Vor einiger Zeit habe ich den Ansatz des Design Futurings entdeckt und begonnen, mich damit auseinanderzusetzen. Beim heutigen OERcamp in Essen ist nun eine gute Gelegenheit, gemeinsam mit anderen dazu zu erkunden. In diesem Blogbeitrag schreibe ich ein bisschen etwas zum Hintergrund und dokumentiere zugleich die Session.
Was ist Design Futuring?
Design Futuring ist ein kreativer Ansatz, der darauf abzielt, die eigenen Vorstellungen von Zukunft reflektierbar zu machen, konkrete Zukunftsbilder zu entwerfen und diese zu nutzen, um in der Gegenwart Aktivitäten zu entfalten. Der Prozess des Design Futuring erinnert ein bisschen an einen Design Thinking Prozess mit den Phasen des Verstehens, des Entwickelns und des Testens. Beim Design Futuring gibt es diese Phasen:
- Exploration: es wird erkundet, was in der Zukunft möglich sein könnte bzw. wie sich die Zukunft entwickeln könnte.
- Entwicklung von Zukunftsbildern: es wird entwickelt, wie unterschiedliche Zukünfte sehr konkret aussehen könnten. Dazu werden Zukunftsbilder – je nach Einsatzzweck zum Teil auch mit künstlerischen Mitteln – gestaltet.
- Strategie: es wird erarbeitet, was vor diesem Hintergrund in der Gegenwart getan werden könnte.
Die Zukunftsbilder, die im zweiten Bereich entwickelt werden, können dabei unterschiedliche Ziele verfolgen. Erstens können sie ganz pragmatisch der Innovationsentwicklung dienen: Was könnte zukünftig ein nützliches Angebot/ Produkt sein, das wir entwickeln könnten? Zweitens können sie aber auch als Spekulation gedacht sein und in diesem Sinne Menschen dazu einladen, über ein ‚Was wäre wenn …? nachzudenken. Drittens können Zukunftsbilder auch der Kritik dienen, d.h. ein sehr abschreckendes Beispiel sein, was zu Handlungen zur Verhinderung dieses Zukunftsbildes motivieren kann.
Was hat Design Futuring mit OER zu tun?
Zunächst einmal kann Design Futuring zur OER-Strategieentwicklung genutzt werden. Wir können uns gemeinsam die Frage stellen, wie sich die Rolle von OER zukünftig möglicherweise ändern wird und wie wir darauf schon heute antworten wollen. Solch ein strategischer Blick kann sich zum Beispiel auf eine veränderte Rolle von OER im Kontext generativer KI beziehen oder auf eine veränderte Bedeutung von digitalen Lerninhalten in der Bildung.
Zweitens finde ich Design Futuring methdisch spannend im Sinne von Open Educational Practices: Denn es geht darum, sich gemeinsam in einen sehr offenen Prozess zu begeben und etwas zu entwickeln und zu teilen.
Drittens sind OER für mich immer auch ein wichtiger Bestandteil für das Wirken für eine bessere Welt. Vor diesem Hintergrund kann Design Futuring auch genutzt werden, um Zukunftsbilder der Offenheit, des Teilens und von vernetztem, freien Wissen zu teilen und zur Diskussion zu stellen.
Wie funktioniert Design Futuring?
Es gibt nicht die eine Herangehensweise an Design Futuring. Vielmehr gilt es, mit unterschiedlichen Herangehensweisen und Methoden zu experimentieren und auf diese Weise für sich einen guten Weg zu finden. Wie einleitend erwähnt, stehe ich in diesem Prozess noch ziemlich am Anfang. In der Session haben wir drei konkrete Methoden gemeinsam ausprobiert:
1. Polak: Wo stehst du?
Das Polak-Spiel (benannt nach Frederik Lodewijk Polak, weil er die Idee dafür in seinem Buch ‚the image of the future‘ skizzierte) ist ene Art Raumaufstellung:
- Alle starten in der Mitte des Raums.
- Zunächst positioniert man sich vertikal zur Frage: Wie sieht unsere Gesellschaft in 10 Jahren aus: besser oder schlechter?
- Danach positioniert man sich horizontal zur Frage: Was denkst du zu deinen Möglichkeiten: bist du optimistisch oder pessimistisch etwas verändern zu können?
Die erhaltene Aufstellung lässt sich in vier Quadranten unterteilen:
- Alles Mist, aber das lässt sich nicht ändern.
- Das wird schon, auch ohne mich!
- Eine positive Zukunft braucht mich!
- Wir können das Schlimmste verhindern!
Jede Person kann reflektieren, wo sie steht und dazu vor allem auch mit anderen ins Gespräch kommen. Das ist erstens sehr aufschlussreich, um zu erkennen, dass es nicht die eine Zukunft, sondern mehrere Zukünfte in den Köpfen gibt. Zweitens kommen Menschen untereinander ins Gespräch und tauschen sich zum Beispiel zu möglichen Begrenzungen aus, die sie erleben.
2. Das Rad der Zukunft
Das Rad der Zukunft ist eine Art strukturiertes Brainstorming, mit dem sich die Auswirkungen von Trends umfassend reflektieren lassen. Das ermöglicht eine gute Basis, um Zukunftsbilder zu entwickeln. Denn die einfache Feststellung ‚Generative KI wird in den nächsten Jahren eine größere Rolle spielen‘ ist noch nicht sonderlich spannend. Spannender wird es, wenn man sich fragt, was daraus folgt. Dazu lässt sich die erste Feststellung in die Mitte eines Kreises schreiben und drumherum wie in einer Art Mindmap ableiten, was das weiter bedeuten könnte. Je weiter man im Kreis nach außen kommt, umso spannender werden die Erkundungen.
3. 2×2-Matrix
Die 2×2-Matrix basiert auf so genannten kritischen Unsicherheitsfaktoren. Das sind Entwicklungen, die man sich in der Zukunft vorstellen kann, die entweder auf die eine oder auf eine ganz andere Weise verlaufen könnten. Im Kontext von OER wäre das zum Beispiel, dass Wissen zunehmend frei und offen zur Verfügung steht oder dass Wissen monopolisiert wird. Eine andere mögliche Achse wäre, dass sich Lernkultur in Richtung Open Educational Practices entwickeln könnte oder dass die bestehende Lernkultur zementiert wird. Aus diesen Achsen entstehen dann vier mögliche Zukunftsbilder, die reflektiert werden können. Zum Beispiel: Wie sieht die Welt aus, wenn Wissen geschlossen ist und die bestehende Lernkultur zementiert wird? Das ist die Grundlage, um darauf aufbauend Zukunftsbilder zu entwickeln, zu gestalten und in die Diskussion zu bringen.
Weiterlesen
Wer für sich das Thema noch weiter vertiefen will, dem empfehle ich das Buch ‚Zukünfte gestalten‘ von Benedikt Groß und Eileen Mandir (erschienen im Verlag Hermann Schmidt).
Fazit
Ich habe mich über das große Interesse in der Session sehr gefreut und wünsche viel Freude beim weiteren Erkunden!
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