KI in der Zusammenarbeit mitdenken: Ich weiß, dass du weißt, dass ich KI nutze …

Wenn wir über KI und Zusammenarbeit reflektieren, dann geht es oft um die Frage, wie Menschen und Maschinen gut zusammenarbeiten können. In diesem Blogbeitrag möchte ich noch eine weitere Ebene betrachten. Meine Frage lautet: Wie verändert sich die menschliche Zusammenarbeit, wenn auch Maschinen im Spiel sind?

Meine Beobachtungen

Ich gehe in diesem Beitrag nicht wissenschaftlich vor, sondern nutze überwiegend meine persönlichen Erfahrungen und Beobachtungen der letzten beiden Jahre, um mich dem Thema anzunähern. Geprägt ist meine Darstellung vom Grundsatz der Pre-Empathie, wie er von Jöran im Buch ‚Digitale Zusammenarbeit 4.0‘ skizziert wird.

Meine Ausgangsthese ist, dass menschliche Zusammenarbeit besser gelingt, wenn KI dabei von allen Seiten mitgedacht wird. In einem sehr simplifizierten Sender-Empfänger-Modell sollte ich als Senderin somit erstens davon ausgehen, dass meine Empfängerin potentiell KI nutzt. Zweitens sollte ich annehmen, dass meine Empfängerin zugleich davon ausgeht, dass auch ich potentiell KI nutze. Meine kommunikative Handlung sollte ich dann daran ausrichten. Auf dieser Basis können dann Missverständnisse und Irritationen in der Kommunikation, wie ich sie im Folgenden zunächst beschreibe, ausgeräumt oder zumindest minimiert werden. Wie das praktisch funktionieren kann, möchte ich abschließend an fünf Grundsätzen deutlich machen.

Neben der Frage, wie man in menschlicher Zusammenarbeit KI-Nutzung im Blick haben kann, wäre es mindestens ebenso interessant zu untersuchen, wie sich menschliche Zusammenarbeit verändert, dadurch dass es KI gibt, auch wenn diese vielleicht in einer einzelnen Zusammenarbeit gar keine Rolle spielt. Zum Beispiel weil sich Effizienzerwartungen in der Zusammenarbeit oder die Inhalte der Zusammenarbeit verändern. Das ist aber nicht Gegenstand dieses Beitrags.

Missverständnisse und Irritationen in der Kommunikation

Um zu beschreiben, welche Missverständnisse und Irritationen in der Zusammenarbeit im Kontext von KI auftreten können, bleibe ich zunächst bei dem simplifizierten Sender-Empfänger-Modell der Kommunikation, das ich bereits oben genutzt habe – und gehe dieses Mal von mir als Empfängerin aus. In dieser Rolle kann ich mich, wenn Kommunikation und in der Folge Zusammenarbeit schief geht, verletzt, veralbert oder betrogen fühlen.

  • Verletzt: In der Ausgabe 1/25 der Zeitschrift managerSeminare führt der Psychologe Niels van Quaquebeke aus, dass Menschen E-Mails, die ein KI-Sprachmodell formuliert hat, als empathischer empfinden, als wenn ein Mensch sie schreibt. Die Studie dazu fand in der beruflichen Kommunikation statt, wo mir dieses Ergebnis durchaus plausibel erscheint. Interessant war dann aber vor allem ein zweites Ergebnis der Studie: Demnach empfinden Menschen die ansonsten als empathischer bewertete Mail als deutlich negativer, wenn sie wissen, dass sie von einer Maschine geschrieben wurde. Auch wenn dieses Ergebnis vielleicht erst einmal absurd erscheint, weil der Inhalt ja der gleiche ist, ist es aus meiner Sicht doch gut nachvollziehbar: Menschen wünschen sich Aufmerksamkeit. Aufmerksamkeit hat viel damit zu tun, dass andere sich in ihrer Zeit mit uns beschäftigen. Außerdem ist Authentizität wichtig. Wenn es sich deshalb für einen so anfühlt, als hätte man doch keine Aufmerksamkeit erhalten, obwohl man zunächst davon ausging, ist man verletzt.
  • Veralbert: Die Ebene der Verletzung kann ich für mich nicht reproduzieren, weil ich bis jetzt immer den Eindruck hatte, gut erkennen zu können, wenn ich mich in einer KI-generierten Kommunikation befand (und dort, wo ich es vielleicht nicht erkannt habe und es dann ja auch nicht aufgelöst wurde, gab es keinen Raum für Verletzung). Wenn ich es erkannte oder vermutete, ohne dass es transparent gemacht war, war mein vorherrschendes Gefühl das der Veralberung. Denn insbesondere KI-generierte Mails bei Anfragen sind oft super übertrieben formuliert. Zum Beispiel: „Deine umfassende und einzigartige Expertise wird dieses Lernangebot zu einem unvergesslichen Erlebnis für die Teilnehmenden machen“. Bei inhaltlichen Ausarbeitungen merke ich oft beim zweiten Lesen, dass das Ganze substanziell ziemlich dünn ist. Das ist dann ärgerlich, weil ich mir dann natürlich die Frage stelle, wozu ich meine Zeit für solch einen stochastisch zusammengewürfelten Quatsch verschwende. Auch dann fühle ich mich also veralbert bzw. nicht ernst genommen.
  • Betrogen: Zum Gefühl des Betrogenseins kann es kommen, wenn Menschen Inhalte teilen und diese als ihre ausgeben, ohne die KI-Nutzung transparent zu machen. Damit kann der Anschein erweckt werden, als hätten sie zum Beispiel einen Lerninhalt erstellt, ganz schnell ein Protokoll geschrieben, etwas gebloggt oder die Übersicht zu einem Projekt erstellt. Tatsächlich haben sie aber wahrscheinlich nur einen schlauen Prompt eingegeben und waren in 5 Minuten fertig! Hinter diesem ‚Betrogen-Sein‘-Gefühl steht das vorherrschende Denkmuster, dass es gut ist, fleißig zu sein, am Rechner zu sitzen und etwas zu erarbeiten. Es ist hilfreich, dieses Denkmuster infrage zu stellen, denn in einer KI-geprägten Welt kann ‚Arbeit‘ vielleicht zukünftig auch ganz anders aussehen und definiert werden. Angesichts von fremdbestimmter Arbeit, Machtungleichheit und unterschiedlich gutem Zugang zu KI wird uns die Irritation des Betrogenfühlens aber wohl noch eine Weile beschäftigen.

In der menschlichen Zusammenarbeit kann im Kontext von KI also einiges schiefgehen. Zugleich deutet sich bei der Darstellung der Missverständnisse und Irritationen bereits an, dass es auch anders gehen könnte.

Fünf Grundsätze für Zusammenarbeit, die KI-Nutzung mitdenkt

Im folgenden schlage ich fünf Grundsätze vor, um KI in der Zusammenarbeit mitzudenken und auf diese Weise gelingender zu gestalten. Sie sind auf der Mikroebene der direkten Zusammenarbeit angesiedelt.

1. Transparenz

Der wichtigste Punkt scheint für mich Transparenz über KI-Nutzung zu sein. Wenn ich etwas gestalte und mit anderen teile, dann finde ich es wichtig, transparent zu machen, wenn bei dieser Gestaltung ein KI-Modell einen großen Part übernommen hat. Hier sind ein paar Beispiele aus meiner Kommunikation, wie das aussehen kann:

  • „Hier ist ein Vorschlag für die Ausschreibung der Veranstaltung. Ich habe sie mithilfe von ChatGPT erstellt.“
  • „Diese Thesen könnten wir vielleicht als inhaltliche Grundlage für unser Lernangebot nehmen. Die Thesen sind von Gemini auf Basis von diesem Text (Link zum Original) generiert; ich habe nach ‚zusammenfassenden Thesen‘ gefragt.“
  • „Ich habe mir den Text mit DeepL übersetzen lassen. Diese Version nehme ich dann ab jetzt als Grundlage.“

In all diesen Fällen hat eine Maschine einen wesentlichen Teil einer inhaltlichen Erstellung übernommen, weshalb mir eine Auszeichnung sinnvoll erscheint. Auf diese Weise wird eine mögliche Irritation antizipiert und ihr durch die Transparenz entgegen gewirkt.

Es lässt sich einwenden, dass KI-Nutzung zur neuen Normalität gehört und nicht immer ausgezeichnet werden muss – ähnlich wie bei einer Rechtschreibkorrektur. Dennoch sehe ich einen Unterschied: KI-generierte Inhalte basieren auf einer umfangreichen Datenbasis, die von anderen Menschen stammt. Deshalb halte ich es für fair, diese Quellen durch Transparenz zu würdigen, ähnlich wie bei der Praxis des „Credit-Gebens“ in der Arbeit mit Open Educational Resources (OER). Auch wenn es Graubereiche gibt, sollte ein solcher Hinweis immer erfolgen, wenn ein Inhalt nicht direkt von mir stammt, sondern bei KI-Nutzung von einer Maschine basierend auf den von Menschen generierten Inhalten.

2. Erweiterung

Anstelle nur transparent über die KI-Nutzung zu sein, kann ich einen KI-generierten Inhalt zusätzlich mit meinen Anmerkungen versehe oder relevante Passagen davon auswähle. Das ist der Grundsatz der Erweiterung.

Diese Form der Ergänzung zu etwas, was maschinell oder standardisiert erstellt wurde, ähnelt der persönlichen Note, die viele Kolleg*innen zum Beispiel handschriftlich auf die von ihrer Organisation gedruckten Weihnachts- und Jahresabschlusskarten ergänzen. An genau dieser Praxis können wir uns auch bei KI-generierten Inhalten in der Zusammenarbeit orientieren.

Hier sind wiederum ein paar Beispiele aus meiner Kommunikation, wie das aussehen kann:

  • „ChatGPT hat diese 10 Titelvorschläge für unsere Veranstaltung gemacht. Ich finde Nummer 3 am besten, weil hier am deutlichsten wird, was wir vorhaben.“
  • „Diese Geburtstagskarte mit Torte für dich hat Midjourney generiert – ich habe oben drauf das Sahnehäubchen mit Kirsche gekritzelt, weil ich dir auch persönlich ‚Alles Gute‘ wünschen will.“
  • „Hier ist ein ‚Danke‘-Text für deine Mitarbeit in den letzten Monaten: ‚…‘ Gemini hat ihn für mich formuliert. Ich habe gepromptet, dass du in höchsten Tönen gelobt werden sollst. Besser hätte ich es auch nicht hinbekommen. Nimm diese Wertschätzung also bitte unbedingt an!“

Wie die Beispiele zeigen, geht es bei solch einer Erweiterung zum einen um Kuratierung. Zum anderen auch um neue Ausdrucksformen durch hybride Mensch-Maschine Kommunikation.

3. Ausschluss

Die für mich größten Irritationen entstehen zurzeit in der Zusammenarbeit, wenn ich eine Frage stelle oder ein Anliegen habe – und dann kommt von meiner Gesprächsperson zurück: ‚Hier ist, was ChatGPT zu dieser Frage sagt‘. In diesen Fällen denke ich: „Für wie blöd hält mich diese Person eigentlich? Als wäre ich nicht selbst schon auf die Idee gekommen, mir bei einem KI-Sprachmodell Inspirationen zu holen!“ Genauer betrachtet ist diese Einschätzung aber ungerecht. Denn KI ist natürlich noch nicht für alle Normalität und oftmals kann in meiner Frage vielleicht auch nicht direkt erkannt werden, warum ich nicht einfach ein KI-Modell dafür nutze. Früher gab es in solchen Situationen oft die Antwort: ‚Let me google this for you!‘ (Das gibt es sogar immer noch als Website, auf der man einen Link zu der Frage generieren kann).

Wenn ich andere Menschen frage und von ihnen nicht auf KI-Modelle verwiesen werden will, finde ich einen bewusst formulierten Ausschluss einen guten Grundsatz. Hier sind ein paar Beispiele, wie das aussehen kann:

  • „ChatGPT kann ich auch selbst nach Ideen für den Slogan fragen. Ich frage dich, weil du sehr intensiv in dem Projekt drinsteckst.“
  • „Gibt es hier Menschen, die mir noch etwas anderes empfehlen können als die Antworten, die ich bei Perplexity oder einer anderen KI bekomme?“
  • „Ich finde das hier ein sehr wichtiges Thema für uns und fände es gut, wenn wir selbst an die Erarbeitung der Thesen setzen, anstatt uns an einer KI-generierten Antwort abzuarbeiten.“

4. Vorbereitung

Der Grundsatz der Vorbereitung ist ein bisschen das Gegenstück zum Ausschluss. Praktisch sieht ‚Vorbereitung‘ so aus, dass ich auf Basis eines KI-generierten Inhalts, der als solcher eingeführt wird und den ich mir noch nicht zu eigen mache, zur Zusammenarbeit einlade.

Übertragen auf meine Arten der Zusammenarbeit kann das zum Beispiel so aussehen:

  • „Ich habe uns von ChatGPT mal einen ersten Konzeptentwurf für die Veranstaltung generieren lassen. Wollen wir daran gemeinsam weiterarbeiten oder hat jemand eine bessere Grundlage?“
  • „Ich hatte leider nicht die Zeit, eine gute Ausschreibung zu formulieren. Hier ist ein schneller Entwurf von Gemini. Das muss noch angepasst werden aus meiner Sicht. Kannst du aber damit erst einmal weiterarbeiten? Ansonsten verwirf den Entwurf einfach und schreibe es ganz anders.“
  • „Hier sind zehn KI-generierte Titelvorschläge: Wollen wir mal voten, welcher bei uns auf die größte Zustimmung stößt, und dann gemeinsam in diese Richtung weiterüberlegen?“

In der Praxis erlebe ich den Grundsatz der Vorbereitung zurzeit außerdem auf der Plattform LinkedIn. Die Betreiber der Plattform lassen einen Inhalt mit einem KI-Sprachmodell generieren, wobei sie meist ein sehr banales Thema wählen und somit dann einen zunächst sehr allgemeinen Text erhalten (z. B. Produktivitäts-Hacks zum Schreiben von Texten). Dann werden LinkedIn-Nutzende eingeladen, den Text zu erweitern und zu kommentieren.

5. Reflexion

Bei Zusammenarbeit geht es immer auch um Lernen. Vor diesem Hintergrund möchte ich als letzten Grundsatz noch die Reflexion nennen. In diesem Fall geht es um eine bewusste Reflexion der KI-Nutzung in der Zusammenarbeit.

Hier sind ein paar Beispiele, wie das aussehen kann:

  • „Hier ist mein Prompt für das Veranstaltungsbild. Es ist mit Midjourney generiert. Ich finde es überhaupt nicht gelungen, weil es sehr traditionelle Bildung darstellt. Hast du eine Idee, wie wir das besser prompten könnten?“
  • „Was schlägst du denn als Prompt für unser Kurskonzept vor? Ich finde, dass wir die Zielgruppe als ‚digitale Newbies‘ einordnen sollten und unbedingt erwähnen sollten, dass der Kurs sehr partizipativ angelegt sein soll.“
  • „Können wir diese Ausschreibung mithilfe von KI irgendwie verbessern? Ich finde, dass das noch sehr wenig ansprechend formuliert ist. Vielleicht lassen wir es niederschwelliger umformulieren?“

Wie die Beispiele zeigen, reflektiert man in diesen Fällen über die KI-Nutzung. Insbesondere die kollaborative Formulierung eines Prompts kann hier aus meiner Sicht eine gute Möglichkeit sein, um sich in einem Team Klarheit darüber zu verschaffen, was man in einem Projekt oder einer Veranstaltung überhaupt erreichen will.

Fazit und Einladung

Das war ein Überblick von mir mit Stand Anfang 2025, wie sich KI in der Zusammenarbeit mit anderen mitdenken und so gelingend gestalten lässt. Ich bin neugierig darauf, welche Erfahrungen du machst.

Wer das Thema Kollaboration im Kontext von KI vertiefen möchte, ist am 11. Februar herzlich zu einem interaktiven Online-Impuls des virtuellen Campus Rheinland-Pfalz eingeladen, wo es neben dem Thema dieses Blogbeitrags auch um Zusammenarbeit mit KI und ohne KI gehen wird. Hier geht es zur Anmeldung mit weiteren Informationen.


Beitrag merken & teilen

Hier kannst Du dir den Link zum Beitrag kopieren - beispielsweise um ihn für Dich zu speichern oder mit anderen zu teilen. Wenn Du den Link in den Suchschlitz im Fediverse einfügst, kannst Du den Beitrag von dort aus kommentieren. Die Kommentare erscheinen dann nach Freigabe hier auf der Website.

Beitrag weiternutzen

Der Beitrag steht unter der Lizenz CC BY 4.0. Du kannst ihn gerne unter Angabe des Lizenzhinweises offen weiternutzen.

👉 Lust auf mehr?

Monatliche Impulse zu guter Bildung in einer zunehmend digital geprägten Welt erhältst du mit meiner Edumail, die du kostenfrei abonnieren kannst. Bei Interesse an einer Zusammenarbeit freue ich mich über deine Anfrage.