Kuratierung als Bildungsherausforderung

Im Wortstamm von ‚Kuratierung‘ steckt das lateinische Verb ‚curare‘, was übersetzt soviel bedeutet wie für etwas sorgen oder sich um etwas kümmern. Die kuratierende Person im Museum kümmert sich zum Beispiel um den Erhalt und Ausbau der Sammlungen und gestaltet auch Sonderausstellungen zu einem bestimmten Thema.

Relevant auch im Alltag wurde Kuratierung in den letzten Jahren vor dem Hintergrund der praktisch grenzenlosen Verfügbarkeit von Informationen im Internet. Wieso Kuratierung hier wichtig ist, hat jeder schon mal erlebt, der Informationen zu einem bestimmten Thema recherchiert oder erfragt hat. Auf die Frage ‚Wie backt man einen Apfelkuchen‘ ist eine Google-Ergebnis-Liste mit mehreren Tausend Treffern deutlich weniger hilfreich, als eine kommentierte und bewertete Zusammenstellung von 5 ausgewählten Rezepten. Dieses Beispiel zeigt auch schon, dass in das Web 2.0 zahlreiche kollektive Kuratierungsmöglichkeiten eingebaut sind, an denen man sich beteiligen bzw. die man nutzen kann. Beispiele sind Bewertungen oder Kommentare auf Webseiten oder Aktivitäten in sozialen Netzwerken, z.B. bei Twitter einen bestimmten Inhalt mit einem Hashtag posten. Und natürlich liefert auch eine Internet-Suche – wenn wir eine datensammelnde Suchmaschine wie Google verwenden – nicht ungefilterte Ergebnisse, sondern passende Ergebnisse zu unserem bisherigen Browserverlauf und unseren Aktivitäten.

Herausforderung für Lehrende und Lernende

Im folgenden soll es darum gehen, wie Kuratierung im Bildungskontext explizit als Herausforderung aufgegriffen werden kann. Sie lässt sich dann definieren als systematische Sammlung, Aufbereitung und Kontextualisierung von nicht selbst erstellten Inhalten. Dies kann sowohl eine Herausforderung für Lehrende sein, als auch für Lernende.

  • Lehrende können Unterrichtsmaterialien zu einem bestimmten Thema zusammenstellen und für sich nutzen oder Kolleginnen und Kollegen zur Verfügung stellen. Außerdem können sie diese Zusammenstellungen auch an Schülerinnen und Schüler weitergeben z.B. im Kontext von Flipped Classroom Modellen oder im Rahmen von selbstorganisiertem Lernen.
  • Lernende können Kuratierungen als eine Aufgabe gestellt bekommen oder für sich selbst als Lernstrategie nutzen. Zum Beispiel, indem sie am Ende einer behandelten Unterrichtseinheit eine kuratierte Übersicht mit relevanten Materialien zu diesem Thema gestalten und präsentieren.

‘Schritt für Schritt’-Anleitung

Zu einer erfolgreichen Kuratierung im Bildungskontext sind mehrere Schritte erforderlich:

  1. Im ersten Schritt geht es darum**, Informationen zu recherchieren und zusammenzutragen**. Möglich ist hierzu die Nutzung einer Internet-Suchmaschine. Alternativ kann man auch direkt eine bestimmten Sammlung aufrufen und diese durchsuchen.
  2. Anschließend folgt eine Bewertung und damit verbundene Löschung nicht relevanter Inhalte. Die Grundregel beim Kuratieren ist nicht ‚Je mehr, desto besser!‘, sondern ‚Je passender, desto besser‘ oder sogar ‚Je weniger, desto besser‘. Was man mit wenigen Inhalten präsentieren kann, muss nicht mit weiteren Inhalten aufgefüllt werden, die inhaltlich keine zusätzlichen Informationen mehr liefern.
  3. Im dritten Schritt folgt eine Sortierung. Zusammengehörende Inhalte werden zusammengefasst. Bei sehr komplexen Themen kann es hilfreich sein, die recherchierten Inhalte aufzusplitten und mehrere, kleinere Sammlungen anzubieten.
  4. Dem Schritt der Sortierung schließt sich direkt die Präsentation an. Hier geht es darum, die Inhalte in eine übersichtliche Zusammenstellung zu bringen, die nicht erschlägt und in der sich die Nutzenden leicht zurecht finden. Das ist nicht nur eine Frage des Layouts, sondern vor allem eine Frage der Kontextualisierung. Anstatt gefundene Inhalte einfach aneinander zu reihen, helfen kurze einleitende Texte, die den Inhalt zusammenfassen und die Nutzung erläutern. Optisch ist es empfehlenswert Links nicht als URL auszuschreiben, sondern als verlinkten und erläuternden Text aufzunehmen.
  5. Der letzte Schritt ist das Teilen der Inhalte: entweder eine Weitergabe im Klassenzimmer, eine Präsentation für Mitschülerinnen und Mitschüler oder eine öffentliche Bereitstellung der Sammlung für alle Interessierten.

Diese Schritte habe ich als Anleitung in einem GoogleDoc beschrieben, von dem Du Dir hier eine Kopie machen und es entsprechend für Deine Bedürfnisse anpassen kannst.

Welche Tools sind zum Kuratieren geeignet?

Grundsätzlich braucht es zur Kuratierung kein spezielles Tool. Es kann auch ein einfaches Text-Dokument bzw. in der Online-Version ein Pad genutzt werden. Hilfreich ist z.B. das ZUMPad, UnserPad oder – mit etwas mehr Formatierungs- und Präsentationsmöglichkeit – das auf Markdown basierende Pad HackMD.

Ansonsten kann man auch auf eine Vielzahl von spezifischen Online-Kuratierungs-Tools zurückgreifen, die für die Gestaltung und Verbreitung von Sammlungen genutzt werden können. Bei den meisten handelt es sich um Freemium-Modelle, d.h. in der Basis-Version sind sie kostenfrei nutzbar.

Ich habe gute Erfahrungen mit den folgenden Anbietern gemacht:

  • Webjets: Ein neues und recht vielversprechendes Tool. Das besondere ist hier die Möglichkeit, Inhalte zu logischen Strukturen zusammenzufügen, z.B. zu einer Mindmap, einer Tabelle, einer Liste. Es können Karten mit unterschiedlichen Inhaltstypen angelegt werden. Einen guten Einstieg bietet das Tutorial des Anbieters.
  • Wakelet: Ähnlich wie Webjets, aber weniger komplex. Im ersten Schritt wird eine Ansicht ausgewählt, z.B. Darstellung als Raster. Dann werden die Inhalte eingefügt.
  • Revue: eigentlich ein Newsletterversand-Dienstleister, der als solcher aber eine gute Vorlage liefert für kuratierte Sammlungen: ein kurzes Intro zu Beginn, anschließend alle gewünschten Themen mit jeweils integrierten Links, eingebetetteten Videos, Tweets oder Bildern. Bei bis zu 50 Abonnenten ist das Tool kostenfrei. In der Regel reicht es, wenn nur die erstellende Person sich einträgt. Sobald ein Newsletter versandt ist, steht er auch als Seite im Netz und kann als solche präsentiert und geteilt werden.

Für eine ganz schnelle Kuratierung (die dann später auch nicht mehr bearbeitet werden kann) eignet sich Telegra.ph. Hier kann man sich ohne Anmeldung oder Registrierung eine einfache Website erstellen. Möglich sind Texte, Bilder, Links und eingebettete Videos.

Wer eine Open Source Software zur eigenen Installation sucht, der kann sich Nunux Keeper ansehen. (Danke an Monika Schlatter für den Hinweis!)

Kuratierung und OER

Kuratierung ist auch ein Thema für freie Bildungsmaterialien. Insbesondere wird Kuratierung hier als eine Möglichkeit der Qualitätssicherung gesehen, weil frei weiter nutzbare Bildungsmaterialien bewertet und in den Lehrplan eingeordnet werden. Wie so etwas praktisch aussehen kann, bietet die OER-Sammlung der EDULABS. Hier werden empfehlenswerte OER zu den KMK-Kompetenzen ‚Bildung in der digitalen Welt‘ recherchiert und zugeordnet.

Direkt im Unterricht bieten Kuratierungsprojekte die Möglichkeit, Schülerinnen und Schüler einzuführen in das Thema offene Lizenzen. Es kann gezeigt werden, wo und wie man offen lizenzierte Inhalte finden kann und wie man diese dann weiter nutzen kann. Das ist – neben der Option zum eigenen Erstellen von OER – eine gute Möglichkeit, um Schülerinnen und Schülern eine aktive Rolle bei der Nutzung von freien Bildungsmaterialien zu geben.


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