Ein schulübergreifendes Pop-Up World Café im Freien zu Zukunftsgestaltung

Mensachen auf einer herbstlichen Wiese neben Pinnwänden.

Den heutigen Tag habe ich auf der Insel Hermannswerder in Potsdam verbracht. Dort hat die Hoffbauer Stiftung ihren Standort, zu der unter anderem mehrere evangelische Grundschulen in Brandenburg gehören. Die Teams dieser Grundschulen kamen heute zum Primarfachtag zusammen, um schulübergreifend über die Gestaltung einer zukunftsorientierten Bildung zu reflektieren. Insgesamt waren es rund 250 Teilnehmende. Ich durfte den Tag mit konzipieren und moderieren. Unser Vorgehen teile ich zum Nachmachen und Weiternutzen in diesem Blogbeitrag.

Der rote Faden: gute Lerngestaltung in einer sich verändernden Welt

Ausgangspunkt des Primarfachtages war der Umgang mit gesamtgesellschaftlichen und schulischen Veränderungen. Wir wollten uns vor diesem Hintergrund sowohl mit Zukunftsdenken und Pädagogik mit dem Nordstern der Befähigung zur Entwicklung guter Zukünfte beschäftigen, als auch sehr konkret an fächerübergreifenden Projektideen arbeiten, die anschließend in allen Schulen weitergenutzt werden können. Wie sich herausstellen sollte, war das ein ziemlich ambitioniertes Programm für einen Tag!

Der Vormittag: Zukunftsdenken und Konsequenzen für Schule und pädagogische Gestaltung

Wir starteten den Tag gemeinsam in der Inselkirche. Nach einer kurzen Einführung waren direkt die Kolleginnen an der Reihe. Auf den Bänken waren fiktive Zitate verteilt, die wir von einem KI-Sprachmodell hatten generieren lassen. Der sinngemäße Prompt war, dass fiktive Zitate gesucht sind, in denen sich Menschen in Alltagsgesprächen darüber unterhalten, wie sie gesellschaftliche Veränderungen wahrnehmen. Diese Zusammenstellung hatte natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit der Perspektiven und die Zitate waren oft auch nicht zustimmenswert. Das war aber auch gar nicht der Sinn der Sache. Vielmehr waren sie als Anstupser gedacht, um für sich selbst zu überlegen und die Überlegungen mit Nebensitzerinnen zu teilen, was der eigene Blick und die Einordnung von Veränderungen ist.

Anschließend hatten wir relativ spontan die Entscheidung getroffen, uns nicht in zwei unterschiedliche Säle aufzuteilen, sondern die große Wiese neben den Tagungsgebäuden der Stiftung für den weiteren Austausch am Vormittag zu verwenden. Das war eine sehr gute Entscheidung. Denn es war zwar novembrig-kühl, aber zugleich kam immer wieder die Sonne durch und wir hatten wunderschöne Herbstblätterfarben als Begleitung. Ich finde ja, dass viel mehr Veranstaltungen draußen stattfinden sollten!

Unser Tagungsort am Vormittag – hier noch früh am Morgen fotografiert, vor dem gemeinsamen Aufbau

Beim Rauskommen aus der Kirche hatten alle eine Karte erhalten und notierten darauf nun je nach Farbe der erhaltenen Karte:

  • Weiße Karte: eine Sache, die mir im pädagogischen Kontext angesichts gesamtgesellschaftlicher Veränderungen Sorge macht
  • Gelbe Karte: eine Sache, die mich optimistisch stimmt
  • Blaue Karte: eine pädagogische Frage, die sich mir neu / mit größerer Wichtigkeit stellt

Mit diesen Karten gingen wir in einen Kartenaustausch. Das bedeutet: Alle suchten sich Gesprächspersonen und stellten sich gegenseitig ihre Karten vor und begründeten sie. Dann wurden Karten getauscht und das nächste Gespräch gesucht.

Diese Methode war in unserem Setting sowohl inhaltlich hilfreich, weil es die verschiedenen Perspektiven der Teilnehmenden zu Veränderungen aufspannte. Zugleich war es auch sozial hilfreich, weil sich viele untereinander noch nicht oder nur flüchtig kannten. Und mit dem Tag sollte ja auch ein schulübergreifendes Gemeinschaftsgefühl weiter entwickelt und der Grundstein für eine weitere, intensivere Zusammenarbeit gelegt werden.

Nach diesem ersten Austausch verteilten wir kleine Zettel mit drei Symbolen: Schwert, Schnecke, Rolltreppe. Die Symbole stehen für eine Herangehensweise an Veränderung, die passiv und/oder regressiv, aber eben nicht aktiv und gestaltend zugleich ist. Die einzelnen Symbole wurden dazu aufgerufen, so dass sich alle mit dem gleichen Symbol zusammenfinden konnten. Dabei wurden sie zugleich auch erklärt:

  • Schwert: Veränderungen werden als etwas Negatives gesehen, die es zu bekämpfen gilt.
  • Schneckenhaus: Veränderungen werden ertragen. Man zieht sich zurück.
  • Rolltreppe: Veränderungen werden abgearbeitet, ohne dabei zu gestalten.
Verwendete Symbolkarten

Da die Gruppen mit den gleichen Symbolen zu groß für eine gemeinsame Diskussion waren, wurden daraus flexibel Kleingruppen gebildet. Die Aufgabe war dann – in einer Art modifiziertem Kopfstand – gemeinsam zu reflektieren, wie pädagogische Gestaltung aussehen würde, wenn man diesen Blick auf Veränderungen hätte.

Nach dieser Diskussion in Kleingruppen mit den jeweils gleichen Symbolen, bildeten wir ein Gruppenpuzzle für den Kopfstand zurück. Es wurden somit Kleingruppen gebildet, in denen alle drei Symbole vertreten waren. Die Frage lautete: Aufbauend auf der vorangegangenen Denköffnung des angepassten Kopfstands, von der wir uns gegenseitig berichten können, was wären Merkmale einer Pädagogik, die gestaltend auf Veränderungen blickt und zugleich Lernende zu einer solchen Gestaltung befähigt?

Diese Reflexion wollten wir dann in einem World Café vertiefen. Hierzu nahmen wir mit Bedürfnissen, die für gutes Lernen erfüllt sein müssen, noch eine weitere inhaltliche Dimension dazu. Der Hintergrund war hierfür, dass Menschen dann Gestaltungskompetenz entwickeln, wenn sie gestärkt werden, was voraussetzt, dass ihre Bedürfnisse ernst genommen werden.

Die erste Aufgabe war hier, dass alle sich einen Überblick über mögliche Bedürfnisse verschafften. Dazu erhielten sie das folgende Handout und reflektierten mit Kolleg*innen, welches Bedürfnis für sie beim Lernen besonders entscheidend ist.

Handout mit Bedürfnissen

Hier ist das Handout zum Weiternutzen bei Interesse:

Nach dieser Austauschphase hatten wir allen Bedürfnisse Pinnwänden zugeordnet und konnten so ein Pop-Up World Café gestalten. Es gab natürlich auch eine Joker-Wand.

Aufgestellte Pinnwände für das World Café

Alle teilten sich dazu einer Pinnwand zu und reflektierten zu dem Bedürfnis anhand von drei Leitfragen, mit denen wir dann auch wieder den Bogen zum Umgang mit Veränderungen spannten. Diese lauteten:

  1. Was ist mit dem Bedürfnis gemeint?
  2. Wie gehen wir aktuell damit in unserer Lerngestaltung um?
  3. Was wird im Kontext von diesem Bedürfnis angesichts aktueller Veränderungen wichtiger?

Es gab insgesamt drei Austauschrunden. Die Teilnehmenden konnten jeweils dort mit diskutieren, wo sie es für sich am spannendsten fanden. Jeweils eine Person blieb dann als Gastgeber*in bei der jeweiligen Pinnwand für die nächste Runde stehen, um den Neuankömmmlingen zu erläutern, was bereits diskutiert worden war.

Nach diesen sehr intensiven und vielfältigen Austauschrunden beendeten wir den Vormittag in einem Riesenkreis mit allen Teilnehmenden und einem schnellen Blitzlicht zu den Erkenntnissen des Vormittags mit einem Wurfmikrofon.

Großer Abschlusskreis am Vormittag

Der Nachmittag: Entwicklung fächerübergreifender Projektideen

Für den Nachmittag hatten wir im Vorfeld schulübergreifende Kleingruppen zusammengestellt, in denen unterschiedliche fachliche Perspektiven zusammen kamen.

Alle Gruppen erhielten eine Online-Anleitung, mit der sie Schritt für Schritt durch einen Entwicklungsprozess zur Erarbeitung von fächerübergreifenden Projektideen geleitet wurden, die insbesondere auch die fächerübergreifende Kompetenzentwicklung – bei der Hoffbauer Stiftung benannt als Kommunikation, Zusammenarbeit, kritisches Denken, Kreativität und Herzensklugheit – berücksichtigten. Die Anleitung endete mit der Einladung, die entwickelten Ideen in einer gemeinsamen Taskcard zu teilen, womit nun für alle Schulen eine gute Grundlage zur Weiterarbeit gelegt ist.

Zum Abschluss kamen wir zunächst kurz im gesamten Plenum zusammen. Anschließend hatten die einzelnen Schulteams die Möglichkeit, den Tag für sich zu reflektieren und die nächsten Schritte festzulegen.

Fazit

Mir hat die Konzeption und auch die Durchführung sehr viel Freude gemacht. Sehr lohnend und nachahmenswert finde ich daran insbesondere:

  • die schulübergreifende Zusammenarbeit
  • das Aufgreifen des Themas der aktiven Gestaltungskompetenz (anstelle z,B, isoliert von KI-Kompetenz o.ä. zu reflektieren)
  • die Entwicklung konkreter Projektideen als sehr handfestes Ergebnis zur anschließenden Weiternutzung für alle

Bei einer Weiternutzung würde ich empfehlen, für solch ein Programm mindestens zwei Tage vorzusehen oder sich auf einen Teil zu beschränken. Das wurde auch bereits im ersten Feedback der Teilnehmenden deutlich, die gerne noch mehr Zeit für die grundsätzliche Diskussion gehabt hätten.

Da wir nachmittags die Möglichkeit zur KI-Interaktion bei der Projektideen-Entwicklung angeregt haben und das für einige Kolleg*innen einer der ersten ‚kontra-intuitiven‘ Zugänge zu dieser Technologie war, lag der Fokus bei der Gruppenarbeit am Nachmittag dann zum Teil auf diesem Thema. Das war dann natürlich auch ein offensichtlich wichtiges und gewünschtes Lernen. Für den Tag insgesamt fand ich es aber eher ablenkend von der grundsätzlichen Nordstern-Perspektive der Zukunftsgestaltung.

Danke!

Herzlichen Dank an die Kolleg*innen der Hoffbauer-Stiftung für die Einladung. Ich bin gespannt, was weiter aus dem Tag und seinen Ergebnissen entsteht!

Dankeschön auch an die Kolleg*innen der Hessischen Lehrkräfteakademie. Auf den Weg zu ihnen nach Kassel habe ich diesen Blogbeitrag geschrieben. Vor allem aber war das in der Lehrkräfteakademie entwickelte und verwendete Lernraumkonzept grundlegend für die Ausgestaltung des Vormittags.


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