Meine zehn wichtigsten Mini-Selbstentwicklungen in 2024

Dieses Jahr steht der Jahresrückblick hier in meinem Blog unter dem Titel „Mini-Selbstentwicklungen“. Es geht also um Praxis, Routinen und Ideen, die ich im letzten Jahr für mich entdeckt und Schritt für Schritt in meinen Arbeitsalltag integriert habe. Der Begriff Mini-Selbstentwicklungen erscheint mir dafür aus zwei Gründen passend: Erstens sind es tatsächlich oft nur kleine, manchmal fast banale Dinge. Zweitens – und das ist entscheidend – spüre ich in der Reflexion, dass diese Kleinigkeiten dennoch einen echten Beitrag zu meiner eigenen Weiterentwicklung leisten. Ich habe das Gefühl, in diesen Bereichen mit mir selbst einen Schritt vorangekommen zu sein.

In diesem Sinne sind hier meine zehn wichtigsten Mini-Selbstentwicklungen in 2024:

1. Kritzelpräsentationen

Kaum etwas anderes hat mir in diesem Jahr beruflich so viel Freude gemacht wie Kritzelpräsentationen. Meine erste Kritzelpräsentation habe ich Ende Januar fertiggestellt – und war sehr stolz darauf! Diese Präsentation war noch ganz in Schwarz-Weiß und sehr „abgezeichnet“. Ich habe dann immer weiter gezeichnet, mehr selbst probiert, Farbe dazu genommen und dabei Schritt für Schritt in ersten Ansätzen meinen eigenen Stil entwickelt. Gut zeichnen im Sinne einer künstlerischen Qualität kann ich immer noch überhaupt nicht. Ich habe aber immer besser gelernt, meine Thesen, Fragen und Inspirationen in sehr simplen Kritzeleien möglichst prägnant auf den Punkt zu bringen.

Der Auslöser für diese Mini-Selbstentwicklung war, dass ich von KI-generierten Bildern ziemlich genug hatte und auf der Suche nach schönen, Storytelling-artigen Präsentationsformen war. In der Winterpause habe ich dann einfach mal so mit Kritzeln begonnen. Die ersten Zeichnungen waren wirklich eine Katastrophe. Zum Glück hatte ich gerade am Anfang den Eindruck, wirklich sehr schnell Fortschritte zu machen. Im Grunde ging es nur darum, den Stift mit mehr Selbstbewusstsein zu führen und ein paar erste Routine-Zeichnungen fest im Kopf verankert zu haben. Alles Weitere ergab sich dann nach und nach.

Allererste, sehr unsichere Kritzeleien von mir von Januar 2024

Weil mir das Kritzeln viel Freude machte, ich Bestärkung und sehr wertschätzendes Feedback erhielt und ich den Eindruck hatte, dass meine Vorträge mit Kritzelpräsentationen besser wurden, bin ich dann dabei geblieben. Sicherlich werde ich das auch im neuen Jahr weiter machen. Natürlich kritzle ich nicht alle Vorträge, sondern nutze oft auch offen-lizenzierte Bilder oder doch KI-Generierung. Viel kann ich inzwischen auch von meinen bereits gezeichneten Kritzeleien weiter nutzen. Immer wieder nehme ich mir aber für einen ’neuen Vortrag‘ bewusst Zeit und kritzle ihn von der ersten bis zur letzten Folie. Diese Vorträge werden dann oft zu meine Lieblings-Vorträgen!

2. Frische Luft & Bewegung

Spazieren gehen war für mich schon immer ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit. Dieses Jahr habe ich es aber noch ein Stückchen mehr zur Routine gemacht – und bei Veranstaltungen auch mit einer veränderten Praxis verbunden. Die Mini-Selbstentwicklung ‚Frische Luft und Bewegung‘ besteht somit genau genommen eigentlich aus gleich drei Routinen:

  1. Ich starte Konzeptionen von Lernangeboten oder die Gestaltung von Inhalten sehr konsequent damit, dass ich rausgehe, eine Runde spaziere und dabei reflektiere – nicht erst dann, wenn ich merke, dass ich nicht weiterkomme. Den Anstoß dafür gab wieder die KI-Entwicklung. Ich merkte, dass ich die meisten Veranstaltungskonzeptionen damit startete, dass ich mir von einem KI-Sprachmodell eine Liste mit zehn ersten Ideen generieren ließ. Das wurde mir mit der Zeit zu einseitig. Vor allem fand ich es aus Perspektive eines befürchteten De-Skillings für mich nicht sinnvoll. Inzwischen nutze ich den Prompt mit den zehn Ideen zwar immer noch viel und gerne, aber achte darauf, dass ich immer zuerst selbst nachdenke. Genau das funktioniert bei mir spazierengehend einfach am besten!
  2. Wenn ich zu Vor-Ort-Veranstaltungen verreise, dann bemühe ich mich um eine Unterkunftsauswahl in Spaziergangsnähe zur Veranstaltung. Das lässt sich vorher schon recherchieren, und es gibt oft wirklich sehr schöne Wege durch die Stadt oder auch an Sehenswürdigkeiten vorbei, durch Parks oder an Flüssen. Das bedeutet im Ergebnis, dass ich die meist langen Veranstaltungstage spazierend beginne, dabei noch einmal den Tag im Kopf ein bisschen vorplanen kann und dann auch im Rückblick zu der jeweiligen Veranstaltung meist sehr klare und konkrete Erinnerungen im Kopf behalte, weil ich sie mit dem Spazierweg am Morgen verknüpfe.
    Die Idee für diese Praxis war ein Zufall: Ich war bei der Veranstaltung ‚OER im Blick‘ in Frankfurt, übernachtete in der Nähe des Bahnhofs und schaute am nächsten Morgen, wie ich am besten zum Veranstaltungsort komme. Ich sah, dass es zu Fuß nur eine knappe Stunde war und das ganz wunderbar am Main entlang ging. Ich habe diesen Weg gewählt – und fand das im Ergebnis so ein gutes Ankommen, dass ich das auch für spätere Veranstaltungen in vielen Fällen so beibehalten habe.
  3. Wenn ich direkt am Tag der Veranstaltung anreise, laufe ich vom Bahnhof aus zum Veranstaltungsort ohne die Smartphone-Navigation zu nutzen. Stattdessen schaue ich vorab, wie ich laufen will, und orientiere mich dann beim Gehen. Davor war es meine Praxis, mit dem Handy in der Hand zu laufen. Ich stelle fest, dass ich ohne Handy tatsächlich aufmerksamer meine Umgebung wahrnehme. Außerdem gibt es in vielen Städten sehr bewusst aufgestellte Wegweiser zu Orten wie z. B. der Hochschule oder anderen Veranstaltungsorten, denen man folgen kann. Sie preisen oft nicht den kürzesten Weg an, sondern den für die jeweilige Stadt passendsten. Genau wie der morgendlichen Spaziergang vom Hotel zum Veranstaltungsort ermöglicht auch diese Routine mir ein sehr gutes Ankommen!
Niedliche Küken am Main auf dem Weg zu einer Veranstaltung

3. Klüger Bahnfahren

Ich bin in meiner Arbeit auf die Bahn angewiesen, weil ich nicht gut Auto fahren kann (und es auch nicht lernen will) und insgesamt relativ viel unterwegs bin. Wer ebenfalls viel Bahn fährt, wird mir zustimmen, dass die Bahn – sehr vorsichtig formuliert – leider nicht die Zuverlässigkeit bietet, die man sich wünschen würde. Ich habe mich sehr lange und sehr viel über diese Realität geärgert. Inzwischen habe ich für mich entschieden, mit mehr Gelassenheit an die ganze Sache ranzugehen. Das funktioniert praktisch so, dass ich erstmal davon ausgehe, dass ich verspätet sein werde oder irgendwelche anderen Herausforderungen entstehen. Wenn das dann wider Erwarten doch anders ist, dann habe ich etwas, worüber ich mich freuen kann. Trotz dieser veränderten Haltung setze ich mich natürlich weiterhin für eine bessere öffentliche Infrastruktur ein.

Damit diese Strategie auch mit potenziellen Auftraggebern funktioniert, plane ich bei längeren Anfahrten meine Anreise entweder so, dass ich in die Nacht reinfahre und dann am nächsten Morgen pünktlich bin, oder dass ich mindestens zwei Stunden Vorlaufzeit einplane. Das mache ich transparent – und schreibe direkt auch dazu, dass ich mehr Vorlauf zeitlich nicht ermöglichen kann. Mehr als zwei Stunden Verspätung ist aber bei mir wirklich sehr selten. Meistens ist es sogar so, dass noch Zeit für ein entspanntes Ankommen und Vorbereiten bleibt. Wenn es dann doch länger braucht, dann ist das etwas, was ich nicht direkt ändern und deshalb dabei sehr gelassen bleiben kann.

(Ich weiß, dass ich in der privilegierten Situation bin, dass ich schnell zu Fuß bin, keine besonderen Bedürfnisse habe und das System Bahn und viele Bahnhöfe sehr gut kenne. Darum ist mein weiterer Selbstanspruch beim Bahnfahren, auf jeder Fahrt wenn nötig immer dann zu unterstützen, wo andere Menschen nicht weiterkommen. Das macht Bahnfahren auch für mich direkt weniger nervig, weil ich den Eindruck habe, zumindest ein bisschen etwas Sinnvolles in dem ganzen Chaos machen zu können.)

4. Blickkontakt

Das klügere Bahnfahren bringt mich direkt zu meiner nächsten Selbstentwicklung: dem Blickkontakt mit anderen. Das ist eine Routine, die ich mir angewöhnt habe, die vielleicht für viele Menschen ohnehin selbstverständlich ist. Für mich war es das bisher nicht. Vielleicht einfach aus Unsicherheit habe ich meistens „durch“ andere Menschen, die ich nicht kenne, aber denen ich unterwegs begegne, hindurch geblickt oder auf andere Arten und Weisen den direkten Blickkontakt eher vermieden. Im letzten Jahr habe ich mir dann angewöhnt, Menschen direkt anzublicken. Ich merke, dass das in sehr vielen Fällen zu einer anderen Stimmung führt. Allein durch einen kurzen Blickkontakt kann aus einem isolierten Nebeneinander etwas „Gemeinsames“ entstehen: Man wartet dann gemeinsam auf die Tram, man hofft gemeinsam darauf, den Anschluss nicht zu verpassen, man freut sich gemeinsam über die warme Sonne oder ein lachendes Kind in der Fußgängerzone …

Sehr spannend fand ich, dass diese Routine auch mein Verhalten bei Vorträgen verändert hat. Auch hier habe ich natürlich auch früher schon ins Publikum geblickt, aber auch hier meistens, ohne direkt jemanden anzuschauen. Durch die Erfahrung des Blickkontakts im öffentlichen Raum mit Unbekannten kann ich das inzwischen viel besser auch auf Vortrags-Settings übertragen – und mag die Resonanz, die daraus dann entstehen kann, sehr gerne.

Ausgangspunkt für diese Mini-Selbstentwicklung war ein LinkedIn-Post, in dem eine Person sinngemäß schrieb, dass sie sich immer erst 30 Sekunden Zeit nimmt, um Menschen anzublicken, bevor sie sich ihr Smartphone oder ein anderes technisches Gerät nimmt. Ich habe beschlossen, zumindest das mit dem Blickkontakt mal direkt auszuprobieren. Inzwischen ist es Normalität geworden.

Ich mag diese Mini-Selbstentwicklung sehr gerne und werde sie sicherlich beibehalten und weiter entwickeln.

5. Konstruktivere Zusammenarbeit dank „innerem Team“

Im Sommer habe ich das Buch Haltung von Katrin Halfmann gelesen und darin vor allem das Prinzip des inneren Teams von Schulz von Thun für mich entdeckt. Sehr vereinfacht geht man beim inneren Team davon aus, dass sich in unterschiedlichen Situationen, die wir erleben, immer sehr schnell unterschiedliche „Stimmen“ in unserem Inneren zu Wort melden. Das ist unser inneres Team. Welches innere Team wir haben, haben wir sehr lange im Laufe unserer Sozialisation erworben. Zugleich lässt sich das innere Team auch immer weiterentwickeln.

Die schnellsten und lautesten Stimmen des inneren Teams sind oft nicht die Stimmen, die am besten zu einer konstruktiven Zusammenarbeit beitragen können. Es sind z. B. oft die ärgerliche Person, die enttäuschte Person oder die verunsicherte Person. Sie sagen in uns zum Beispiel Sätze wie diese:

  • „Was soll denn das? Das ist ja superblöd von diesem Auftraggeber!“
  • „Die Auftraggeber sind bestimmt total unzufrieden mit dem, was ich für sie gestaltet habe!“
  • „Warum bekommt diese Person so viel Applaus und ich werde gar nicht beachtet?“

Der Clou beim inneren Team ist nun, dass wir diesen ersten und lauten Stimmen nicht hilflos ausgeliefert sind. Wir können stattdessen in uns hinein hören und gezielt suchen, wen es da in uns sonst noch gibt, oder stillere Mitglieder des inneren Teams bewusst zum Reden auffordern bzw. auch weitere, hilfreiche Mitglieder dazu holen. Dann kommen plötzlich auch ganz andere Stimmen zum Vorschein:

  • „Was ist da denn passiert? Hatte der Auftraggeber einen schlechten Tag?“
  • „Ich kann Bildungsangebote gut gestalten!“
  • „Die Person hat den Beitrag sicherlich mit viel Mühe vorbereitet. Schön, dass das honoriert wird!“

Mit diesen inneren Stimmen ist dann eine ganz andere Reaktion möglich als die Reaktion, die einem spontan gekommen wäre. Man reagiert reflektierter, mehr in der „Ich-Form“ und empathischer. Ich mache die Erfahrung, dass das vor allem für eine konstruktivere Zusammenarbeit mit anderen sehr hilfreich ist. Richtig froh war ich, als es mir kürzlich gelungen ist, bei Unstimmigkeiten in einer Zusammenarbeit ein sehr konstruktives Feedback zu formulieren. Außerdem habe ich es mithilfe einer bewussten Auseinandersetzung mit meinem inneren Team an sehr vielen Stellen geschafft, mich von Missgunst zu befreien, die davor immer mal wieder an mir genagt hatte, und stattdessen zu Mitfreude zu gelangen.

Insgesamt merke ich, dass es mir durch diese Mini-Selbstentwicklung in ganz vielen Situationen und immer besser gelingt, konstruktiv zu reagieren. Eine sehr gute und hilfreiche Sache!

6. Analoger Schreibtisch

Ein „analoger Schreibtisch“ war mein diesjähriger Neujahrsvorsatz. Er hat mich so durch das ganze Jahr begleitet. Genau genommen ist es kein „ganzer“ analoger Schreibtisch, sondern ich habe an meinem (recht langen) Schreibtisch einfach einen Bereich, in dem eine Kritzeloberfläche liegt, Stifte und auch ein bisschen Kreativitätsutensilien wie Knete und Lego. Daneben – im digitalen Bereich – steht mein Laptop mit Headset. Ich mag diese Einrichtung und habe sie im Laufe des Jahres so sehr schätzen gelernt, dass ich es sicher auch zukünftig beibehalten werde.

Inzwischen habe ich es mir fest angewöhnt, Aufgaben zum Neudenken und zum Strukturieren nicht am Bildschirm zu machen, sondern dafür „rüberzurutschen“ in den analogen Bereich. Das macht oft sehr viel mehr Freude und ich erlebe es auch als deutlich produktiver!

7. Mini-Meditation

Von einer Kollegin habe ich im Sommer das weite Feld der Meditation entdeckt und mich ein bisschen ans Erkunden dazu gemacht. Ich bin weit davon entfernt, „Meditation“ tatsächlich als Praxis in meinen Tagesablauf integriert zu haben. Das lese und höre ich viel von anderen und finde das sehr bewundernswert. Was für mich aber geklappt hat, sind so genannte Mini-Meditationen. Das sind ganz kurze „Stopp-Möglichkeiten“ bei rotierenden Gedanken im Kopf. Es geht hier nicht darum, die Gedanken zu sortieren und zu ordnen. Stattdessen geht es darum, für einen kurzen Augenblick ganz bewusst nichts zu denken. Das funktioniert bei mir am besten, wenn ich mich entweder auf meinen Atem fokussiere. Oder wenn ich meinen Körper bewusst erfühle (Wo sitze ich gerade, wie fühlt sich die Verbindung meiner Füße zum Boden oder meiner Hände zum Schreibtisch an?). Mit dieser Fokussierung endet das sonstige Gedankenkarussell und die Mini-Meditation wirkt deshalb wie eine sehr erholsame Pause, auch wenn es meistens nur 1–2 Minuten sind. Je häufiger ich das anwende, desto besser funktioniert es. Das bedeutet: Es wird immer einfacher, den Fokus herzustellen und das Chaos im Kopf zu stoppen. Danach lässt sich dann sehr viel besser weiter arbeiten.

Auch das ist eine Mini-Selbstentwicklung, die ich als sehr hilfreich empfinde. Ich möchte sie gerne noch besser erlernen. Vielleicht klappt es ja zukünftig auch besser mit längerer Meditation.

8. Zuversicht

Mein Sommer war aufgrund verschiedener Umstände wenig erholsam, und als ich Mitte August wieder richtig mit der Arbeit begann, hatte ich über ein paar Wochen ein großes Unsicherheitsgefühl. Der Auslöser war hier ein weitgehender „Leerlauf“ bei den Aufträgen. Ich hatte zwar noch einige Veranstaltungen im Kalender, die ich gestaltete, aber es gab auch sehr viele Tage, an denen ich tatsächlich gar nichts zu tun hatte. Das Ganze war für mich finanziell noch nicht problematisch, weil ja trotzdem einzelne Aufträge da waren und ich mir in der Selbstständigkeit natürlich auch ein finanzielles Polster aufbaue, das ich in dieser Situation nutzen konnte. Sie hat mich aber innerlich sehr beunruhigt. Ich fing an zu zweifeln, ob meine Tätigkeiten noch gebraucht werden, überlegte, ob ich doch anders (weniger offen?) arbeiten müsste oder ob ich mich einfach damit abfinden muss, dass es – auch angesichts einer insgesamt schwierigen politischen Lage – weniger Spielräume zur Gestaltung guter Bildung gibt. Mit befördert wurde diese Unsicherheit durch die neuen KI-Möglichkeiten. Ich nahm plötzlich sehr viele Menschen (auch andere Freiberufler*innen) wahr, die plötzlich viel mehr teilten als vorher – und dabei sehr oft transparent machten, dass es mit KI-Unterstützung generierte Inhalte waren. Ich hatte vor diesem Hintergrund den Eindruck, mit meinen Inhalten ein bisschen unterzugehen. Verschärft wurde die Situation, weil mir „virtuelle Resonanz“ fehlte, die mich früher sehr getragen hatte.

Ich habe diese Situation nicht leicht überwunden, sondern sehr mit mir gehadert. Es war ein großes Hin und Her in meinem Kopf, wie ich meine Arbeit genau ausrichten soll. Im Ergebnis habe ich das Ganze dann als Herausforderung zur Selbstentwicklung eingeordnet. Mein Ziel war es, mehr Zuversicht zu erreichen. Sehr geholfen hat mir dabei, dass ich in meinem Kopf bewusst viele „Worst Case“-Szenarien durchgespielt habe: Was wäre, wenn ich jetzt das ganze Jahr keine Aufträge mehr bekommen würde? Solche Gedankenspiele haben sehr geholfen, weil mir dann vieles in den Sinn kam, was vielleicht ein möglicher Plan B oder Plan C oder Plan D wäre – und das alles keine Katastrophen gewesen wären.

Ich habe nun den Eindruck, dass mir die Mini-Selbstentwicklung ‚Mehr Zuversicht‘ gut gelungen ist. Ich habe mehr Vertrauen darin, dass meine Art zu arbeiten von Menschen gebraucht wird und hilfreich sein kann und dass sich immer wieder – oft auch unerwartet – neue Türen auftun. Ich habe auch viel über meine Form des Arbeitens – die Solo-Selbstständigkeit – nachgedacht. Ich habe diese Form vor vielen Jahren eher zufällig begonnen, aber mich jetzt sehr bewusst dazu entschieden, dabei zu bleiben, weil ich es für mich als die beste Form empfinde.

Inzwischen ist das eingetreten, was viele mir vorhergesagt hatten: Ich hatte im November und Dezember fast zu viel zu tun, und auch für das neue Jahr sind schon viele erste Aufträge vereinbart. Das ist natürlich sehr beruhigend. Noch wichtiger finde ich für meine Selbstentwicklung aber, dass ich die Zuversicht dazu schon vorab entwickelt hatte. Ich hoffe nun, dass ich darauf auch in zukünftigen Krisen-Phasen wieder zurückgreifen kann.

9. Lerntagebuch

Mit dem Beginn des neuen Jahres habe ich den Bereich „Hinter den Kulissen“ auf meiner Website eingerichtet. Ich teile dort, wie ich lehre, lerne und arbeite, was dabei schiefgeht und was gut läuft – und immer auch, welche spontanen Einfälle, Learnings und Begegnungen ich zwischendurch habe. Mein Ziel war es, möglichst an jedem Arbeitstag einen Beitrag zu verfassen. Das habe ich relativ gut hinbekommen. Es sind – Stand heute – insgesamt 210 Beiträge veröffentlicht – und ich bin wahrscheinlich selbst der größte Fan dieser Rubrik. Ich mag ganz viele Sachen daran:

  • Ich kann mein eigenes Lernen verfolgen. Ganz oft schaue ich durch die Beiträge und schlage noch einmal nach, was ich da und dort gemacht habe, und denke dann daran weiter.
  • Es ist ein super Bereich für den Aufbau des eigenen Netzwerks, weil ich oft auch Bilder teile, die ich vor Ort mit Menschen mache – und ich erinnere mich dann deutlich besser, wen ich wann getroffen habe.
  • Es ist eine sehr wertvolle Routine, sich zwischendrin und/oder am Abend kurz Zeit zu nehmen, um zu notieren, was los war. Oft denke ich, dass heute eigentlich gar nichts Relevantes passiert ist. Beim Schreiben merke ich dann aber doch immer wieder, wie viel zusammenkommt.
  • Es tut sehr gut, über das Scheitern zu schreiben. Und gerade bei diesen Beiträgen finde ich es sehr wertvoll und unterstützend, Zuspruch und Mitfühlen zu bekommen. Dann ist man mit so einem Scheitern viel weniger allein.
  • Das Lerntagebuch ist eine niederschwellige Form von Teilen. Einen ganzen Blogbeitrag würde ich für doch eher sehr kleine Learnings wahrscheinlich nicht verfassen. Ein Eintrag im Lerntagebuch ist dagegen sehr einfach und schnell gemacht – und ist ja auf meiner Website eher in einer sekundären Darstellungsebene, d.h. nicht direkt auf der Startseite der Website sichtbar.

Ausgangspunkt für das Lerntagebuch waren die „Now“-Seiten auf einigen anderen Websites, über die – meist in monatlichen Updates – geteilt wird, was man im letzten Monat gemacht hat bzw. woran man arbeitet. Für mich passt der (fast) tägliche Eintrag deutlich besser, hilft mir sehr beim Lernen und der Selbstentwicklung. Ich möchte das sehr gerne auch im nächsten Jahr beibehalten!

10. Shruggie-Haltung

Der letzte Punkt in meiner Liste ist die Shruggie-Haltung. Dirk von Gehlen hat zum Shruggie-Prinzip schon vor einigen Jahren ein ganzes Buch geschrieben. Ich kannte das Prinzip, aber habe erst seit diesem Jahr den Eindruck, es mehr und mehr auch selbst tatsächlich zu leben.

Der Shruggie ist dieses Emoticon der Netzkommunikation: ¯\_(ツ)_/¯
Es zeigt einen Menschen, der angesichts der Widersprüchlichkeit der Welt viele Fragen und keine fertigen Antworten habt, aber daran nicht verzweifelt, sondern optimistisch und freundlich schaut und trotz alledem gestalten will. Dieses Prinzip ist insbesondere wie gemacht für die aktuelle KI-Debatte: Denn diese Entwicklung ist einfach super widersprüchlich, noch sehr offen, und es ist dringend nötig, dass wir sie pädagogisch gestalten, um gutes Lernen, soziale Gerechtigkeit und Demokratie zu erreichen.

Für mich war die Entdeckung des Shruggie-Prinzips vor diesem Hintergrund sehr wichtig für eine eigene strategische Orientierung in diesem Feld. Es gefiel mir nämlich weder, immer ganz viel Klein-Klein in Lernangeboten weiter zu betreiben, noch fand ich es hilfreich, die Mahnerin zu sein, die immer wieder davor warnt, was da strukturell und von den Ressourcen her für ein großer Mist hinter dieser Technologie steckt. Die Shruggie-Haltung erlaubt mir nun eine gestaltende Perspektive. Ich habe für mich Lernfelder definiert, in denen ich weiterkommen will und zu denen ganz viele kluge Ideen gebraucht werden. KI-Workshops und Lernangebote machen mit dieser Perspektive dann wieder sehr viel mehr Freude!

Und Du?

Ich habe diesen Blogbeitrag nicht nur deshalb geschrieben, um über meine eigene Selbstentwicklung zu reflektieren. Zugleich denke ich auch, dass vielleicht das eine oder andere Prinzip für dich ein hilfreicher Anstupser sein kann, den du für dich übernehmen willst. Vielleicht hast du auch Lust, deine eigenen Mini-Selbstentwicklungen des letzten Jahres zu teilen. Ich bin neugierig darauf, sie zu lesen!

Beitragsbild: Meine 10 Mini-Selbstentwicklungen – natürlich auch gekritzelt.


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