Mensch-Maschine-Dokumentation von Veranstaltungen: Vergiss Fotokolle, nutze Transkripte!

Gute Workshops zeichnen sich durch aktives Lernen, Zusammenarbeit und kreative Ideenentwicklung aus. Insbesondere bei Workshops vor Ort bedeutet das oft, dass viele Karten, Post-its und Flipcharts gemeinsam beschriftet werden. Natürlich sollen diese Ergebnisse nicht verloren gehen, sondern weiter genutzt werden können. Dafür ist eine gute Dokumentation erforderlich.

Der wahrscheinlich naheliegendste Weg besteht darin, alle Pinnwände mit den Karten und weiteren Materialien abzufotografieren und den Teilnehmenden anschließend als „Fotokoll“ zur Verfügung zu stellen. Mit dieser Form der Dokumentation konnte ich mich jedoch noch nie wirklich anfreunden. Ich finde es ziemlich mühsam, aus solchen Fotokollen die für mich relevanten Informationen herauszusuchen. Eine direkte Weiterarbeit damit ist ebenfalls nicht möglich. Und wenn man Pech hat, ist die Qualität schlecht, sodass man ohnehin nur die Hälfte lesen kann. Auch die Erstellung finde ich gerade bei vielen Ergebnissen ziemlich aufwendig.

Etwas besser finde ich deshalb die zweite Möglichkeit: „Bild-zu-Text“-Tools zu nutzen! Viele Smartphone-Kameras verfügen mittlerweile über integrierte Funktionen, um Schrift in Bildern zu erkennen und in Text umzuwandeln. Tools wie ChatGPT sind sogar relativ gut darin, recht relativ unleserliche Handschriften in Bildern zu erkennen. Manche nutzen dafür auch spezialisierte Apps. Aus der Perspektive der Weiterverwendung halte ich diesen Weg für deutlich besser als ein Fotokoll, denn mit einem Text kann ich viel besser arbeiten als mit einer Sammlung von Fotos. Der Haken liegt für mich bei der Erstellung: Es ist ziemlich zeitaufwändig, alles in so guter Qualität zu fotografieren, dass die Umwandlung in Text tatsächlich funktioniert. Bei mehreren Pinnwänden und zusätzlichen Flipcharts geht dafür sehr viel Zeit drauf. Und dennoch sind die resultierenden Texte meist fehlerhaft und müssen manuell nachbearbeitet werden.

Mein Ansatz ist daher seit einiger Zeit ein ganz anderer: Ich arbeite über den vermeintlichen Umweg von Audio, was im Ergebnis jedoch viel schneller und zielführender ist.

So gehe ich vor:

  1. Sammeln: Während oder nach einer Veranstaltung sammle ich alle Materialien sorgfältig ein. Dabei achte ich darauf, dass ich alles gut beschrifte und sortiere. Wenn wir beispielsweise Ideen zu einer bestimmten Frage an einer Pinnwand gesammelt haben, schreibe ich die Frage auf einen Briefumschlag und stecke alle Karten von der Pinnwand hinein.
  2. Strukturieren: Auf dem Rückweg von der Veranstaltung verschrifte ich das Konzept der Veranstaltung. Dabei wird mir meist als Nebeneffekt klar, welche Inhalte für die Dokumentation wichtig sind und welche nicht. Oft nutze ich zum Beispiel zum Einstieg Methoden, die das Denken öffnen sollen. Die dabei entstandenen Ergebnisse sind für die Dokumentation meist weniger relevant als eine Ideensammlung, die später im Prozess darauf aufbaut.
  3. Vorbereiten: Zu Hause nehme ich die gesammelten Materialien, die ich dokumentieren möchte, und setze mich vor meinen Laptop oder mein Smartphone. Dort starte ich eine Audio-Aufzeichnung. Am Laptop nutze ich dazu einfach das Tool Audacity, aber die genutzte Software ist im Grunde nicht entscheidend, da das Audio später nicht veröffentlicht wird.
  4. Einsprechen: Ich beginne damit, die gesammelten Inhalte einzusprechen, während ich sie direkt etwas strukturiere. Zum Beispiel spreche ich ein: „Es ging zunächst um die Frage … Dazu wurden die folgenden Karten gesammelt … Dann gab es ein Mini-Barcamp mit 9 Sessions. Der Titel der ersten Session war … Dort wurden folgende Ideen festgehalten … Die zweite Session war … mit diesen Ideen: …“ Es spielt keine Rolle, wenn ich mich verspreche. Wichtig ist nur, dass ich halbwegs deutlich spreche.
  5. Transkribieren: Das entstandene Audio lasse ich transkribieren. Es entsteht ein Text, der natürlich noch nicht sofort nutzbar ist. Das ist jedoch nicht schlimm, denn ich gebe dieses Transkript zunächst völlig unbearbeitet in ein KI-Sprachmodell ein. Im Prompt erläutere ich den Kontext der Veranstaltung und gebe an, wie die Darstellung erfolgen soll. Zum Beispiel: „Schreibe immer erst die Frage und darunter dann die genannten Punkte als Liste. Dopplungen oder Mehrfachnennungen kannst du direkt clustern.“
  6. Weiter bearbeiten: Mit diesem Vorgehen erhalte ich ein erstes Basisprotokoll, das ich nur noch kurz durchlesen muss, bevor ich es veröffentlichen kann. Besonders spannend wird es, wenn ich die Inhalte mit dem genutzen KI-Modell weiter bearbeite. Hier sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt: Ich kann beispielsweise den Prompt eingeben, dass aus allen Inhalten eine Liste mit den 10 wichtigsten Ergebnissen des Workshops erstellt wird, oder ich erstelle eine Zusammenstellung, die speziell für die Zielgruppe der Inklusionspädagog*innen relevant ist, oder eine Liste mit möglichst konkreten Ideen …

In den letzten Wochen bin ich ein großer Fan dieses Vorgehens geworden. Besonders gefallen mir dabei folgende Aspekte:

  • Es geht schnell: Natürlich braucht es Zeit, die Inhalte „einzusprechen“. Da hierbei jedoch wirklich keine hohe Qualität erforderlich ist und man einfach frei sprechen kann, war ich selbst überrascht, wie schnell das geht.
  • Es macht Freude: Der Prozess der Dokumentationsaufbereitung ist für mich zugleich Lernzeit. Als moderierende/ lehrende Person bin ich bei den Lernprozessen vor Ort oft weniger dabei. Mit dem Einsprechen bekomme ich die entwickelten Inhalte dann aber sehr direkt mit.
  • Es ermöglicht eine gute Qualität: Indem die Inhalte nicht einfach abfotografiert, sondern von mir gelesen werden, fallen mir direkt Lücken auf, oder ich kann Kontext liefern. Das sind manchmal so banale Dinge wie das Aussprechen von Abkürzungen oder das Übersetzen von Schlagwörtern und Emoticons in ganze Sätze. (Beispiel: Aus der Karte „!!! Ressourcenverschleuderung :-( !!!“ wird beim Einsprechen: „große Bedenken aufgrund von Ressourcenverschleuderung.“) So entsteht im Ergebnis eine qualitativ bessere und zugänglichere Dokumentation.

Die Krönung ist dann natürlich die Möglichkeit zur gezielten und spezifischen Aufbereitung mit generativen KI-Sprachmodellen. Im nächsten Schritt möchte ich damit experimentieren, diese Aufbereitung nicht mehr selbst zu übernehmen, sondern die Inhalte den Teilnehmenden so zur Verfügung zu stellen, dass sie sie eigenständig in ein KI-Sprachmodell einspeisen und je nach individuellen Interessen weiter daran arbeiten können.

Fazit

Generative KI kann gerade auch aus Perspektive der Dokumentation spannend sein. Ich freue mich auf weitere Erkundungen und bin gespannt, welche Erfahrungen du damit machst.


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