich Prompting als Spiel gestalte, dann steht nicht so sehr im Fokus, dass am Ende eine fertige Idee oder ein Text entstanden ist. Stattdessen geht es um den Prozess.

Gute Spiele sind außerdem nicht festgelegt. Es ist vorab nicht klar, was am Ende daraus entstehen wird. Ich setze mich – nach meinen definierten Spielregeln – mit einem Thema auseinander und nutze dabei optimal aus, dass ein KI-Sprachmodell mitspielt. Denn ich erhalte auf diese Weise immer wieder stochastische Einblicke in die riesige Datenbasis, mit der das Modell trainiert wurde – und damit auf von Menschen entwickelte Inhalte, Ideen und Fragen.

4. Ein Spiel muss nicht immer ganz neu erfunden werden

Ich habe einleitend Prompting als Spiel als eine Alternative bzw. Ergänzung zum Copy & Paste von fertigen Prompts dargestellt. Das bedeutet aber natürlich nicht, dass jedes Spiel immer wieder ganz neu erfunden werden muss. Auch hier kann man Spielideen teilen und daran weiterdenken. Sehr hilfreich finde ich außerdem, dass man im Kontext von Kreativität auf sehr viele entwickelte Methoden (die Kopfstand-Methode, die SCAMPER-Methode, die ABSURD-Methode …) zurückgreifen und diese in Spielform ‚übersetzen‘ kann.

Bei alledem bleibt es aber so, dass ein Prompt nicht wie eine Art „Geheimrezept“ ist, das man auswendig lernen oder sich kopieren muss. Stattdessen sind Spielregeln für die meisten Menschen etwas, was für sie intuitiv verständlich ist und was sie selbst gestalten können. Denn wir alle haben in unserem Leben schon irgendwann einmal Spiele erfunden. Genau das können wir nun also auch im Kontext von KI machen.

5. Ein Spiel macht Freude (oder kann auch jederzeit abgebrochen werden)

Bei all den genannten Gründen darf ein Grund auf keinen Fall vergessen werden: Spielen macht Freude! Wenn wir im Kontext von KI spielen, dann sind wir fast schon automatisch in einer neugierigen und erkundenden Haltung. Genau diese Haltung ist die beste Grundlage, um erfolgreich lernen zu können. Da ein Spiel nicht einfach ohne uns abläuft, sondern wir aktiv beteiligt sind, haben wir es auch immer selbst in der Hand, wie das Spiel sich entwickelt. Und wenn wir merken, dass ein Spiel gar nicht funktioniert, dann können wir es natürlich auch jederzeit abbrechen und unsere Regeln nochmals überdenken. Genau das ist dann auch ein wichtiger Lernprozess.

Was sind Beispiele für Prompting als Spiel?

Vielleicht ist dir der Blogbeitrag bis jetzt zu wenig konkret und du fragst dich: Wie kann denn Prompting als Spiel in der Praxis aussehen? Ich möchte deshalb abschließend drei Beispiele vorstellen, wie ich Prompting als Spiel gestaltet habe. Wichtig ist dabei wie oben dargestellt: Nutze diese Ideen gerne weiter und probiere sie auch für dich aus. Vor allem aber verstehe sie bitte als Einladung, um selbst deine Spiele für dein Lernen zu erfinden.

Spiel 1: Aber warum?

Das „Aber warum?“-Spiel basiert auf der Kreativitätsmethode „5 Why“. Sie stammt ursprünglich aus der Fehlerbearbeitung in der Produktentwicklung oder der Bewältigung von Teamkonflikten. Sie funktioniert so, dass man eine Aussage trifft – und dazu dann fragt, warum das so ist. Die Antwort hinterfragt man wiederum mit einem „Warum“. So geht es mindestens fünfmal weiter, und man gelangt immer besser an den Kern des Problems.

Ich habe das als Spielregel-Prompt so formuliert:

Wir spielen ein Spiel. Ich schreibe eine Aussage zu KI im Bildungskontext – und direkt daran anschließend die Warum-Frage dazu. Du beantwortest die Warum-Frage und hinterfragst wiederum deine Antwort mit einem Warum. Wenn ich „Stopp“ sage, fragst du mich, was ich aus dem Frage-Antwort-Spiel besonders spannend fand – und schreibst mir in Reaktion auf meine Antwort, was du besonders kreativ und neu empfindest. Alles klar?

Nach der Bestätigung konnte ich dann direkt mit der ersten Aussage und Frage starten. Zum Beispiel:
„Im Kontext von KI in der Bildung werden originär menschliche Fähigkeiten wie Intuition wichtiger. Warum werden im Kontext von KI in der Bildung originär menschliche Fähigkeiten wie Intuition wichtiger?“
Und danach ging es im Ping-Pong immer weiter. Ich finde dieses Spiel für mich sehr hilfreich, um erstens eigene Denkmuster im Kopf zu hinterfragen und zweitens ein Thema sehr grundlegend zu betrachten.

Spiel 2: SCAMPER-Ideen

SCAMPER ist eine Kreativitätsmethode, bei der jeder Buchstabe für eine bestimmte Form steht, wie man einen Inhalt verändern kann:

  • S: Substitute = Ersetze – Komponenten, Materialien, Personen
  • C: Combine = Kombiniere – vermische mit anderen Zusatzfunktionen oder Aggregaten; überschneide mit Service, integriere Funktionalität
  • A: Adapt = Ändere ab, verändere Funktion, verwende ein Teil eines anderen Elements, einer Baugruppe, eines Aggregats
  • M: Modify = Steigere oder vermindere Größe, Maßstab oder -stäblichkeit, verändere Gestalt, variiere Attribute (Farbe, Haptik, Akustik …)
  • P: Put = „Put to another use“ – Finde weitere Verwendung(en), finde einen anderen Zusammenhang zur Nutzung, formuliere den Anwendungsbereich um
  • E: Eliminate = Entferne Elemente, Komponenten, reduziere auf Kernfunktion, vereinfache
  • R: Reverse = Kehre um, stülpe das Innere nach außen, stelle auf den Kopf, finde entgegengesetzte Nutzung

Ich habe daraus das Spiel gemacht, dass ich eine pädagogische Situation sehr genau beschreibe – und dann jeweils nach 10 Ideen für jeden Buchstaben frage, wovon ich mir immer die Idee auswähle, die mich am meisten anspricht. Am Ende kann ich mir eine Zusammenfassung der veränderten pädagogischen Situation generieren lassen, wie sie sich aus meiner Auswahl ergibt.

Ich habe dazu diese Spielregeln genutzt:

Wir spielen ein Spiel:

  1. Du erhältst von mir eine Beschreibung zu einer pädagogischen Situation.
  2. Du schreibst darauf aufbauend möglichst prägnant auf, wie du dir vorstellen kannst, dass in dieser Situation wer, wie, warum mit wem, wann und was lehrt und lernt. Dann fragst du mich nach einem Buchstaben.
  3. Ich gebe dir einen Buchstaben von der SCAMPER-Methode. Hier ist sie beschrieben: [SCAMPER-Erläuterung einfügen].
    Du schreibst mit der Form des von mir gewählten Buchstabens zehn kurze und prägnante Ideen auf, mit denen das Klassenzimmer mithilfe der Methode verändert werden könnte. Gefragt sind kreative bis hin zu unsinnigen Ideen. Du fragst mich, welche Idee mich am stärksten anspricht.
  4. Ich schreibe dir, welche Idee mich am meisten anspricht – und den nächsten Buchstaben.
  5. Du wiederholst Schritt 3.
  6. Wenn ich „Stopp“ schreibe, gibst du mir eine Liste der von mir ausgewählten Ideen und beschreibst die geänderte pädagogische Situation in einem kurzen Text.

Du kommentierst meine Auswahl nicht. Bist du bereit?

Ich mag dieses Spiel sehr gerne, weil es sich ganz ausgezeichnet dazu eignet, erstens ganz konkret von der eigenen Realität auszugehen (= die Beschreibung der pädagogischen Situation) und zweitens selbst erst einmal wenig vorzugeben und so die Chance zu haben, dass tatsächlich denköffnende Ideen entstehen.

Spiel 3: ‚Stille Post‘ Ping-Pong

Beim Spiel „Stille Post“ flüstert eine Person etwas in das Ohr der neben sitzenden Person. Diese gibt das, was sie gehört hat, an die nächste Person weiter … Am Ende der Reihe hat der entwickelte Satz oft nur noch sehr wenig mit dem Satz am Anfang zu tun. Ich habe dieses Spiel remixt, um mich dazu herauszufordern, mich in unterschiedliche Perspektiven hineinzuversetzen. Dazu habe ich diese Spielregeln formuliert:

Ich möchte mit dir ein Spiel spielen, das folgendermaßen funktioniert:

  1. Wir sind immer abwechselnd an der Reihe. Ich starte, dann du, dann schreibe ich wieder etwas, dann du … Das Spiel endet, wenn ich schreibe: „Das Spiel ist zu Ende!“
  2. Wir nehmen in unseren Beiträgen immer eine zufällig ausgewählte Rolle aus der Schule ein. Das kann eine Lehrperson, eine Schülerin, ein Elternteil, ein außerschulischer Partner, die Schulleiterin … sein. Alle diese Rollen können jeweils unterschiedliche Ausprägungen haben (z. B. eine sehr gute Schülerin, ein Schüler mit Migrationshintergrund, eine Lehrerin, die sich an reformpädagogischen Prinzipien orientiert, ein Elternteil, das große Sorgen im Kontext der Digitalisierung hat …). In jedem Beitrag entscheiden wir uns für eine andere Rolle.
  3. Wir bauen unseren Beitrag folgendermaßen auf:
    • Ich bin [fiktiver Name und Infos zu meinen Charakteristika].
    • Ich habe von dir diese Aussage gehört: [Wiederholung der Aussage vom Beitrag davor].
    • Ich denke dazu: [Ganz kurze Erläuterung der Perspektive].
    • Das bringt mich stattdessen zu dieser Aussage: [Neue Aussage].
  4. Die Beiträge sollen in sich logisch formuliert sein und immer eine veränderte Perspektive zum vorherigen Beitrag aufmachen. Der erste Beitrag wird von mir stammen. Da es der erste Beitrag ist, kann ich da noch nicht auf einen früheren Beitrag Bezug nehmen.

Hast du das Spiel verstanden, und kann ich mit dem ersten Beitrag starten?

Auch bei diesem Spiel habe ich mich wieder über die Offenheit des entstehenden Ping-Pongs gefreut. Denn hätte ich das allein gespielt oder mit Menschen, die in einer sehr ähnlichen Filterblase unterwegs sind wie ich, dann wären uns sicherlich viele Aspekte nicht eingefallen. Und ich fand es sehr spannend, dass ich ja jeden zweiten Beitrag schreibe – und deshalb zugleich auch mitbestimmen kann, welche Themen ich einbringen will.

Fazit: Ausprobieren!

Ich kann „Prompting als Spiel“ sehr empfehlen. Wenn du eine ausführlichere Darstellung von den Experimenten suchst, dann schaue dir gerne meine Kreativitäts-Challenge „Kreation 2.0“ an. Hier mache ich zurzeit fast jeden Tag ein KI-Experiment zu Kreativität. Immer wieder komme ich hier zu „Prompting als Spiel“.

Viel Freude beim Erkunden, Ausprobieren und Spielen!


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