Bei ‚Vor Ort‘-Veranstaltungen sind so genannte Zwischenräume zum Lernen besonders wichtig. Denn wenn man gemeinsam in der Kaffeeschlange ansteht, sich einen Button an der Button-Maschine bastelt oder in einer Sticker-Box nach Stickern sucht, dann kommt man miteinander ins Gespräch und beginnt selbst zu erkunden und zu gestalten. Der Chaos Communication Congress in Hamburg ist für mich ein besonders gelungenes Beispiel für die Realisierung solcher Zwischenräume. Genauer genommen besteht er sogar zum größten Teil aus solchen Zwischenräumen und sie sind nicht nur – wie an anderen Stellen oft erlebt – ein netter Zusatz. Was lässt sich davon lernen?
Grundsätze zur Realisierung
So wie ich den Congress beobachtet habe, funktionieren die Zwischenräume dort so gut, weil es sehr klare Grundsätze und damit einen guten Rahmenbau gibt, in dem genau dieses Zwischenraum-Lernen sich entfalten kann:
- Es gibt ein verbindendes Motto, unter dem sich alle wiederfinden können und das eine Atmosphäre der Solidarität ermöglicht. Beim Congress lautet es: ‚Be excellent to each other‘. Das klingt simpel, aber es steckt sehr viel drin und es ist wahrscheinlich gerade deshalb so wirkungsvoll.
- Chaos ist ausdrücklich erwünscht und wird gefördert. Damit ist gemeint, dass es nicht ein Veranstalter-Team gibt, das alles in der Hand behalten will, sondern alle davon überzeugt sind, dass gemeinsam viel entstehen kann. Man gibt einen Rahmen vor und erlaubt und fördert es es, diesen zu füllen.
- Der Raum wird zur Gestaltung freigegeben. Es ist ausdrücklich erwünscht, dass Installationen aufgebaut, Zettel angepinnt und eigene Utensilien mitgebracht werden. Erst auf diese Weise kann es gelingen, dass die Zwischenräume nicht nur die Zwischenräume des Veranstalter-Teams sind, bei denen die Teilnehmenden dann eben mitmachen können, sondern alle Beteiligten gestalten ihren gemeinsamen Raum. Auch dazu gibt es wieder klare Regeln: Was darf nicht an Wände? Wo sind Fluchtwege? Wieviel Platz ist da? Weil so etwas transparent kommuniziert wird, funktioniert es gut. Außerdem – auch das scheint ganz wichtig zu sein – gibt es ‚Aufräummöglichkeiten‘, an denen sich alle niederschwellig beteiligen können: Flaschen zur Flaschen-Sammel-Stelle bringen, Müll einsammeln … Wenn das gut vorbereitet ist, funktioniert es ziemlich gut. Daneben gibt es beim CCC natürlich auch das ‚Engel‘-System. Hier kann man Schichten übernehmen und erhält im Gegenzug einen Voucher für ein Ticket im nächsten Jahr.
Praktische Beispiele
Ich habe dieses Jahr beim Congress unter anderem diese ‚Zwischenräume‘ entdeckt, die mir gut gefallen haben:
Mini-Spiel an der Wand
Dieses Mini-Spiel war an der Wand angebracht. Man konnte damit zu zweit spielen. Das Ziel war es, einen blinkenden Cursor zu fangen, der immer an unterschiedlichen Stellen auf der Leiste nach oben auftauchte. Man musste den Button so lange drücken, dass der eigene Cursor sich genau die benötigte Zeit zur Position des zu fangenden Cursors nach oben bewegte.
Sitzkissen und Zirkuskiste
Eine der besten Zwischenräume scheinen mir die vielen einladenden Sitz- und Liegegelegenheiten gewesen zu sein. Hier sogar mit einer Zirkus-Kiste zum Mitmachen daneben.
Klassiker: das Bällebad
Zum CCC gehört unbedingt auch ein Erwachsenen-Bällebald. Finanziert wurde es (ich weiß nicht, wie erfolgreich) durch einen Crowdfunding-QR-Code im Eingangsbereich des Bällebads.
Augomat: Wackelaugen für alle!
Ganz einfach, aber sehr wirkungsvoll: An diesem Augomat waren alle eingeladen, sich selbstklebende Mini-Wackelaugen mitzunehmen und damit die Umgebung zu verschönern.
Nachrichten-Box
An dieser Info-Exchange Station konnten alle eine kleine Karte mit einer beliebigen Nachricht beschriften, sie in einen Mini-Umschlag stecken, zukleben und in eine Box werfen. Im Gegenzug durfte man sich dann eine Nachricht herausnehmen.
Neon-Post-Its Kunst
Hier gab es eine beleuchtete Wand, die mit Post-Its beklebt werden konnte. Im Laufe der Congress-Tage entstand so ein kunterbuntes, kollaboratives Kunstwerk.
Sticker-Tische
Sticker-Tische oder -boxen gab es viele und das Prinzip ist denkbar einfach: entweder nur nach schönen Stickern suchen oder auch mit eigenen Stickern befüllen. Sehr hilfreich, um damit bestimmte Botschaften zu verbreiten, Freude zu teilen oder das eigene Projekt bekannter zu machen.
Fazit
Das waren nur einige wenige Beispiele. Viele ermutigen sie dich dazu, wenn du eigene Veranstaltungen gestaltest, einen Rahmen zu schaffen, dass sich so etwas entfalten kann. Und wenn du an Veranstaltungen teilnimmst, dann bekommst du dadurch vielleicht Ideen, wie du dich an der Gestaltung des gemeinsamen Raums beteiligen könntest. Ich nehme mir zum Beispiel die Wackelaugen-Idee mit. 🙂
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7 Kommentare
@nele
Könntest Du eine Bildbeschreibung ergänzen?
Ja, habe ich im Blogbeitrag ergänzt (Ich weiß nicht, ob das dann auch noch nachträglich ins Fediverse gespiegelt wird).
@nele
Musst Du dann hier vermutlich händisch ergänzen/bearbeiten. (Erhöht dann aber die Chance auf Boosts.)
Der Original-Post steht ja hier auf meiner WordPress-Website, die mit dem Activity Pub Plugin Teil des Fediverse ist. Einen anderen Zugang zum Bearbeiten des Beitrags, als den über meine Website, habe ich nicht. Hierüber schreibe ich z.B. auch gerade mit dir.
@nele
Dann teile ich halt nicht…
Ich habe die Anzeige des Beitrags jetzt über meinen Mastodon-Account getestet. Da wird mir nur das Beitragsbild angezeigt und das jetzt auch mit Beschreibung. Für die weiteren Bilder muss ich den Blog öffnen. Da sind jetzt j auch Bildbeschreibungen. Es freue mich, dass das Plugin (zumindest für Mastodon, für andere Dienste kann ich es nicht testen), solch eine Nachbearbeitung von Bildbeschreibungen erlaubt.
@nele
Klingt komplexer :) Ich teile es jetzt mal, obwohl es bei mir weiter ohne Beschreibung angezeigt wird. Ist ja trotzdem ein wichtiger Beitrag.