‚Kalte Dusche‘ in der KI-Debatte – ein erster Schritt!

Die Diskussion über KI in der Bildung scheint eine neue Stufe erreicht zu haben: Zwar gibt es immer noch zahlreiche Kolleg*innen, die gerade erst damit beginnen, generative KI zu erkunden. Aber immer mehr Menschen haben inzwischen erste oder sogar vertiefte Erfahrungen gesammelt und fragen sich nun, was sie mit dieser Technologie im Bildungskontext weiter anfangen können. Dabei sehe ich die Gefahr, dass die Integration der Technologie nur additiv erfolgt. Um es mit dem Bild eines Jongleurs zu sagen: KI wird dann einfach zu einem weiteren Ball, den es in der Luft zu halten gilt – zusätzlich zu den vielen anderen Herausforderungen in der Bildung. An den grundlegenden Strukturen ändert sich allerdings nichts. Und Lehren und Lernen wird nicht transformiert passend zu den Anforderungen einer zunehmend komplexen, digitalisierten und vernetzten Gesellschaft. Das ist keine wünschenswerte Perspektive. Stattdessen sollten wir tiefer und grundsätzlicher nachdenken: Wie können wir die Potenziale der Technik nutzen und demokratisieren, gleichzeitig die Schäden verhindern oder zumindest minimieren und die längst überfällige Transformation hin zu einer Bildung erreichen, die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit in einer komplexen Welt entwickelt?

Für diese Herausforderung habe ich das Bild einer ‚kalten Dusche‘ gewählt. Kalte Duschen sind nicht per se angenehm und kosten vielleicht Überwindung. Aber mit der richtigen Motivation und Freude wecken sie uns auf, lassen uns klarer denken und widerstandsfähiger werden. Mit einer solchen ‚kalten Dusche‘ möchte ich gleich bei mir selbst anfangen, denn auch ich habe aus meiner Sicht in der KI-Debatte noch lange nicht tief genug gebohrt.

Meine Idee

Nachdem ich viele Appelle gelesen und einige selbst geäußert habe, dass wir endlich grundlegender und tiefer über KI nachdenken müssen, möchte ich nun konkret werden. Ich begebe mich auf eine Lernreise zu fünf Aspekten der KI, über die ich mehr wissen, mehr können und weiter denken möchte. Dabei muss ich das Rad nicht neu erfinden: Zu jedem Aspekt haben bereits viele kluge Menschen Ideen ausgetauscht und Untersuchungen angestellt. Auch ich fange nicht bei Null an, sondern bringe meine bisherigen Erfahrungen und Vorarbeiten ein. Den Wert meines Projektes sehe ich vor allem in der systematischen Aufbereitung mit der Möglichkeit der Wiederverwendung. Wer also eine kalte Dusche nehmen will, wird dann direkt fündig.

Mit dem vorliegenden Blogbeitrag mache ich den ersten Schritt, indem ich konkreter aufschreibe, um welche Art von vertieftem Denken und in welchen Bereichen es mir geht.

Aspekte der „kalten Dusche

Konkretes Ergebnis meiner ‚kalten Dusche‘-Lernreise sollen fünf ausführliche Beiträge in meinem Blog sein. Darin möchte ich jeweils eine Herausforderung konkreter umreißen und dazu gute Fragen formulieren, Praxisbeispiele kuratieren, eigene Experimente durchführen und Materialien zur Weiternutzung konzipieren. Diese fünf Bereiche habe ich für mich identifiziert:

1. Mehr Nordstern-Reflexion

Bei der Nordstern-Reflexion geht es mir um ein gemeinsames Nachdenken über das Ziel von Bildung in einer zunehmend von KI geprägten Welt. Meine Perspektive ist dabei bisher die gesellschaftliche Handlungsfähigkeit zur Gestaltung eines guten Lebens für alle. Aber genau das muss konkretisiert werden. Ist dieses Ziel angesichts von KI noch gut formuliert bzw. was bedeutet es genau? Und wenn ja: Wie können wir mit/ohne/trotz KI-Technologie einen besseren Umgang mit Komplexität lernen? Was braucht es dazu? (Schon begonnen habe ich damit, dass ich mich mit Selbstlernkompetenz beschäftigt habe, was ich in diesem Zusammenhang als zentral erachte. Darauf kann ich nun weiter aufbauen.)

2. Mehr digitale Mündigkeit

In der KI-Debatte liegt der Fokus bisher (leider) auf der Betrachtung von KI als Werkzeug zum Lehren und Lernen. Ich halte ich es für wichtig, dass wir uns viel stärker als bisher auf KI als Lerngegenstand fokussieren. Dazu gehört das Verständnis der Technologie, um so zu einer verantwortungsvollen Nutzung zu kommen. Außerdem gilt es zu lernen und zu lehren, wie man einen souveräneren Umgang ohne Abhängigkeit von proprietären Anbietern realisieren kann (Stichwort: lokale Installation) und wie wir uns gemeinsam für eine gemeinwohlorientierte KI einsetzen können. (Wahrscheinlich werde ich mit diesem Aspekt beginnen, weil ich gerade sehr viel darüber lerne und diese Themen sehr spannend finde.)

3. Mehr Transformation in der Lernkultur

Trotz vieler Appelle bleibt die Grundstruktur der Bildung meiner Beobachtung nach weiterhin meist lehrerzentriert. Stattdessen sollten wir von den Bedürfnissen, Erfahrungen und Interessen der Lernenden ausgehen, sie in ihren Lernprozessen begleiten und stärken und dabei vor allem ihre Fähigkeit zum Selbstlernen entwickeln. Wie kann KI als Katalysator für einen solchen Wandel wirken? Wie könnte eine entsprechende Lernkultur konkret aussehen und was braucht es dafür? Sehr gerne möchte ich hier auch die individuelle Ebene einbeziehen: Wie sieht verändertes Lesen und schreiben aus bzw. gibt es das tatsächlich?

4. Mehr soziale Praxis und Kollaboration

Menschen unterscheiden sich von KI insbesondere durch ihre körperliche Intelligenz. Empathie und vor allem Resonanz sind grundlegend für funktionierende soziale Praktiken. Wie können diese im Kontext generativer KI neu, anders und vor allem intensiver gestaltet werden? Wie kann menschliche Kollaboration dazu führen, dass Potenziale von generativer KI genutzt werden, weil im Austausch mit anderen Ideen und Anliegen entwickelt werden, die dann auch technologisch unterstützt vorangetrieben werden können?

5. Mehr Shruggie-Haltung

Die Ebene des Lernens über KI ist eine Sache. Das andere ist die Ebene der Reflexion unseres Lernens. Wie gut gelingt es uns, als Lehrende im Kontext von KI immer auch Lernende zu sein? Wie setzen wir mehr ’sowohl als auch‘ statt ‚entweder oder‘ in unserer Lehr- und Lernpraxis um? Wie gehen wir mit einem gestaltenden Blick voran und motivieren andere zum Mitdenken? All das fasse ich als ‚Shruggie‘-Haltung zusammen – angelehnt an das Internet-Shruggie-Zeichen, das genau diese Perspektive verkörpert ¯\_(ツ)_/¯. Die spannende Frage ist, wie wir eine solche Haltung konkret ausfüllen können.

Umsetzung: Flipped Blogbeiträge

Da ich an diesem Projekt länger arbeiten werde als an ’normalen‘ Blogbeiträgen und mir ein systematisches Vorgehen wichtig ist, habe ich mich entschlossen, meine Vorbereitungen transparent zu machen und zum Mitdenken einzuladen. Wer also inhaltliche Ideen, Fragen oder sonstiges Feedback zu dem einen oder anderen Bereich hat, ist herzlich eingeladen, sie in diese Taskcard einzutragen. Ich nutze sie als meine Sammelstelle im Rahmen meiner Lernreise und werde sie in der nächsten Zeit Schritt für Schritt füllen.

Hintergrund

Die Idee zu dieser ‚Kalten Dusche‘ Lernreise kam mir beim heutigen Netzwerktreffen „Wissenschaftliches Arbeiten lehren und lernen“ des Vereins Parwin. Ich habe einen Impulsvortrag gehalten, in dem ich die fünf Aspekte grob skizziert habe. Daher stammen auch die Bilder im Blogbeitrag. In der anschließenden Diskussion und beim Hören der weiteren Impulse habe ich schon viele weitere Anregungen bekommen. So entstand die Idee, diese weiter zu verfolgen und systematisch aufzubereiten.

Und du?

Wenn Du Lust hast, Dich auch auf eine ‚kalte Dusche‘-Lernreise zu begeben, dann mache gerne mit, nutze die Taskcard, teile deine Ideen und berichte von deinem Lernen.

Meine geplante ‚kalte Dusche‘-Lernreise im Überblick


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