kagi: Recherchetool und Prototyp für die Entwicklung einer KI-Lernassistenz

Screenshot von kagi

Vor kurzem habe ich über die Herausforderung von Lesen und Recherchieren im Kontext von KI gebloggt. Daraufhin erhielt ich im Fediverse den Hinweis auf die Suchmaschine kagi. Es würde lohnen, sich diese einmal genauer anzuschauen, auch wenn sie nicht unumstritten sei. Das habe ich getan und teile hier das Ergebnis meiner Erkundungen.

Was ist kagi?

kagi ist eine sehr individuell konfigurierbare und für eine mündige Nutzung ausgelegte Suchmaschine mit integrierter KI-Unterstützung und weiteren Angeboten. Das Tool ist eine mögliche Antwort auf eine wichtige Herausforderung, die im KI-Kontext zunehmend drängender wird: Wie lässt sich die Welt unter Nutzung der zur Verfügung stehenden technologischen Möglichkeiten und den vielfältigen Ressourcen des Internets gut und selbstbestimmt erschließen?

Voranstellen möchte ich den Hinweis, dass es sich bei kagi weder um ein offenes noch kostenfreies Tool handelt. So etwas empfehle ich im eBildungslabor normalerweise nicht. In diesem Fall mache ich eine Ausnahme davon, weil mich die Funktionalität sehr überzeugt hat und weil ich zurzeit keine Perspektive auf eine öffentliche oder Crowd-basierte Finanzierung sehe, mit der es gelingen könnte, dem ‚Mit den eigenen Daten‘-Bezahlmodus und Werbeanzeigen der meisten anderen Suchmaschinen etwas entgegen zu setzen – und trotzdem sehr gute Ergebnisse zu liefern.

Das bedeutet konkret: Wenn du kagi ausprobieren willst, dann musst du dich direkt registrieren. Dir steht dann zunächst ein gewisses Kontingent zum kostenfreien Ausprobieren zur Verfügung. Wenn du kagi dauerhaft einsetzen willst, kostet dich das 5 Dollar im Monat. (Es gibt auch Abonnement-Pläne, die noch teurer sind. Der 5 Dollar Plan scheint mir aber erst einmal auszureichen.)

Kritisch lässt sich außerdem anmerken, dass der Formensitz von kagi in den USA ist und es auf Servern von Google unter Nutzung von Cloudfare läuft. Siehe dazu auch den Datenschutz-Check im Kuketz-Blog.

In der Abwägung ist kagi für mich dennoch sowohl für den eigenen Gebrauch spannend (= es liefert ziemlich gute Ergebnisse und bietet im Kontext von KI, solche Funktionen, die ich sinnvoll finde), als auch als Prototyp für kluge Technologie-Entwicklung in der Bildung (= welche Funktionalitäten sollten KI-Lerntools haben?)

Welche Funktionen hat kagi?

Wie dargestellt ist kagi eine Suchmaschine, die grundsätzlich ganz genau so funktioniert, wie jede andere Suchmaschine auch. Ich gebe also meine Suchbegriffe ein – und erhalte dann passende Treffer aus dem Internet dazu. Sehr hilfreich finde ich an dieser Suche vor allem die folgenden Aspekte:

1. Hilfreicher Suchindex ohne personalisiertes Tracking

Genutzt wird nach Angaben des Unternehmens ein eigener Suchindex in Kombination von Suchindexen von anderen Suchmaschinen (z.B. Google). Weil der eigene Account nicht direkt mit den eingegebenen Begriffen verknüpft wird (durch einen verschlüsselten Token), erfolgt keine personalisierte Speicherung. Die Suchergebnisse fand ich bereits ohne weitere Anpassungen meistens deutlich überzeugender als bei anderen Suchmaschinen, inklusive Google oder anderen Bezahlsuchmaschinen wie Metager. Und schön ist natürlich, dass keine Werbung oder ähnliches ablenkt.

2. Anpassbarkeit und Personalisierung

Ich kann meine Suche sehr vielfältig anpassen.

Erstens gibt es so genannte Bangs, die ich bereits von der Suchmaschine DuckDuckGo kenne. Ein Bang ist ein Ausrufezeichen, gefolgt von einem Kürzel, das ich in meiner Suche ergänze. Wenn ich z.B. „Klimawandel !w“ als Suche eingebe, wird direkt auf der Wikipedia zum Begriff Klimawandel gesucht.

Zweitens gibt es so genannte Linsen („lenses“). Diese haben mich am meisten begeistert. Es sind einfach anklickbare Suchvorgaben, die meine Suche z.B. auf bestimmte Seiten beschränken oder andere Vorgaben machen. Einige dieser Linsen stehen vorkonfiguriert zur Verfügung. Besonders hilfreich ist es aber, eigene Linsen anzulegen. Ich habe zum Beispiel eine Linse angelegt, die direkt nach möglichen Treffern auf meiner eigenen Website sucht oder eine Linse zu OER, in der ich die Suche auf mehrere OER-Repositories begrenze. Zu diesen Linsen kann ich jeweils auch einen Bang entwickeln. So kann ich also jetzt zum Beispiel „Klimawandel !oer“ eingeben – und erhalte dann Treffer zum Begriff Klimawandel aus den von mir festgelegten OER-Repositories.

Drittens kann ich den Suchalgorithmus personalisieren, um mir die am besten für mich passenden Ergebnisse anzeigen zu lassen. Dazu kann ich den Suchalgorithmus für mich kontinuierlich immer besser trainieren. Das funktioniert, indem ich bei Suchergebnissen jeweils gewichten kann, ob ich mehr oder weniger von einer bestimmten Seite sehen will. Es ist auch möglich, eine Website ganz zu sperren.

3. Intelligente KI-Nutzung

Richtig gut finde ich außerdem die Verknüpfung der Suche zu KI-Funktionen. Zum einen kann ich mir Kurzantworten (= ein KI-generiertes Snippet) über meinen Suchergebnissen anzeigen lassen, wenn ich das möchte. Automatisch wird es erstmal nicht angezeigt. Die Anzeige ist sehr simpel, indem ich einfach ein Fragezeichen an den Suchbegriff setze.

Wenn ich vertiefter in ein Thema einsteigen will, kann ich den Assistenz-Bereich nutzen. Hier kann ich mit dem KI-Sprachmodell von kagi interagieren oder (auch innerhalb eines Chats) zwischen unterschiedlichen offenen und proprietären KI-Modellen auswählen. Das ist so ähnlich, wie ich es mir auf meinem KI-Server realisiert habe. Es gibt bei kagi auch die Möglichkeit von Verschlagwortung von Chats, so dass ich mit den Ergebnissen sehr gut weiter arbeiten und mir eine Art vernetzte Wissensbasis aufbauen kann.

Alternativ gibt es auch einen Summarizer, der nach Eingabe einer URL – entweder mit Schlüsselmomenten oder klassisch zusammengekürzt – eine Zusammenfassung des jeweiligen Inhalts liefert. Auch hier fand ich die Qualität ziemlich gut.

Besonders hilfreich finde ich, dass ich diese KI-Funktionen mit meinen Sucheinstellungen verbinden kann. Zum Beispiel kann ich Klimawandel? eingeben und gleichzeitig die Linse ‚OER‘ aktivieren. Dann erhalte ich eine KI-generierte Kurzantwort basierend auf den in dieser Linse eingegebenen Websites und eben nicht irgendeinen zufälligen Quatsch aus dem Internet, der in letzter Zeit ja immer häufiger eine KI-generierte Halluzination ist.

Beispielsuche mit KI-Snippet-Aktivierung und festgelegter Linse ‚OER-Ressourcen‘

Was ist an kagi für die Bildung spannend?

In der Initiative LernAssistenz machen wir uns seit einigen Monaten sehr grundsätzliche Gedanken, wie eine gute KI-Assistenz zum Lernen gestaltet sein müsste. Viele der dort diskutierten Aspekte finde ich nun bei kagi schon in Realität umgesetzt, womit das Tool vielleicht auch ein guter ‚Prototyp‘ für eigene Entwicklungen im Bildungsbereich sein kann. Erwähnenswert finde ich vor allem diese Aspekte:

1. Maschine statt menschenähnlicher Bot

Ich finde es sehr sinnvoll, dass der Ausgangspunkt bei kagi die Suche ist. So wird sehr gut deutlich, dass es um eigene Erschließung der Welt und Lernen geht. Und nicht darum, schnell und automatisiert irgendwelchen Content zu produzieren. Natürlich kann ich mit den zur Verfügung stehenden KI-Tools dann auch bei kagi in menschlicher Sprache mit den zur Verfügung stehenden KI-Tools chatten. Aber auch diese werden mir als Maschinen präsentiert, nicht vermenschlicht als freundliche Roboter oder lustige Tierchen. (Das mag wie eine Nebensächlichkeit erscheinen. Ich finde diesen Aspekt für eine kluge KI-Nutzung aber sehr grundlegend. Denn es sollte unbedingt deutlich werden, dass es hier um Technik und eben nicht um Magie geht und erst recht nicht um einen menschlichen Ersatz.)

2. Transparenz bei der KI-Generierung

Wenn ich die KI-Tools von kagi auf bestimmte Quellen begrenze, dann wird mir direkt angezeigt, zu wieviel Prozent die generierte Antwort auf diesen Quellen basiert. Sehr häufig ist der Wert bei 100%. Wenn er niedriger ist, weiß ich direkt, dass ich vielleicht noch einmal genauer auf die Generierung blicken sollte oder auch, dass meine Eingrenzung für meine Herausforderung nicht so viel an Inhalten hergibt.

Zur Transparenz gehört auch, dass mir nicht nur immer direkt angezeigt wird, mit welchem Modell ich die Antwort generiert habe, sondern zum Beispiel auch, wieviel Tokens dazu benötigt wurden und welchen Kosten das entspricht. Das ermöglicht bewusste Nutzung im Sinne von Nachhaltigkeit.

Screenshot aus der kagi-KI-Assistenz

Transparenz, die bei kagi fehlt, sind Angaben zum genauen Suchindex und das gesamte Tool ist wie beschrieben nicht Open Source, was für den Bildungsbereich aus meiner Sicht unerlässlich wäre.

3. Scaffolding

Wenn du meine obigen Beschreibungen gelesen hast, dann bist du vielleicht zum Schluss gekommen, dass kagi ein reichlich nerdiges Tool ist. Das ist richtig. Es lässt sich sehr viel einrichten und anpassen. Zugleich ist kagi aber auch sehr intuitiv aufgebaut. Ich muss also nicht erst die ganze Dokumentation lesen, um das Tool nutzen zu können, sondern kann mir die vielfältigen Möglichkeiten erkundend und nach und nach erschließen.

4. Kollaboration und Teilen

Es gibt an sehr vielen Stellen die Möglichkeit, mit anderen Nutzenden in Kollaboration und Austausch zu gehen. Zum Beispiel kann ich für die von mir erstellten Linsen Links zum Teilen generieren. Das finde ich für Bildungstools sehr wichtig.

5. Small Web

Ein sehr schöner Ansatz von kagi ist auch der Suchindex des ‚Small Web‘, der auf einer Extra-Seite oder innerhalb der Suche abrufbar ist und gezielt auf individuelle und nicht-kommerzielle Websites im Internet verweist. Im Bildungsbereich könnte solch ein wertschätzender Fokus dazu motivieren, das Internet verstärkt auch selbst mitzugestalten.

Fazit

Herzlichen Dank für diese Empfehlung. Ich habe kagi nun testweise als meine Standard-Suchmaschine eingestellt und bin gespannt, welche weiteren Erkundungen ich damit noch machen werde.

Ich hoffe, dass einige der Funktionalitäten und Ansätze von kagi auch ihren Weg in KI-Lerntools finden, die zurzeit ja an unterschiedlichsten Stellen für die Bildung entwickelt werden.

Wenn du kagi oder auch andere Recherchetools im Kontext von KI ausprobierst, bin ich neugierig, von deinen Erfahrungen zu lesen!


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