Heute habe ich den Tag in Potsdam verbracht. Das Projekt Co-wOERk hat zusammen mit der Universität Potsdam zu einem OER-Werkstatt-Tag eingeladen, der mit rund 50 Personen erfreulich gut besucht war. Ich war für einen Impulsvortrag eingeladen und habe mich auch an der Konzeption der Veranstaltung beteiligt. In diesem Blogbeitrag teile ich ein paar Einblicke, die vielleicht auch für andere Veranstaltungen spannend sind.
Konzeption und Inhalte
Wie sehr oft im OER-Kontext hatten wir es auch bei diesem Werkstatt-Tag mit einer sehr heterogenen Zielgruppe zu tun: Manche Menschen arbeiten schon sehr lange zu OER, viele andere sind ganz neu dabei. Diese „Newbie“-Zielgruppe ist – anders als in der Anfangszeit von OER – sehr spannend, weil es oft nicht Menschen sind, die sich langsam an das Thema herantasten, sondern direkt in einem der vielfältigen Förderprojekte hauptberuflich mit OER zu tun haben.
Das Motto der Veranstaltung war vor diesem Hintergrund auch sehr passend: ‚Über OER ins Gespräch kommen‘. Es ging also darum, voneinander und miteinander zu lernen, sich zu vernetzen und nächste Schritte zu planen. Das haben wir auf vielfältige Art und Weise umgesetzt.
1. Blätter-Schnipselei als Speed-Dating
Zum Kennenlernen haben wir ein Speed-Dating gestaltet und dieses mit einer Mini-Bastelei und Datenvisualisierung verbunden. So sind wir vorgegangen:
- Wir haben Scheren verteilt und dabei direkt die Anspielung auf OER deutlich gemacht, dass Pädagog*innen ja eigentlich schon zu analogen Zeiten häufig Remix-Künstler waren – lange bevor es den Begriff OER überhaupt gab – und sich mit der Schere unterschiedliche Schnipsel zusammengesucht und neu zusammengestellt haben.
- Die Teilnehmenden haben ein Blatt ausgeschnitten, mit dem sie ihren Hintergrund visualisiert haben: Die Farbe wies auf ihre Institution hin, die Größe auf die Menge an Ressourcen, die sie mitbringen, und die Form auf ihre Vorerfahrungen zu OER (= je runder, desto mehr Newbie, je gezackter, desto mehr Nerd).
- Nachdem alle ihr Blatt gestaltet hatten, suchten sie das Gespräch mit mindestens drei anderen Personen, die ein möglichst anderes Blatt gestaltet hatten als sie selbst.
- Anschließend wurden alle Blätter an einen OER-Baum angepinnt.
Ich habe diese Methode als sehr gewinnbringend erlebt und kann sie zum Nachmachen empfehlen.
2. OER-Wimmelbild
In meinem Vortrag bin ich zunächst grundsätzlich auf die (eigentlich ziemlich banale) Idee von OER eingegangen (= Von Menschen erstellte Materialien sind automatisch urheberrechtlich geschützt und können durch CC-Lizenzen weiternutzbar gemacht werden). Danach habe ich in Form eines Kritzel-Wimmelbildes Schritt für Schritt aufgezeichnet, was aus OER alles entstehen kann. Angefangen von der praktischen Tatsache, dass ich dank OER das Rad nicht immer wieder neu erfinden muss, sondern die Materialien von anderen weiternutzen kann, bis hin zum Nordstern, durch Offenheit die Welt besser zu machen.
Ich mag solch eine Kritzel-Darstellung sehr gerne, weil ich den Eindruck habe, dass die Impulse dann gut in den Köpfen bleiben und in späteren Austauschphasen immer wieder darauf Bezug genommen werden kann.
3. Tipps für gelingende OER-Arbeit
Ein weiterer Teil meines Vortrags waren 5 Tipps für gelingende OER-Arbeit:
- Sich selbst und anderen das Leben einfach machen: Es hilft ungemein, wenn man OER immer mit dem Blick teilt, wie es die Weiternutzung möglichst einfach macht. Das bedeutet dann zum Beispiel, sich nicht in Lizenz-Kleinklein zu verlieren, sondern sich bei der Auswahl besser auf CC0 und CC BY zu beschränken. Außerdem ist es hilfreich, gerade bei größeren OER-Projekten vieles zugleich auch als Micro-Content zu teilen.
- Viel mehr als nur Inhalte teilen: Für mich sind OER viel mehr als die eigentlichen „Ressourcen“ (= Materialien). Besonders gewinnbringend erlebe ich es, wenn Konzepte und Ideen offen geteilt werden. Gerade daraus kann vieles entstehen.
- Konsequente OER-Routinen entwickeln: Natürlich ist es erst einmal sehr aufwendig, etwas als OER aufzubereiten, um es zu teilen. Mir helfen dabei „selbstverpflichtende Routinen“ ungemein: Wenn ich etwas gestaltet habe, teile ich es direkt danach öffentlich. Wenn ich an einer Veranstaltung teilnehme, teile ich meine Learnings; wenn ich mit anderen zusammenarbeite, rege ich direkt bei Projektstart an, die Konzeption zu veröffentlichen … Auf diese Weise wird OER-Praxis zur Normalität. Besonders schön ist daran, dass dieses Teilen vor allem auch mir selbst hilft, weil meine Arbeit auch für mich selbst (und damit vor allem für mein zukünftiges Ich) gut aufbereitet und auffindbar zur Verfügung steht. Wahrscheinlich remixe ich mich selbst am häufigsten ;-)
- Wertschätzend sein und sich nicht ärgern lassen: Natürlich ist die Welt nicht immer nur Sonnenschein und so gibt es auch nicht nur Menschen, die offen teilen. Es kann deshalb immer wieder vorkommen, dass man auf Trittbrettfahrer*innen stößt, die nur nehmen, aber nicht geben. Hier habe ich nun zwei Möglichkeiten: Ich kann mich ärgern und vor lauter Ärger auch selbst auf das Teilen verzichten. Oder ich kann trotz alledem teilen, mich an denen orientieren, die das ebenfalls tun und mich darüber freuen, wenn andere mein Teilen für sich zum Vorbild nehmen.
- Nicht „slOERken“: Das Wortspiel „slOERken“ ist eine Erfindung des OERcamp-Teams, und ich habe es mit aufgenommen, weil ich es so spaßig fand. Gemeint ist mit „slOERken“, besserwisserisch rumzunörgeln, dass etwas Offenes nicht offen genug ist. Das sollte man besser vermeiden.
4. Murmelphasen
Ich habe den Vortrag interaktiv angelegt und nach jedem Impuls durch eine kurze Murmelphase unterbrochen. Auch hier haben wir methodisch unterschiedliche Sachen ausprobiert:
- Nach dem grundlegenden Einstieg zu OER gab es die Aufgabe, Nebensitzer*innen den Begriff OER zu erklären. Wer wollte, konnte dazu in eine fiktive Rolle schlüpfen, die man sich erwürfeln konnte.
- Nach dem Wimmelbild zu den Potenzialen von Offenheit haben wir einen Kartenaustausch gestaltet: Tausche dich mit einer anderen Person über ein fiktives Zitat aus. Sage, inwieweit es auf dich zutrifft oder nicht zutrifft. Die dazu entstandene Ressource kann offen weitergenutzt werden.
- Nach den 5 Tipps haben wir ein Troika-Consulting gestaltet: Die Teilnehmenden haben sich je eine Herausforderung überlegt, vor der sie aktuell stehen – und sich dann von zwei Kolleg*innen beraten lassen.
Aus meiner Sicht haben alle drei Murmelphasen gut geklappt. Gerade durch die Vielfalt der „Aufgaben“ hatten die Teilnehmenden Freude und waren sehr aktiv dabei. Wer Ähnliches vorhat, sollte darauf achten, einen Raum zu wählen, in dem genug Platz ist, dass die Teilnehmenden rumlaufen und sich so immer wieder mit unterschiedlichen Menschen treffen können.
5. Gallery Walk + Bingo
Nach meinem Vortrag waren verschiedene Projekte aus Brandenburg eingeladen. In einem Gallery Walk konnten die Teilnehmenden mit ihnen ins Gespräch kommen und von ihren Erfahrungen lernen. Um den Austausch ein bisschen zu strukturieren und Gespräche zu fördern, haben wir diesen Gallery-Walk mit einem Bingo verbunden. Die Teilnehmenden erhielten eine Bingo-Karte und waren herausgefordert, ein Bingo zu bekommen, indem sie unterschiedliche Felder fanden, z.B. ein hilfreiches Tool, ein spannendes OER, einen Fehler, den sie besser nicht wiederholen wollen …
Hier ist unsere genutzte Bingo-Karte:
Mein Fazit dazu: Gallery Walk + Bingo ist eine coole Kombination!
6. Hybrides Experiment
Die meisten Menschen haben vor Ort teilgenommen. Wir hatten aber auch knapp 15 Online-Teilnehmende. Hier haben wir damit experimentiert, eine Online-Veranstaltung inmitten einer Veranstaltung vor Ort zu machen. Das bedeutet, dass die Online-Teilnehmenden auch meine Impulse mitbekamen. Danach stand eine Person vom Team am Laptop und hat die Murmelphase mit den Online-Teilnehmenden gestaltet.
Beim Gallery-Walk konnten wir mit einer mobilen Kamera herumlaufen und so für die Online-Teilnehmenden Gespräche und Stimmungen einfangen.
In der Workshop-Phase gab es dann neben Vor-Ort-Workshops auch Online-Workshops (an denen theoretisch auch Vor-Ort-Menschen mit ihrem Laptop hätten dazukommen können).
Wir haben dabei gelernt: Für die Verbindungsperson zwischen vor Ort und online ist das Hin-und-Her-Switchen ganz schön stressig. Oft brauchten die Online-Menschen auch mehr Zeit als die Vor-Ort-Menschen. Und für uns im Team war eine gute Kommunikation wichtig („In 1 Minute geht es weiter im Plenum“).
Meine Take-aways
Ein OER-Tag wäre natürlich nur halb so gut, wenn ich nicht auch selbst einiges mitnehmen würde. Hier sind meine Take-Aways:
- Ich freue mich sehr darüber, wie viele großartige Menschen neu zu OER stoßen und wie viele Ideen, Perspektiven und Projekte sie mitbringen.
- Die OER-Repo-AG hat eine schöne interaktive Grafik auf ihrer Website, wo es welche OER-Repositorien und Projekte gibt.
- Die Frage nach NC-Bedingung bei den CC-Lizenzen ist immer wieder eine wichtige Frage – und es würde sich lohnen, mal eine ganz kurze/ prägnante Übersicht über die Problematik dazu zu veröffentlichen (kommt auf meine To Do Liste)
Mein Fazit
Ich finde, es war ein schöner und erfolgreicher Tag, mit dem wir gemeinsam OER hoffentlich ein bisschen weiter vorangebracht haben. Und wenn du in diesem Blogbeitrag, die eine oder andere Anregung findest, die du für dich weiternutzen kannst, dann hat sich der Tag gleich noch einmal mehr gelohnt. :-)
Meine gesamte Präsentation zum Download ist hier:
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