Online-Fortbildung als Erkundungsreise

Zeitgemäße Pädagogik erfordert eine Haltung der Entdeckungsfreude, der Kollaboration und der Offenheit. Wie aber kann solch eine ‘Haltung’ in Fortbildungen befördert werden? Der für mich beste Weg hierfür ist es, dass Lehrende zeitgemäßes Lernen als Lernende praktisch ausprobieren – und dabei zugleich auch reflektieren können. Umgesetzt werden kann dies in einer Fortbildung als Online-Erkundung, wie ich sie im heutigen ‘Weitklick’-Webinar zur Frage ‘Wie kann lernen kollaborativ und kreativ gestaltet werden?‘ ausprobiert habe.

Was ist eine Online-Erkundung?

Mit Online-Erkundung meine ich, dass Lernende nicht nur über einen bestimmten Lerninhalt hören oder darüber diskutieren, sondern ihn praktisch erfahren. In Bezug auf das Thema zeitgemäße Bildung bedeutet das also: Wir reden nicht nur darüber, was zeitgemäße Bildung ist, sondern lernen gemeinsam in einer zeitgemäßen Form. Dabei können wir immer wieder auf eine Meta-Reflexions-Ebene wechseln und uns fragen: Wie hat das für uns selbst funktioniert?

Online-Erkundungen zu zeitgemäßer Pädagogik

Da die Frage ‘Wie kann Lernen kollaborativ und kreativ gestaltet werden’?’ ein sehr weites Thema ist, habe ich mich für eine Online-Erkundung mit insgesamt 7 gemeinsamen Lerneinheiten entschieden, die ich im folgenden kurz skizzieren möchte. Begleitet habe ich das Online-Lernangebot über eine einfache WordPress-Installation, auf der während und auch jetzt im Anschluss an das Webinar alle Inhalte zu finden sind und worüber auch direkt Interaktion und Kommunikation gestaltet werden konnte. Die Dauer des Webinars betrug 2 Stunden.

1. Soziale Präsenz

Wie wenig es braucht, um auch im Online-Kontext soziale Präsenz zu ermöglichen und auch in einer großen Gruppe schnell ein Gruppengefühl zu erzeugen und gegenseitiges Kennenlernen zu ermöglichen, haben wir in einem ersten Schritt mit drei Online-Energizern erkundet:

  • Online-Einstieg ‘Wimmelbild’: Alle bekamen eine Liste mit Suchaufträgen (z.B. eine Person mit lockigen Haaren, eine essende Person, eine Person mit einer Kopfbedeckung, eine Person mit Kunstdruck im Hintergrund, ein Haustier …) Wer zuerst x Suchaufträge gefunden hatte gewann.
  • Frageschlange: Die erste Person warf einer anderen Person einen virtuellen Redeball zu und stellte ihr eine Frage, die sie interessiert. Diese Person beantwortete und warf den Ball dann weiter zur nächsten Person und stellte wiederum eine neue Frage.
  • Kamera an/ Kamera aus: Alle haben die Kamera ausgeschaltet. Es werden verschiedene Aussagen vorgelesen. Wenn eine Aussage auf einen selbst zutriffst, dann winkt man in die Runde.

2. Interaktiver Input

In Bezug auf Input war es mir wichtig, dass Input in Videokonferenzen sehr komprimiert sein sollte. Somit habe ich mich auf drei wichtige Aspekte konzentriert, die ich vorgestellt habe:

  • den Medienbegriff des Pinguins – wie von Jöran in seinem Pinguin-Clip vorgestellt.
  • die Orientierung an den 4K Kompetenzen: Kommunikation, Kollaboration, Kreativität und kritisches Denken.
  • Die Perspektive mehr Asynchronität (und damit mehr Offenheit und Personalisierung) zu wagen.

Vorgestellt habe ich den Input über Mentimeter mit aktivierten Instant-Comments. Auf diese Weise konnten wir neben den Inhalten zugleich erkunden, wie Input interaktiv, weil mit direkter Rückmelde- und Kommentierungsmöglichkeit erfolgen kann.

3. Erkundungsfreude

Wie oben bereits dargestellt, halte ich Erkundungsfreude für einen wesentlichen Bestandteil von einer zeitgemäßen pädagogischen Haltung. Wir haben das erkundet, in dem ich 6 Links zu Websites vorbereitet hatte, bei denen sich nicht unbedingt sofort intuitiv erschließt, wozu sie genutzt werden können bzw. auch was man damit im pädagogischen Kontext anfangen kann. Die Teilnehmende wurden in BreakOut-Gruppen eingeteilt, durften eine Zahl zwischen 1-6 wählen und dann gemeinsam das jeweils dahinterliegende Tool erkunden.

4. Relevante Fragen

Im nächsten Schritt ging es um relevante Fragen. Ich habe kurz eingeführt, dass aktives Lernen immer voraussetzt, dass an den Erfahrungen/ Interessen/ Herausforderungen der Lernenden angesetzt wird. Relevante Fragen sind deshalb alle Fragen, die sich die Lernenden eines Lernangebots jeweils stellen. Wir haben das konkret gemacht und uns kurz Zeit genommen, dass alle Beteiligten, die für sie relevanten Fragen aufschreiben konnten.

Technisch umgesetzt habe ich das über eine einfache Formulareingabe in WordPress, wobei jeder Formulareintrag automatisch zu einem Beitrag der Website wurde. Dies konnten wir dann im nächsten Schritt nutzen.

5. Peer-to-Peer

Nach der Sammlung relevanter Fragen habe ich kurz eingeführt, dass zeitgemäße Pädagogik aus meiner Sicht vor allem auch dadurch gekennzeichnet ist, dass es für alle Beteiligten ein Lernprozess ist. Deshalb würde ich es nicht als zielführend erachten, wenn ich die gesammelten Fragen jetzt beantworte. Stattdessen haben wir wieder BreakOut-Gruppen eingerichtet – und die nun Teilgebenden konnten sich in der Gruppe entweder eine der gesammelten Fragen zufallsmäßig anzeigen lassen – oder gezielt aus der Liste auswählen. Ergebnisse ihrer Diskussion und ihrer Erfahrungen mit dem Thema konnten jeweils als Kommentar festgehalten werden.

Umgesetzt haben wir damit faktisch ein niederschwelliges Mini-Barcamp, weil die Fragen von den Teilgebenden kamen – und dann gemeinsam eine Beantwortung in Kleingruppen versucht wurde. Anders als bei einem richtigen Barcamp war eine Frage-Einreichung aber nicht mit einer Session verbunden. Ich denke, dass es so für manche einfacher war, ihre Fragen einzubringen und darüber mit anderen zu diskutieren.

6. Flipped Lernen

Während des Webinars war es mir im nächsten Schritt wichtig, aufzuzeigen, dass man auch in einer Videokonferenz relativ einfach die Perspektive für eine spätere Vernetzung und ein gemeinsames Weiterlernen legen kann. Dazu habe ich 8 Erkundungsaufgaben fürs asynchrone Lernen vorgestellt. Teilnehmende erhielten dann die Information:

Wenn Du diese Erkundungsaufgaben nicht nur allein, sondern auch gemeinsam mit anderen erkunden willst, dann kannst Du jetzt den Chat nutzen: Trage eine Möglichkeit zur Kontaktaufnahme ein (z.B. Deine Mailadresse) und an welchen Erkundungsaufgaben Du evtl. Interesse hast. Diesen Teil des Chats senden wir danach an alle, die in dieser Chat-Kommunikation beteiligt waren.

Auch von dieser Möglichkeit wurde rege Gebrauch gemacht – und ich bin gespannt, ob und wenn ja wie gut dieses gemeinsame Weiterlernen dann auch tatsächlich klappt.

7. Kultur des Teilens

Das Teilen von Ideen, Wissen, Erfahrungen und Materialien ist für mich der wahrscheinlich wichtigste Bestandteil einer zeitgemäßen, pädagogischen Haltung. Deshalb war es mir wichtig, auch eine Online-Erkundung dazu aufzunehmen. Umgesetzt habe ich es mit der Methode des #TIL-Storm (= Today I Learned) , d.h. Teilnehmende teilten als Kommentar ihr wichtigstes Learning aus dem Webinar. Neu experimentiert habe ich dann damit, solch einen TIL-Storm auch als Video aufzuzeichnen. Dazu habe ich nach Freiwilligen gesucht, die einer Aufzeichnung zustimmten. Wir haben kurz überlegt, in welcher Reihenfolge wir sprechen wollen – und dann haben 9 Personen ihr ‘#TIL’ per Aufnahme geteilt. Ich finde, das hat wunderbar geklappt – und auch für diejenigen, die lieber nicht bei der Aufzeichnung mitmachen wollten, war es nicht langweilig, weil bei der Darstellung der anderen zugehört werden konnte. (Das aufgezeichnete Video werde ich hier ergänzen, sobald es von weitklick veröffentlicht ist.)

Toll fand ich an dieser Form, dass nicht ich als lehrende Person ein Fazit ziehe und zusammenfasse – sondern die Teilnehmenden als Teilgebende ihren Lernprozess reflektieren und zum Abschluss mit der Lerngruppe und potentiell allen anderen, die daran interessiert sein können, teilen.

Viel Freude bei der Weiternutzung

Ich habe dieses Workshop-Konzept aufgeschrieben, weil es heute meinem Eindruck nach ausgezeichnet funktioniert hat. Gerne kannst Du es für Deine Fortbildungen remixen und anpassen. Die Inhalte auf der verwendeten WordPress-Website sind alle unter CC0 1.0 veröffentlicht, so dass Du sie Dir einfach kopieren kannst. Ich freue mich, von Deinen Erfahrungen zu lesen!


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