So funktioniert ein kollaborativer Mitschrieb!

In diesem Blogbeitrag beschreibe ich eine wesentliche Grundlage meiner Workshops und Fortbildungen: den kollaborativen Mitschrieb. Die Methode eignet sich für unterschiedlichste Bildungsangebote – für den schulischen Unterricht, Team-Sitzungen, Online-Trainings oder Präsenz-Workshops.

Was ist ein kollaborativer Mitschrieb?

Wie der Name bereits deutlich macht, handelt es sich bei einem kollaborativen Mitschrieb um das gemeinsame Festhalten der Inhalte und Lernprozesse eines Bildungsangebots. Der Gegensatz dazu wäre, dass jede Person für sich selbst Notizen macht.

Warum ist ein kollaborativer Mitschrieb eine gute Idee für zeitgemäße Bildung?

Mit einem kollaborativen Mitschrieb können mehrere Ziele zugleich erreicht werden:

  • Effizientere Dokumentation: Bei fast jedem Fortbildungsangebot ist eine der ersten Fragen ‘Wo finden wir die Folien?’. Wenn Folien aber zur Visualisierung eines Inputs ernst genommen und entsprechend gestaltet werden, helfen sie zur Dokumentation der Lernprozesse eines Bildungsangebots in der Regel nur wenig. Dazu müsste mitgeschrieben werden, was gesagt und vor allem, was gemeinsam diskutiert und gelernt wird. In einem kollaborativen Mitschrieb kann genau das stattfinden.
  • Kompetenzentwicklung zu Kollaboration: Kollaboration gilt sehr zu Recht als grundlegende Kompetenz einer zeitgemäßen Bildung. Wer heutzutage gesellschaftlich handlungsfähig sein möchte, kann das dann sein, wenn er gelernt hat, mit anderen gemeinsam zu denken, zu lernen und zu arbeiten (Siehe dazu die 4K-Kompetenz-Übersetzung von Jöran). Im Rahmen eines kollaborativen Mitschriebs können Teilnehmende das praktisch erproben.
  • Teilnehmende übernehmen Verantwortung für den Lernerfolg: In einem gemeinsamen Mitschrieb findet sich später genau das wieder, was die Teilnehmenden gemeinsam eingetragen haben. Sie alle können den Mitschrieb dann später weiter nutzen. Durch diese Konstellation wird im Bildungsangebot von Anfang an deutlich: Die Verantwortung für das Gelingen liegt nicht nur bei der lehrenden Person. Erfolgreich wird das Bildungsangebot durch die Aktivitäten der Teilnehmenden.
  • Bildungsangebot orientiert sich an den Fragen der Teilnehmenden: In engem Zusammenhang mit der Verantwortung für den Lernerfolg steht die inhaltliche Ausgestaltung des Bildungsangebots. Mit einem kollaborativen Mitschrieb gibt die lehrende Person etwas von ihrer Deutungshoheit über die Lerninhalte ab: Teilnehmende können ihre Erfahrungen eintragen, eigene Links ergänzen und insbesondere auch eigene Themen setzen.
  • Lernen unter den Bedingungen der Digitalität: Im besten Fall ist der kollaborative Mitschrieb ein Einstieg in ein Lernen unter den Bedingungen der Digitalität. Aufgehoben ist dann die klare Unterscheidung zwischen lehrender Person auf der einen Seite und den Lernenden auf der anderen. Aufgehoben ist auch eine reine Inputvermittlung. Statt dessen tritt gemeinsame Kompetenzentwicklung durch Ausprobieren und aktives Gestalten in den Vordergrund. Der kollaborative Mitschrieb entwickelt sich dann zum gemeinsamen Online-Sammelpunkt, an dem die gemeinsamen Lernprozesse zusammen geführt und dokumentiert werden.

Was braucht es technisch für einen kollaborativen Mitschrieb?

Voraussetzung für einen kollaborativen Mitschrieb ist, dass alle Beteiligten über ein technisches Gerät zum Mitschreiben verfügen und dass Zugang zum Internet vorhanden ist. Da meine Weiterbildungsangebote sich in den meisten Fällen um den Themenkomplex digital-unterstützte Bildung drehen, ist es hier ohnehin naheliegend, dass Teilnehmende ein eigenes Gerät mitbringen oder ein Leihgerät gestellt bekommen. Oft reicht aber auch schon das Smartphone das insbesondere bei Bildungsangeboten mit Jugendlichen oder erwachsenen Lernenden heutzutage praktisch jede Person in der Tasche dabei hat.

Technisch umgesetzt wird der kollaborative Mitschrieb über eine kollaborative Online-Schreibumgebung. Die klassische Software hierzu ist das Etherpad – nutzbar z.B. über das Zumpad. Weitere Anlaufstellen habe ich in meinem Blogbeitrag zu Ethepads vorgestellt.

Anstelle eines klassischen Etherpads bevorzuge ich für einen kollaborativen Mitschrieb die Software CodiMD, die zum Beispiel offen in der Installation der Open Knowledge Foundation genutzt werden kann. Im Gegensatz zum Etherpad bietet die Markdown-basierte Schreibumgebung deutlich mehr Formatierungsmöglichkeiten. Auch externe Inhalte können einfach eingebunden werden.

Für eine bessere Nutzbarkeit empfiehlt es sich unbedingt einen Kurzlink z.B. via Kurze Links für die kollaborative Schreibumgebung einzurichten. Die Adresse des Pads ist dann keine kryptische Zufallsabkürzung, sondern ein selbst gewähltes Kürzel.

In diesem Screencast zeige ich die Schritte zur Einrichtung und Nutzung eines kollaborativen Mitschriebs. Die ‘Beispielsfolien’ kannst Du Dir von hier kopieren

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Wie setze ich einen kollaborativen Mitschrieb praktisch um?

Ich habe inzwischen sehr viele Erfahrungen mit einem kollaborativen Mitschrieb gesammelt, die ich hier gerne zum Abschluss teilen möchte.

Ideen zum Einstieg

Der Einstieg in ein Bildungsangebot ist für den weiteren Verlauf aus vielen Gründen zentral: Teilnehmende erhalten Orientierung, lernen sich kennen, planen gemeinsam den weiteren Verlauf … In dieser Phase wird dann auch noch der kollaborative Mitschrieb eingeführt. Insbesondere wenn man nicht das eher intuitiv verständliche Etherpad, sondern CodiMD/ HackMD nutzt, sollte man unbedingt ausreichend Zeit einplanen, so dass sich alle mit der kollaborativen Schreibumgebung vertraut machen können.

Ich habe gute Erfahrungen gemacht, zum Einstieg eine ‘Mini-Aufgabe’ an Teilnehmende zu verteilen. Diese erhalten sie bereits beim Reinkommen, d.h. vor dem eigentlichen Beginn. Mögliche technische Probleme können dann noch vorab im direkten Gespräch geklärt werden. Auf dem verteilten Aufgabenzettel findet sich dann nicht nur die Aufgabe, sondern zugleich der Link (und gegebenenfalls ein QR-Code) zum eingerichteten Pad.

Bei Gruppen, die sich nicht kennen, reicht es als ‘Aufgabe’ aus, sich mit Name und Organisation ins Pad einzutragen. Darauf aufbauend lässt sich dann anschließend eine Vorstellungsrunde gestalten. Alternativ kann ein inhaltlicher Einstieg gewählt werden. Zum Beispiel das Vervollständigen von Satzanfängen zum Thema des Seminars. Bei HackMD/ CodiMD können diese Antworten dann via integriertem Präsentationsmodus gezeigt werden. So sind es die Teilnehmenden (Teilgebenden), die die ersten Folien des Seminars gestalten.

Eine weiterführende Möglichkeit ist es, Teilnehmende schon im Vorfeld des Bildungsangebots ihre Themen/ Fragen in das gemeinsame Pad eintragen zu lassen – und darauf dann die Struktur des Bildungsangebots zu gestalten.

Folien + Mitschrieb: getrennt oder gemeinsam?

Beim obigen Beispiel mit einer ‚Aufgabe‘ zum Einstieg sind die Folien des Bildungsangebots und der kollaborative Mitschrieb eins. Das hat den großen Vorteil, dass Teilnehmende von Anfang an die Inhalte des Seminars aktiv mitgestalten. Diese Variante eignet sich somit auch besonders für Bildungsangebote mit sehr aktiven Lernprozessen. Sofern auch längere Inputphasen vorgesehen sind, habe ich bessere Erfahrungen damit gemacht, die Präsentation dazu auszugliedern und im kollaborativen Mitschrieb erstens zu verlinken und zweitens die geplante Gliederung des Inputs einzutragen. Auf diese Weise können Teilnehmende einfacher mitschreiben.

Nachbereitung

Im besten Fall wird der kollaborative Mitschrieb auch zur Nachbereitung aktiv genutzt. In der Struktur trage ich hierzu bei meinen Bildungsangeboten meist die Rubrik ‚Fragen‘ ein. Hier kann dann direkt geklärt werden, was beim Nachbereiten/ Ausprobieren offen bleibt.

Eingetragen werden sollte zudem eine Lizenz, mit der die Weiternutzung geregelt ist. Ich empfehle hierzu eine Freigabe unter Public Domain.

Fazit: Ausprobieren!

Gerade der Einstieg in ein Bildungsangebot mit kollaborativem Mitschrieb mit digital weniger-affinen Menschen kann etwas stressig sein, weil das Pad zum Teil als Überforderung wahrgenommen wird. Wenn man aber ausreichend Zeit zum Erklären einplant, hat der Mitschrieb bei mir bis jetzt immer gut funktioniert. Am Ende des Bildungsangebots waren bis jetzt fast alle Teilnehmenden von den Vorteilen und Potentialen überzeugt :-)

Ich freue mich über Feedback und weitere Erfahrungen. Gerne als Reply auf diesen Tweet oder per Mail.


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