Liebe neugierige, offene und lernende Menschen – kommt ins Fediverse zu Mastodon!

Dieser Blogbeitrag ist ein Appell an alle neugierigen, offenen und interessierten Menschen, sich im Fediverse (z.B. bei Mastodon) zu registrieren. Ich bin mir sehr sicher: Ihr werdet es nicht bereuen!

Wenn man von etwas überzeugen will, dann sollte man Kopf, Herz und Hand gleichermaßen ansprechen. Genau das habe ich im folgenden vor. Ich möchte erklären, welche rationalen Gründe für eine Registrierung im Fediverse sprechen, warum es dort einfach toll und großartig ist und warum das auch praktisch handhabbar und zeitlich leistbar ist. Ich wende mich dabei vor allem an jene, die mit mir bislang über Twitter vernetzt waren.

1. Warum ist das Fediverse eine rationale und gut begründbare Idee?

Anders als andere soziale Netzwerke gehört das Fediverse nicht einer oder wenigen Personen, sondern uns allen. Die unterschiedlichen Angebote im Fediverse (es gibt ja nicht nur Mastodon) sind Open Source, d.h. der Code der Software ist jeweils für alle einsehbar und nutzbar. Daraus folgt, dass es nicht den einen Link zum Fediverse oder den einen Link zu Mastodon gibt. Stattdessen gibt es ganz viele dezentrale Instanzen. Jede Person kann sich die Instanz aussuchen, die für sie am besten passt. Zugleich sind die unterschiedlichen Instanzen miteinander verbunden. Es handelt sich somit um ein großes, dezentrales Netzwerk.

Durch die Offenheit und die Dezentralität gibt es im Fediverse nicht das von anderen Plattformen bekannte Geschäftsmodell, das auf der Nutzung und dem Verkauf von Daten und auf Werbung beruht. Stattdessen überlegt jede Instanz für sich, wie sie sich am besten finanzieren kann. Das kann über Crowdfunding passieren, über öffentliche Gelder oder Spenden oder auch durch einen festgelegten ‚Nutzungsbeitrag‘. So viel Geld ist oft gar nicht nötig, weil es ja nicht um Gewinnerzielung, sondern lediglich um nachhaltigen Erhalt geht. Auf diese Weise kann ein Online-Raum entstehen, der besser funktioniert als der proprietäre Online-Raum: Denn während Plattformen wie Twitter, wie ein tendenziell süchtig machendes Spiel gestaltet sein müssen (Reichweite über Likes und Retweets generieren, Reichweite über neue Follower aufbauen …), damit Menschen immer wieder auf die Platform kommen und dort auch möglichst lange Zeit verbringen, ist all das im Fediverse nicht nötig: Es geht einfach ’nur‘ darum, einen guten Raum für alle zu gestalten, in dem Vernetzung und Austausch stattfinden kann.

Für mich ist vor diesem Hintergrund offensichtlich: Wenn ich mir objektiv und erst einmal überwiegend theoretisch anschaue, wie das Fediverse im Vergleich zu Plattformen wie Twitter funktioniert, dann komme ich sehr eindeutig zum Schluss, dass das Fediverse-Modell das deutlich bessere Modell ist. Bis vor kurzem war ich dennoch überwiegend auf Twitter. Warum? Wie wahrscheinlich auch viele andere twitternde Menschen dachte ich, dass das Fediverse zwar eine gute Idee sei, bei der aber eben leider viel zu wenig Menschen mitmachen und ich dort deshalb nicht den Austausch und die Vernetzung finden könne, die ich suche. Ist das aber wirklich so?

2. Warum ist das Fediverse eine großartige und bereichernde Sache?

Ich bin erst seit Ostern im Fediverse aktiv und kann deshalb nur erste Eindrücke teilen. Diese sind aber durchweg positiv und zeigen mir: Ich lag mit meiner Einschätzung falsch. Das Fediverse ist weder zu klein, noch zu sehr Nische. Man kann dort wunderbare und bereichernde Vernetzung finden – und konnte das anscheinend auch schon bevor Elon Musk Twitter kaufen wollte.

Mich haben vor allem drei Punkte überzeugt:

  1. Die Diskussionskultur ist im Fediverse eine andere: Sie ist zuhörender, solidarischer, interessierter und konstruktiver. Das ist nicht deshalb so, weil das Fediverse ein glitzerndes Einhornland mit lauter engelhaften Wesen ist – sondern weil die Funktionsweise und der Rahmen des Netzwerks wie oben erklärt ein anderes ist. Das bedeutet: Natürlich gibt es auch im Fediverse idiotische Menschen und Streit – aber die Mechanismen im Fediverse sorgen dafür, dass Empörung nicht die Oberhand erhält gegenüber gelingender Kommunikation – und dass Streit von niemandem als Mittel zur Reichweiten-Optimierung missbraucht werden kann.
  2. Im Fediverse gibt es eine gemeinsame Verantwortung für den Online-Raum. Mich erinnert das Fediverse vor diesem Hintergrund sehr an die Kultur, die ich zum Beispiel von Barcamps kenne: Menschen helfen sich gegenseitig und jede Person bringt sich nach ihren Möglichkeiten ein. Es wäre widersinnig, mich bei einem Barcamp darüber zu beschweren, dass das Programm zu langweilig ist. Ich habe es schließĺich selbst in der Hand, es besser zu gestalten… Auch im Fediverse sind alle gemeinsam verantwortlich: zunächst einmal für ihre eigene Timeline, dann aber auch für ihre ‚Heimat-Instanz‘ und im größeren Rahmen auch insgesamt bei der Weiterentwickung der Software. Und genau wie ich bei einem Barcamp nicht Expert*in für irgendetwas sein muss, um mich zu beteiligen, muss ich im Fediverse dazu auch nicht unbedingt programmieren können. Ich kann vielmehr auf viele unterschiedliche Art und Weise dabei mithelfen, den gemeinsamen Online-Raum zu gestalten: Neulinge unterstützen, interessante Dinge teilen, Verbesserungsvorschläge unterbreiten, Fehler melden … (Vor diesem Hintergrund stößt es aus Perspektive des Fediverse auf sehr viel Unverständnis, wenn auf Twitter Diskussionen stattfinden, was Mastodon doch für ein Mist sei, wenn nicht mal der Versand einer Bestätigungsmail nach der Registrierung richtig klappt. Dort würde man mit solchen oder anderen Schwierigkeiten eher so umgehen, dass man erst einmal selbst recherchiert, woran das liegen könnte – und dann versucht zu helfen, dass das Problem gelöst werden kann.)
  3. Das Fediverse erlebe ich als deutlich perspektivenreicher als beispielsweise Twitter: Ich erkläre mir das dadurch, dass der Twitter-Algorithmus meine Filterblase sehr eng gestaltet. Wenn mir ein Tweet mit einer anderen Perspektive in die Timeline rutscht, dann meistens nur deshalb, weil sich Menschen aus ‚meiner Blase‘ darüber empören. Im Fediverse bin ich selbst für die Gestaltung meiner Timeline verantwortlich. Wie bei Twitter folge ich hier erst einmal anderen Accounts und auch Hashtags (d.h. wenn ich möchte, finde ich meine ‚Blase‘ dort auch), dann aber auch den Beiträgen meiner Instanz und ich schaue mich auch in der ‚föderierten‘ Timeline um. Hier erhalte ich alle Beiträge chronologisch – und eben nicht nur das, was der Algorithmus denkt, was für mich spannend ist bzw. das, womit ich den Algorithmus gefüttert habe, weil ich ja gar keine anderen Tweets sah … Auf diese Weise passiert es viel häufiger, dass ich auf für mich neue und andere Perspektiven stoße. Ich habe in den letzten Wochen auf diese Weise im Fediverse viel mehr zum Nachdenken und auch an konkreten Inspirationen gefunden, als in der gleichen Zeit auf Twitter.

Hinzu kommt: Mastodon ist zwar auf den ersten Blick Twitter in der Gestaltung sehr ähnlich, so dass der Start für twitternde Menschen ganz bestimmt keine zu große Hürde darstellen wird. Zugleich kann man in der Software aber sehr viel entdecken, wenn man sich darauf einlässt: Es gibt beispielsweise die Möglichkeit, Beiträge mit einer ‚Inhaltswarnung‘ zu versehen, so dass andere sie nur beim Aufklappen sehen, es gibt ein fein differenziertes System, die Sichtbarkeit der eigenen Beiträge einzustellen, ich kann mein Profil selbst verifizieren und als Profilbild kann ein Gif eingestellt werden 😀. Das sind nur einige wenige meiner Entdeckungen der letzten Tage. Dieses Ausprobieren und neu Entdecken macht sehr viel Spaß – vor allem, weil man dabei immer wieder auf eine wunderbar nerdige Kultur stößt. Und Du musst Dich selbst nicht Nerd*in bezeichnen, um diese Kultur zu mögen und daran teilhaben zu können.

3. Wie kann ich das Fediverse für mich greifbar und zweckmäßig machen?

Wenn Kopf und Herz jetzt überzeugt sind, dann fehlt immer noch die Hand. Ich kann mir vorstellen, dass Du immer noch sehr viele ABERS hast.

Aber 1: Das ist mir alles viel zu unsicher!

Ganz viele Fragen, die ich zu Mastodon gelesen habe, drehten sich um Sorgen bezüglich der Stabilität: Was ist, wenn die von mir ausgewählte Instanz schließt? Was ist, wenn ich einfach so geblockt werde? Was ist, wenn die Software einen Fehler hat? Mit dem oben Geschriebenen zur kollektiven Verantwortung sollten diese Sorgen verflogen sein, denn der Knackpunkt am Fediverse ist ja gerade, dass da niemand einfach so über Dich hinweg entscheidet, sondern Du Teil davon bist und mitgestaltest. Das bedeutet: Du entscheidest Dich für eine Instanz (oder für den Umzug zu einer anderen), der Du vertraust. Du diskutierst dort die Regeln mit. Du passt mit auf, dass sie eingehalten werden. Und Du kannst auch mit reflektieren, wie es bei der Software Mastodon weitergeht.

Aber 2: Das ist viel zu wenig intuitiv!

Um Mastodon gut nutzen zu können, sollte man die oben dargestellte Grundidee der Dezentralität verstanden haben. Dann ist die Nutzung wahrlich kein Hexenwerk. Ich habe dazu im vorherigen Blogbeitrag einiges geschrieben. Die Kurzfassung lautet: Wähle Dir eine Instanz via instances.social aus, registriere Dich, melde Dich an, fülle Dein Profil aus und schreibe einen ersten Beitrag mit dem Hashtag #NeuHier. Schon bist Du ‚drin‘!

Um allen Teilhabe im Fediverse zu ermöglichen, wird sicherlich noch mehr Erklärung erforderlich sein. Ich erinnere aber daran, wieviele Kurse, Webinare, Erklärvideos … von mir und vielen anderen in den letzten Jahren im Bilungsbereich produziert wurden, um Kolleg*innen ins #Twitterlehrerzimmer einzuladen. Auch hier brauchte der Prozess Zeit und Geduld. Das wird beim Fediverse und bei Mastodon nicht anders sein.

Innerhalb des Fediverse habe ich den Eindruck, dass alles sehr inklusiv, freundlich und hilfsbereit ist: Es wird sehr viel erklärt, Bildbeschreibungen sind fast immer vorhanden, wer nach Hilfe fragt, bekommt sie … Für neue Kolleg*innen, die bisher weder bei Twitter noch im Fediverse registristriert sind, finde ich deshalb allein schon aus diesem Grund eine Empfehlung fürs Fediverse besser.

Aber 3: Das wird sich ohnehin nicht durchsetzen. Es gab doch schon so viele Wechselwellen!

Das Fediverse ist nicht erst mit Elon Musks angekündigtem Twitter-Kauf entstanden, sondern besteht seit vielen Jahren – und das unabhäbhängig von all den Wechselwellen, die immer mal wieder drüberschwappen. Das Fediverse muss sich also nicht mehr ‚durchsetzen‘. Es ist da, Du kannst daran teilhaben und wirst dort wunderbare Vernetzung finden. Wenn Du noch einige Menschen, die Dir persönlich auf Twitter ganz wichtig sind, ebenfalls überzeugst, dann ist es umso besser. Sehr viele sind in den letzten Tagen dort aber auch schon ohnehin angekommen.

Eine andere Frage ist, ob sich das Fediverse gesamtgesellschaftlich durchsetzen wird, d.h. ob es mittelfristig gelingen wird, das Netz zu demokratisieren. Darüber kann man ganz bestimmt lange und trefflich streiten. Ich will hier keine Prognose wagen, halte das für Deine individuelle Entscheidung aber auch erst einmal für unerheblich. Ich finde es vergleichbar wie das Fahrrad zu nutzen, statt das Auto oder im Bioladen einzukaufen statt im Discounter. Du veränderst damit nicht gleich die ganze Welt, aber Dir geht es damit in der Regel besser und Du hast zumindest einen kleinen Teil dazu beigetragen, dass sich alles zum Guten wendet :-)

Aber 4: Ich will Twitter nicht aufgeben (und war da schließlich auch schon vor Elon Musk)!

Diesen Einwand kann ich sehr gut nachvollziehen. Twitter war bei mir in den letzten Jahren neben meiner Website mein Online-Zuhause: Hier kannte ich viele, war vernetzt und habe Zuspruch für meine Arbeit erhalten. Ich will das jetzt auch gar nicht alles schlechtreden. Ich habe Twitter viel und auch gerne genutzt – sogar als ‚Kommentar‘-Umgebung für meine Website.. Mit dem Kennenlernen der Alternative merke ich jetzt aber, dass vieles nicht wegen Twitter, sondern trotz Twitter möglich war.

Wichtig für meine Entscheidung zur zukünftigen Social Media Nutzung war, dass meine Twitternutzung für mich auch eine ‚geschäftliche‘ Frage ist: Ich habe mir über Twitter eine ganz ordentliche Reichweite aufgebaut, über die ich gefunden werde und über die Anfragen bei mir eingehen. Außerdem werden viele Menschen diesem Appell sicherlich auch nicht folgen, d.h. ich werde sie nur via Twitter erreichen. Ganz deaktivieren fände ich für mich deshalb den falschen Weg. Nichts hinderte mich aber daran, die Twitter-Benachrichtungen im Smartphone auszustellen, die App auf dem Startbildschirm durch Mastodon zu ersetzen und meine überwiegende Kommunikation und mein ‚Zuhause‘ ins Fediverse zu verlagern.

Somit habe ich für mich diesen Weg gefunden: Wenn ich etwas teilen oder fragen will, dann schreibe ich es zunächst ins Fediverse – und da auch oft mehr und häufiger. Und auch wenn ich mich austauschen oder einfach eine gute Zeit haben will, dann gehe ich ins Fediverse. Auf Twitter kann ich immer mal wieder vorbeikommen, aber weniger emotional dabei sein. (Auf diese Weise habe ich bisher z.B. Linkedin parallel zu Twitter verwendet, was nie problematisch war.) Ich habe mir keinen Crossposter eingerichtet. Ganz einfach, weil ich im Fediverse anders (und auch länger) schreibe, als auf Twitter. Noch offen ist für mich, wie es bei größeren Konferenzen sein wird, wo bisher die überwiegende Kommunikation über Twitter lief. Ich bin gespannt, ob sich das bereits verändert hat bzw. verändern wird.

Wie Dein Weg sein kann und soll, kannst nur Du für Dich entscheiden: Ich habe von einigen erfahren, dass sie ihren Twitter-Account ganz deaktiviert haben oder das planen. Andere versuchen eine wie auch immer geartete Mischung. In jedem Fall empfehle ich aber, sich – wenn man das Fediverse kennen lernen will – darauf wirklich einzulassen – und nicht nur zu lurken und auf Twitter dazu zu kommentieren :-)

Aber 5: Dazu habe ich nicht auch noch Zeit!

Ich habe mein Social Media Nutzungs-Verhalten beobachtet. Dabei habe ich festgestellt, dass mit einer hauptsächlichen Twitter-Nutzung sehr viel überflüssige Zeit verloren ging. Wie oft habe ich – wider besseren Wissens und auch oft, ohne es mir selbst bewusst einzugestehen – irgendeinen Empörungs-Hashtag angeklickt und mich dort dann doch verfangen. Wie oft war ich doch verleitet, mein Smartphone in die Hand zu nehmen und Befriedigung aus Likes und Retweets zu erhalten? All die Zeit lässt sich wunderbar einsparen, wenn Twitter nicht mehr mein primäres, soziales Netzwerk ist, wo ich auch emotional beteiligt bin. Mindestens das ist Zeit, die ich fürs Fediverse gewinne.

Zugebenermaßen: Sich erst einmal neu im Fediverse einzufinden, kostet mehr Zeit, als ich normalerweise auf Twitter war. Dafür macht es aber auch sehr viel Freude!

Das war mein Appell an Dich. Ich zähle hier niemanden direkt auf, aber wenn Du ein neugieriger, offener und lernender Mensch bist, dann fühlst Du Dich hoffentlich angesprochen – und ich würde mich sehr freuen, Dich im Fediverse zu treffen.. Du kannst mich gerne anschreiben, wenn Du Fragen hast oder Unterstützung benötigst. Und wenn Du mich direkt im Fediverse suchst, findest Du mich hier.

Eine Kinderzeichnung mit einem elefantenähnlichen Wesen
Das Bild zu diesem Beitrag hat meine Tochter gemalt :-)

(PS. An die #OER Community. Die Mastodon- und Tröt-Wortspiele im Fediverse stellen alle wOERdspiele in den Schatten 🙂)


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